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Astrium schickt Raumtransporter ins All Eine Rakete für Bremen

Bremen. Bremen bekommt eine eigene Ariane-Rakete. Wenn am 9. März der in Bremen gebaute dritte Raumtransporter vom Typ ATV vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou ins All startet, wird am Rumpf der Rakete in großen Buchstaben „Bremen“ stehen.
13.01.2012, 16:10 Uhr
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Von Krischan Förster

Bremen. Bremen bekommt eine eigene Ariane-Rakete. Wenn am 9. März der ebenfalls in Bremen gebaute dritte Raumtransporter vom Typ ATV vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou ins All startet, wird am Rumpf der Rakete in großen Buchstaben „Bremen“ stehen.

Schon das vergangene Jahr war für das Bremer Raumfahrtunternehmen mit einem 240-Millionen-Auftrag für den Betrieb der Raumstation ISS überaus erfolgreich zu Ende gegangen. 2012 soll aber noch besser werden. „Es wird spannend“, sagt der Bremer Standortleiter Michael Menking. Da gibt es nicht nur den in Bremen gebauten Raumtransporter „Edoardo Amaldi“, der im März abheben soll. Bereits in den nächsten Tagen könnte ein weiterer Auftrag zur Entwicklung eines Satelliten-Abschleppsystems ins Haus flattern, ausgeschrieben vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Da haben wir gute Chancen“, sagt Menking.

Weltraumschrott wird zunehmend zu einem Problem für die internationale Raumfahrt. Nach groben Schätzungen umkreisen bereits mehr als 600000 Objekte die Erde in einer Höhe von 200 bis 36000 Kilometern. 5500 Tonnen Schrott: ausgebrannte Raketenstufen, defekte Satelliten, Abfälle von Raumfahrzeugen, alte Montageteile und eine Vielzahl von kleineren Fragmenten wie Bolzen oder Adapter, Schrauben und Linsen. Schon ein Bruchstück von einem Zentimeter Größe kann bei einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Sekunde die Wucht einer Handgranate entwickeln und zur Gefahr für Satelliten oder sogar die ISS werden.

Das DLR hat deshalb das Projekt Deos aufgelegt, mit dessen Hilfe ein fliegender Schrottfänger entwickelt werden soll. Astrium hatte zuvor im Auftrag der europäischen Raumfahrtagentur ESA unter dem Projektnamen „Roger“ untersucht, ob zum Beispiel ein umgebaute Raumtransporter ATV mit Hilfe eines großes Netzes taumelnde Satelliten einfangen könnte.

Demonstrationsmission

Nun kommt Deos. Geplant ist eine Demonstrationsmission mit zwei Satelliten, wobei der eine den anderen einfangen und kontrolliert zum Verglühen bringen soll. Die grundsätzliche Machbarkeitsstudie wurde vor drei Jahren abgeschlossen. „Jetzt geht es darum, das Gesamtsystem zu entwickeln“, so Menking. Also das Konzept und Design für die Satellitenplattform, den Antrieb, einen Greifarm und die hochkomplexe Steuerungstechnik.

Astrium in Bremen hat mit den ATV genau jene Technik schon erprobt, die auch für die Weltraumschrott-Sammler gebraucht wird: das automatische Ansteuern und Ankoppeln eines Gefährts an das andere. „Damit sind wir im Moment konkurrenzlos“, sagt Menking. Selbst die Amerikaner, sonst vor Selbstbewusstsein nur so strotzend, zeigen Respekt. Zuletzt sei der Raumtransporter „Johannes Kepler“ von Februar bis Mitte Juni vergangenen Jahres eine „fantastische Mission geflogen“ und sei einen Monat länger als geplant im All-Einsatz geblieben, um die ISS wieder auf die richtige Bahn zu hieven. „Denn wir haben beim Anflug den Treibstoff dafür eingespart“, sagt Menking.

Bei der kommenden Ausschreibung beim Deos-Projekt will Astrium auf jeden Fall den Auftrag für die Steuerungs- und Einfangtechnik gewinnen, gern aber auch die Gesamtleitung, die bei der Vorläuferstudie noch an die Bremer OHB-Gruppe gegangen war. Einen ersten Demonstrationsflug könnte es in etwa fünf Jahren geben.

Bereits beteiligt ist Bremen auch an der Optimierung der europäischen Ariane-5- Rakete, des derzeit erfolgreichsten und zuverlässigsten Trägersystems. 46 Starts ohne technische Pannen seien auch ein Verdienst der Bremer Ingenieure, die im Werk am Neuenlander Feld die Oberstufe montieren. Um sich in Zukunft gegenüber der erstarkenden Konkurrenz in Russland, Amerika, China oder Indien behaupten zu können, soll die Ariane weiterentwickelt werden und künftig mehr Nutzlast ins All bringen können – zwölf statt bislang gut zehn Tonnen. Außerdem bekommt die Generation „Midlife Evolution“ einen neuen, kryogenen Antrieb. Vorteil: Die Oberstufe könnte mehrfach gezündet werden, um beispielsweise zwei Satelliten auf unterschiedlichen Umlaufbahnen auszusetzen.

Wichtige Vorstudien sind bereits erledigt, die endgültige Entscheidung über eine neue Raketeaber muss der ESA-Ministerrat im November treffen. Bei dieser Gelegenheit sollen auch gleich die Raumfahrtpolitik und das Budget für die kommenden drei bis fünf Jahre festgezurrt werden. Und das wird die Geschicke der Bremer Raumfahrtbranche bestimmen. Astrium beschäftigt inzwischen wieder mehr als 1000 Mitarbeiter, sorgt für etwa 200 Millionen Euro Umsatz bei den Zulieferern in der Region und investiert zudem jährlich etwa zehn Millionen Euro in den Standort.

„Wir haben noch drei Jahre Arbeit“, sagt Menking. „Aber für die Zeit danach brauchen wir Folgeprogramme.“ Das gilt nicht nur für die neue Ariane, für die neben der Oberstufe auch die Tanks gemeinsam von Astrium und der Bremer OHB-Gruppe gebaut werden würden. Um die Raketeweiterentwickeln zu können, seien mindestens 1,5 Milliarden Euro nötig. Das gilt aber auch für das Satellitengeschäft. Und auch die ATV-Produktion läuft bei Astrium aus. Nach „Edoardo Amaldi“ sind noch ein vierter und fünfter Raumtransporter bestellt. Eigentlich werden die Frachter weiter gebraucht. Und Astrium hätte neue Ideen – ob nun als Schrottsammler oder als Antriebsmodul für Raumschiffe wie die amerikanische „Orion“. „Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden“, sagt Menking.

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