Herr Dubbers-Albrecht, Sie stammen aus einer alten Bremer Kaufmannsfamilie. Über Sie ist zu lesen: Sie tragen immer Krawatte, würden Ihre Mitarbeiter niemals duzen und ein Handschlag zählt für Sie so viel wie ein unterschriebener Vertrag. Hat die Handelskammer einen ehrbaren Bremer Kaufmann vom alten Schlag an ihre Spitze gewählt?
Eduard Dubbers-Albrecht: Sie hat einen ehrbaren Kaufmann gewählt, aber nicht zwingend vom alten Schlag. Zumindest nicht, wenn man unter diesem Ausdruck "rückständig" oder "altmodisch" versteht. Auch ehrbare Kaufleute blicken nach vorne, denken zukunftsorientiert. Gerade in Bremen.
Ihre Familie hat über mehrere Generationen das Bremer Handels- und Speditionsunternehmen J.H. Bachmann geführt. Was bedeutet Ihnen das familiäre Erbe?
Es ist ein Fundament, ein Wertegefüge und es prägt natürlich in irgendeiner Weise die Person. Als ich vorhin hier die Treppe im Schütting hochgekommen bin, habe ich festgestellt, dass zwei der vielen Wappenfenster von unserer Familie belegt sind – mit Wappen meines Großvaters und meines Urgroßvaters. Das empfinde ich als Ehre und auch als Verpflichtung, dieses Amt des Präses der Handelskammer zum Wohle Bremens auszufüllen.
Bedauern Sie, dass die Umgangsformen heute in vielen Unternehmen andere sind?
Ich selber trage gerne Krawatten, auch im Hochsommer. Aber am Ende zählt nicht die Krawatte, sondern der Mensch dahinter. Ich finde vor allem, man muss authentisch bleiben. Und mir ist es gelegentlich schwergefallen, hinter so manchem Konzernchef noch die Authentizität zu erkennen, wenn der mit einer vermeintlichen Lockerheit auftritt, dann aber sagt: Wir müssen 20.000 Leute entlassen. Es tut manchmal auch ganz gut, einen gewissen Abstand zu halten.
Sie werden bald auch einer grünen Verkehrssenatorin und einer roten Wirtschaftssenatorin gegenübersitzen. Da könnten Sie ja zumindest mit der Farbe Ihrer Krawatte schon mal ein Zeichen setzen, oder?
Frau Vogt wäre sicherlich überrascht, wenn ich eine rote Krawatte mit Hammer und Sichel tragen würde. Aber da sie einen gesunden Humor hat, würde sie darüber wohl herzlich lachen.
Was erwarten Sie sich denn von der Zusammenarbeit mit Kristina Vogt? Kann das gutgehen: ein alter Bremer Kaufmann und eine linke Wirtschaftssenatorin?
Unbedingt. Das zeichnet uns ja hier in Bremen aus: Dass wir miteinander reden, auch wenn wir vielleicht andere Hintergründe und politische Wertegerüste haben. Senatorin Vogt mag die Leute aus dem Hafen, und ich bin ja so ein Hafenmensch. Also können wir gut miteinander reden – mal sachbezogen, aber auch mal über die Frage, ob der nächste 5:0-Sieg von Werder gegen den HSV vielleicht um ein Tor zu hoch ausgefallen ist.
Und mit Maike Schaefer, der grünen Mobilitäts- und Klimaschutzsenatorin? In Fragen der Verkehrspolitik etwa liegen Sie ziemlich weit auseinander.
Genau, das ist inhaltlich so und das muss man auch gar nicht verhehlen. Aber wir führen ja die Gespräche, um in zentralen Themen gemeinsame Lösungen zu finden. Und ich glaube, wenn man mit dieser Ernsthaftigkeit aufeinander zugeht, bekommt jeder diese Ernsthaftigkeit auch zurück.
Die Amtszeit Ihrer Vorgängerin war in weiten Teilen von der Corona-Epidemie und dem Kampf gegen deren wirtschaftliche Folgen geprägt. Befürchten Sie, dass Sie sich auch noch einmal zwei oder drei Jahre damit befassen müssen?
Die ersten Monate meiner Amtszeit werden sicherlich noch massiv davon geprägt sein, vielleicht auch das ganze erste Jahr. Mein großer Wunsch – und nicht nur meiner – wäre, dass uns Corona im nächsten Jahr in unserer täglichen Arbeit nicht mehr beschäftigt.
Befürchten Sie bleibende Schäden für die bremische Wirtschaft?
Das hängt sehr von der Branche ab. Der Maschinenbau, die Logistikwirtschaft und andere werden das gut überstehen. Für einige Bereiche dagegen wird es nicht ganz einfach werden, aus der Corona-Krise wieder rauszukommen. Wenn ich etwa an die Gastronomie denke, an den Tourismus, das Hotelgewerbe – da ist viel Substanz verloren gegangen. Einige werden es schaffen, andere nicht. Der Einzelhandel ist ebenfalls massiv betroffen, hier kommen aber noch unser bremenspezifisches Innenstadtthema dazu und die Veränderung der Branche durch den Internethandel.
Was meinen Sie mit bremenspezifisch?
Unsere Innenstadt präsentiert sich nicht so, wie sich eine zukunftsorientierte Innenstadt präsentieren müsste. Wir haben zu wenig klassischen, unternehmergeführten Einzelhandel, der unabhängig ist von den großen Ketten. Die Attraktivität der Innenstadt als einem Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Kunst und Kultur funktioniert nicht so, wie wir uns das vorstellen. Die Erreichbarkeit der Innenstadt ist und bleibt ein Thema. Darum werden wir uns in unserer Kammerarbeit massiv kümmern müssen.
Welche anderen Themen haben Sie sich vorgenommen für Ihre dreijährige Amtszeit?
Dazu gehören selbstverständlich die wichtigen Standortthemen – wie Digitalisierung, Hafenentwicklung, ausreichendes Gewerbeflächenangebot und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Ganz wichtig ist aber die Bildung, ein Thema, an dem in Bremen gearbeitet werden muss. Das strahlt weit über Bremen hinaus, zum Teil zu unrecht...
Sie meinen: Die Bremer Schulbildung hat ein schlechtes Image?
So ist es. Es muss darum gehen, jungen Leuten zumindest eine Grundbildung zu verschaffen, die es ihnen ermöglicht, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben.
Wie schafft man das?
Zunächst einmal brauchen wir den politischen Willen, dass Leistung zählt. Das Thema "fördern und fordern" ist aus meiner Sicht zu schwach ausgeprägt. Und, ja, es muss auch mehr Geld in die Bildung fließen. Wenn wir uns mal mit Hamburg und Berlin vergleichen: Da wird deutlich mehr Geld pro Kind ausgegeben als hier. Wir brauchen gut ausgestattete Schulen und gut ausgebildete Lehrkräfte.
Fehlt es an denen, weil Bremens Schulen keinen guten Ruf haben?
Das scheint so der Fall zu sein.
Was kann man dagegen tun?
Ich bin ein Freund der Idee, den Schulen mehr Selbstständigkeit einzuräumen. Bei meinen bisherigen Besuchen an Bremer Schulen haben mich die Lehrer und Direktoren immer beeindruckt. Das Engagement fand ich klasse. Ich habe den Eindruck, dass die Lehrer sich manchmal von der Bildungsbehörde alleine gelassen fühlen, und das darf nicht sein.
Am Ende Ihrer dreijährigen Amtszeit werden Sie 66 sein. Wird dann die Krawatte endlich abgelegt?
Vielleicht bleibe ich ja dann noch im Präsidium der Handelskammer, dann lege ich sie nicht ab.