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Einigung bei Bremens Verkehrsfliegerschule Abflug ohne Platzrunde

Es ist ein Abschied auf Raten, der sich seit 2020 angekündigt hatte. Wie für die bisherigen Pilotenschüler und Dozenten der Bremer Verkehrsfliegerschule das Kapitel an der Weser endgültig beendet ist.
11.02.2022, 18:49 Uhr
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Abflug ohne Platzrunde
Von Florian Schwiegershausen

Für die Bremer ist es schon immer die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa gewesen. Die meisten der mehr als 5000 Lufthansa-Piloten haben hier bisher ihre Ausbildung gemacht. So verließen auch vor mehr als 30 Jahren der heutige Lufthansa-Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr und sein kleiner Bruder Matthias ihre Heimat Wanne-Eickel, um in der Hansestadt zum Piloten ausgebildet zu werden und später den Kranich auf der Uniform zu tragen. Etliche Male übten auch sie am Neuenlander Feld die Starts und Landungen.

Doch nun ist endgültig klar, dass das Ende des Flugausbildungsbetriebs in Bremen naht. Ab Sommer soll im Jürgen-Schumann-Haus, benannt nach dem Kapitän der "Landshut", der 1977 im Jemen ermordet wurde, hier nur noch die Theorie stattfinden. Die Praxis erfolgt dann in Rostock-Laage. Lufthansa Aviation Training (LAT) in München, bei denen sich die Pilotenausbildung aller zum Konzern gehörenden Fluggesellschaften unter einem Dach befindet, nennt für diese Entscheidung "unternehmerische Gründe". Chef ist hier seit 2021 Matthias Spohr.

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Für das bisherige Ausbildungsteam ist damit auch klar, dass es nicht mehr gebraucht wird. Der Betriebsrat hat mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi seit vergangenem Jahr für die 74 betroffenen Dozenten und kaufmännische Angestellten um einen Sozialplan gekämpft. Der ist jetzt laut Verdi-Angaben für sie, deren Verdienst durch einen Tarifvertrag geregelt war, vereinbart. Sie erhalten eine Abfindung, deren Höhe abhängig von der Betriebszugehörigkeit ist. Außerdem wird es eine Transfergesellschaft geben. Die habe eine unterschiedlich lange Dauer, wie seitens Verdi zu hören ist. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter liege bei Mitte 50, weshalb es nicht einfach sei, eine neue Anstellung zu finden.

In Zukunft Dozenten ohne Tarifvertrag

Theorieunterricht soll es in der Bremer Verkehrsfliegerschule auch in Zukunft geben. Doch nicht mehr mit der bisherigen Belegschaft, was sie als Schlag in die Magengrube empfinden. Die neuen Dozenten arbeiten in Zukunft ohne Tarifvertrag. "Da wird in Zukunft auch auf freie Mitarbeiter zugegriffen", sagt der Verdi-Fachsekretär Franz Hartmann und kommentiert die "unternehmerische Entscheidung von LAT damit: "Die Schule hat am Ende des Jahres immer Gewinn gemacht." Ab Sommer soll es dann neu am LAT-Standort Rostock-Laage losgehen. Momentan laufen in Bremen noch letzte Ausbildungskurse der Bundeswehr.

Für das alte Ausbildungsteam in Bremen ist es also ein Abschied, der sich seit mehr als einem Jahr abgezeichnet hatte. Doch da sind ja auch noch die Flugschüler. Sie hingen seit Frühjahr 2020 in der Luft und wären viel lieber fliegend in der Luft gewesen. Mit Beginn der Pandemie hatte die Lufthansa damals die Ausbildung von mehreren hundert Flugschülern abgebrochen. Dabei kostet jeden von ihn die Ausbildung 80.000 Euro.

Ursprünglich Klagen von mehr als 400 Pilotenschülern

Anwälten zufolge hatten sich rund 400 Schüler zu Klagen entschlossen, um den ursprünglich vereinbarten Ausbildungsweg durchzusetzen. Erste Verhandlungen dazu gab es im vergangenen Jahr vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Als nächstes ging es zum Landesarbeitsgericht Frankfurt. Nach Angaben der Pilotenvereinigung Cockpit ging es vor zwei Wochen darum, ob man einem Eilantrag stattgeben müsse, weil ja eigentlich die ersten Hauptverhandlungen für diese Woche terminiert waren. Schließlich wurde der Termin dazu genutzt, um Vergleichsverhandlungen zu führen.

Da geht es um mehr als 100 Pilotenschüler. Die haben diese Woche ein Vergleichsangebot erhalten. Dies beinhaltete die Beendigung der Ausbildung - jedoch nicht in Bremen, sondern in Essen bei der privaten Flugschule TFS Käufer. Die haben bisher auch für Condor und Tuifly ausgebildet. Laut VC Cockpit habe es nur kurze Bedenkzeit für das Angebot gegeben. "Die Mehrheit hat es angenommen", sagte eine Vertreterin der Pilotengewerkschaft dem WESER-KURIER.

Weitere Streitigkeiten liegen in der Luft

Doch einige wenige haben es abgelehnt und wollen ihre Ausbildung nicht fortsetzen. Laut Cockpit ist für sie die Situation so: "Wer zuvor entschieden hatte, die Ausbildung abzubrechen, erhielt einen Bonus in Höhe von 20.000 Euro. Den haben sich einige aber nicht auszahlen lassen. Und diese Summe will man ihnen nun nicht mehr zugestehen." Die Schulungskosten würden auf alle Fälle zurückgezahlt werden, aber für Cockpit sieht es nach weiteren Rechtsstreitigkeiten aus.

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Wer dem Angebot zugestimmt hat, kann laut LAT ab April in Essen seine Ausbildung fortsetzen. "Je nach damaligem Ausbildungsfortschritt dauert es für sie dann nochmal bis zu 24 Monate", sagt LAT-Sprecher Dirk Sturny. Von da an werden sie also im Landeanflug auch über die Heimat von Carsten und Matthias Spohr fliegen. Ob dabei der Mond von Wanne-Eickel, wie ihn einst Friedel Hensch besungen hat, ein adäquater Ersatz für das Weser-Panorama mit Blick auf den Bremer Dom ist, werden sie ab Frühjahr sagen können.

Zur Sache

Ausbildung in Kooperation mit Hochschule Bremen

Bereits im vergangenen Jahr teilte Lufthansa Aviation Training mit, dass man in Bremen die Theorieausbildung akademisieren wolle. Diese Ankündigung füllt sich langsam mit Inhalt. Denn zum Wintersemester bietet die Hochschule Bremen den Bachelor-Studiengang Luftfahrtsystemtechnik und -management in Verbindung mit einer Pilotenausbildung an. Denn wer sich für einen bestimmten Schwerpunkt entscheidet, muss die Ausbildung zum Verkehrspiloten machen. Lufthansa Aviation Training (LAT) geht davon aus, dass es mittelfristig wieder Bedarf an Piloten gibt. "Aktuell gibt es im Lufthansa-Konzern noch Überhänge an Piloten", sagt LAT-Sprecher Dirk Sturny. Eurowings teilte vergangene Woche mit, dass sie 750 Mitarbeiter für Cockpit und Kabine einstellen wolle.

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