Die Zeiten, dass das Unternehmen mit dem Kranich als Wappentier ein sicherer Arbeitgeber ist, sind schon länger vorbei - das wird besonders seit der Corona-Krise deutlich: Der Lufthansa-Konzern baut nun noch massiver Personal ab. Bislang hat er dabei betriebsbedingte Kündigungen durch freiwillige Abgänge oder durch Teilzeitlösungen vermeiden können. Doch gelten diese Angebote offenbar nicht für die 1956 gegründete Bremer Verkehrsfliegerschule European Flight Academy, die zur Ausbildungssparte des Konzerns, der Lufthansa Aviation Training (LAT), gehört.
"Wir haben in den vergangenen Wochen über einen Interessenausgleich verhandelt", sagte der Betriebsrat der LAT in Bremen. "Seitens des Arbeitgebers war da aber keine Ernsthaftigkeit zu erkennen. Er hat es offenbar nur gemacht, weil der Gesetzgeber solche Verhandlungen vorsieht." Die Verkehrsfliegerschule war in den vergangenen Monaten mehrfach in die Schlagzeilen geraten, weil der Lufthansa-Konzern den Traditionsstandort in seiner bisherigen Form aufgeben hatte. In Bremen soll den angehenden Piloten nur noch die Theorie vermittelt werden. Der in Deutschland vorgesehene praktische Ausbildungsteil wurde am LAT-Standort Rostock-Laage zusammengeführt.
Neue Struktur noch unklar
Dass die bisherigen Dozenten am Bremer Standort in dem neuen Konzept keine Rolle spielen sollen, sei den Betroffenen erst vor ein paar Wochen mitgeteilt worden. "Das haben wir mit Verwunderung und Bedauern zur Kenntnis genommen", heißt es vonseiten des Betriebsrats, der für 74 Dozenten und kaufmännische Angestellte spricht. Diese Arbeit werde ab kommenden Sommer komplett auch von Mitarbeitern des LAT-Standorts Rostock übernommen, der im Gegensatz zu Bremen nicht tarifiert sei. "Deren Mitarbeiter sind auch schon jetzt in einem gerade gestarteten Theoriekursus für die Bundeswehr im Einsatz, decken den Unterricht wegen Personalmangel zum Teil aber mit Freelancern ab. Wir sind dafür nicht vorgesehen, wir sind offensichtlich nur noch für einen früheren gestarteten Kursus zuständig, der jetzt ausläuft."
Die vom Lufthansa-Konzern im Februar im Rahmen der Neustrukturierung für die Pilotenausbildung angekündigte Weiterentwicklung des Bremer Standorts als Kompetenzzentrum für theoretische Ausbildungsmodule in Deutschland sei noch nicht umgesetzt, sagte LAT-Sprecher Dirk Sturny am Freitag auf Nachfrage des WESER-KURIER. "Die LAT befindet sich mit der Hochschule Bremen in engem Kontakt bezüglich der Ausarbeitung eines Konzepts mit dem Ziel eines Kompetenzzentrums für die theoretische Pilotenausbildung." Man möchte den künftigen Flugschülern die Möglichkeit einer Akademisierung des Pilotenberufs anbieten, um so eine breitere Beschäftigungsgrundlage zu ermöglichen sowie künftige marktbedingte Schwankungen in der Luftfahrt kompensieren zu können.
Bislang wurden die Flugschüler so ausgebildet, dass sie gleich nach Erhalt der Lizenz im Cockpit in einem Verkehrsflieger der Lufthansa Group tätig sein konnten. Die Corona-Krise hatte den Bedarf an Nachwuchspiloten enorm nach unten gedrückt. In der geplanten Campus-Ausbildung soll nun ein Abschluss erworben werden können, der international üblich ist. Die Berechtigung, eine Verkehrsmaschine zu fliegen, können die ausgebildeten Flugschüler dann im Anschluss bei der jeweiligen Airline erwerben. "Damit erhalten Flugschüler auch eine Perspektive auf einen möglichen späteren Einstieg nicht nur in Cockpits der Lufthansa-Group-Airlines", hatte der Konzern seine Umstrukturierung begründet.
Gleiche Möglichkeiten gefordert
"Als wir hörten, dass hier das Theorie-Kompetenzzentrum aufgebaut werden soll, sind wir natürlich davon ausgegangen, dass das mit uns geschehen soll", heißt es vom Betriebsrat. "Zumal die Kompetenz schon da ist, weil wir die Theorie den Flugschülern bereits seit Jahrzehnten erfolgreich vermittelt haben."
Vielleicht ergeben sich doch noch Optionen für die Beschäftigten - zumindest sagte der LAT-Sprecher, dass - wie beschrieben - die konkrete Ausgestaltung des Kompetenzzentrums für die theoretische Pilotenausbildung noch offen sei. "Für einen Teil der Berufsgruppe der Theorielehrer wird dort möglicherweise eine Perspektive für eine Festanstellung entstehen."
Zu den gescheiterten Interessenausgleichsverhandlungen in der Einigungsstelle sagte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, dass es keinerlei Angebote des Arbeitgebers gegeben habe, irgendwie auf die Mitarbeiter zuzugehen. Verdi-Gewerkschaftssekretär Franz Hartmann sagte, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Lufthansa verdiente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehrere Jahrzehnte im Konzern gearbeitet haben, vor die Tür setzen wolle. „Wir fordern nur die gleichen Möglichkeiten für die Bremer Beschäftigten, wie sie für alle anderen Beschäftigten im Konzern gelten. Das lassen wir uns nicht gefallen und werden unseren Betriebsräten für die schwierigen Verhandlungen mit den Arbeitgebern den Rücken stärken."
Wenn es schon keine Weiterbeschäftigung gebe, "dann wollen wir auf jeden Fall wie alle anderen Lufthansa-Mitarbeiter behandelt werden, die länger als 15 Jahre im Unternehmen sind, denen dadurch nicht betriebsbedingt gekündigt werden kann und die entsprechende Angebote bekommen", so der Betriebsrat. Von den 74 verbliebenen Beschäftigten hätte dann zumindest ein Großteil zumindest die Chance, finanziell nicht gänzlich vor dem Nichts zu stehen. "Wir haben ein Durchschnittsalter von Mitte 50. Auf dem freien Arbeitsmarkt da etwas zu bekommen, ist unwahrscheinlich." Bei den Fluglehrern - insgesamt hatte der Bremer Standort mal 130 Mitarbeiter - habe es zum Teil eine Wechseloption in den Linienverkehr und andere Angebote gegeben.