Die Krise der Bremer Landesbank ist noch immer nicht gründlich aufgearbeitet. Mehr Aufschluss über die Hintergründe sollten die Akten geben, die bei Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) liegen.
Es ist ziemlich still geworden um die Bremer Landesbank. Seit dem Jahreswechsel regiert die NordLB in Hannover als Alleinherrscherin des Instituts am Domshof. Rund 200 Jobs sollen dort wegfallen. Doch so mancher ist mit Blick auf die Milliardenrisiken, die in Hamburg und Schleswig-Holstein die Steuerzahler für die HSH Nordbank schultern müssen, fast schon erleichtert: dass es sich in Bremen, je nach Rechnung, zumindest auf rund 200 Millionen Euro Verlust beschränkt, die das Bundesland durch den Notverkauf seines restlichen Anteils an der Landesbank erleidet.
Doch für das kleine Bremen mit seiner chronischen Haushaltsnot ist auch das eine enorme Summe. Und gründlich aufgearbeitet ist die Krise der BLB bis heute nicht. Mehr Aufschluss über die Hintergründe hatte sich die Opposition in der Bremischen Bürgerschaft von den Akten versprochen, die bei Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) – der langjährigen BLB-Aufsichtsratschefin – liegen. Mitglieder des Controlling-Ausschusses hatten inzwischen die Möglichkeit, Dokumente einzusehen – nach wochenlangem Streit im Ausschuss, unter welchen Bedingungen dies möglich sein soll.
Vorgelegte Aktien lückenhaft
Was haben Sie vorgefunden? Nur einen Teil der Dokumente hat die Senatorin den Parlamentariern zugänglich gemacht. Linnerts persönliche Aufsichtsratsunterlagen konnten sie nicht einsehen. In den Akten, in denen es um Bremens Beteiligungsmanagement geht, sind Namen von Personen und Firmen geschwärzt, was Linnert mit den Rechten Dritter und der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen begründet. Aber auch die vorgelegten Akten seien höchst lückenhaft, kritisiert Jörg Kastendiek, der CDU-Fraktionssprecher für Wirtschaft.
Vergangene Woche konnte die CDU-Fraktion Unterlagen aus dem Jahr 2016 einsehen. In den Dokumenten hätten aber sämtliche sogenannte Sicht- und Geschäftsgangvermerke gefehlt, sagt Kastendiek – also beispielsweise Empfehlungen von Fachleuten im Finanzressort zum Abstimmungsverhalten Bremens im Aufsichtsrat. Doch nur mit diesen Schriftstücken sei es möglich, den Umgang der Bremer Verwaltung mit der Landesbankkrise nachzuvollziehen. Auf Nachfrage sei der Fraktion mitgeteilt worden, diese Unterlagen seien „auf Anweisung der Vorgesetzten“ entfernt worden.
„Was wir gesehen haben, ist schon ziemlich dreist“, sagt der CDU-Politiker. „Die Akten sind gesäubert worden.“ Offensichtlich habe die Finanzsenatorin etwas zu verbergen. Dies sei ein „bewusster Verstoß gegen parlamentarische Rechte“, so Kastendiek. „Das Parlament soll kontrollieren. So wird die Gewaltenteilung ad absurdum geführt.“
Sehr viel geschwärzt
Ein aufgeblähtes Geschäft mit Schiffskrediten hatte die BLB vergangenes Jahr in Schieflage gebracht. Schließlich musste Bremen seinen 40-Prozent-Anteil am Institut an den Mehrheitseigner NordLB verkaufen. Dennoch entschied sich die CDU gegen die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Stattdessen beschäftigt sich seit September der Controlling-Ausschuss der Bürgerschaft mit den Hintergründen der BLB-Krise. In diesem Gremium sollen die Parlamentarier Bremens Firmenbeteiligungen durchleuchten.
Auch FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner kritisiert, die Möglichkeiten der Parlamentarier im Controlling-Ausschuss seien zu eingeschränkt. Es sei ein „bisschen skurril“, dass den Abgeordneten nur unter strenger Aufsicht durch zwei Mitarbeiter der Finanzsenatorin Akteneinsicht ermöglicht werde. Insgesamt sei in den Unterlagen „sehr viel geschwärzt“.
Zudem seien in den Dokumenten ganze Teile mit Schwärzungen offenbar komplett entfernt worden. „Das ist eine krasse Manipulation, das geht zu weit“, sagt Steiner. „Man führt uns in die Irre.“ Bei der Finanzsenatorin heißt es auf Anfrage des WESER-KURIER, der Fall sei ein „internes Missverständnis“.
Kein Untersuchungsausschuss
Auch Finanz-Staatsrat Dietmar Strehl teilte der CDU-Fraktion mit, es habe sich um ein Versehen gehandelt. Der Senatorin sei gar nicht bekannt gewesen, dass die von der CDU-Fraktion angemahnten Unterlagen den Parlamentariern nicht zugänglich gemacht worden seien, sagt eine Sprecherin Linnerts. „Wir werden diese Dokumente in der kommenden Woche zur Verfügung stellen.“ Entfernt habe man auch Dokumente aus dem Risikoausschuss, so die Sprecherin.
Wenn den Akten Kreditanträge beigefügt seien, sei dort so viel zu schwärzen, dass man die betreffenden Unterlagen gleich ganz herausgenommen habe: „Dort wimmelt es ja vor Geschäftsgeheimnissen.“ CDU-Mann Kastendiek fragt sich inzwischen, ob es die richtige Entscheidung war, zur Aufarbeitung der Landesbank-Krise keinen Untersuchungsausschuss einzurichten.
FDP-Fraktionschefin Steiner ist sich sicher, dass ein solches Gremium den Parlamentariern bei der Suche nach Antworten auf ihre Fragen andere Möglichkeiten geben würde: „Wenn wir einen Untersuchungsausschuss hätten, hätten wir weitergehende Rechte.“ Arno Gottschalk (SPD) dagegen, der Vorsitzende des Controlling-Ausschusses, plädiert an die Abgeordneten: „Wir sind kein Untersuchungsausschuss. Mit dieser Begrenzung müssen wir leben.“
Prüfung der Gewinnausschüttungen
Fragen hat die Opposition in der Bürgerschaft noch viele. Aus den BLB-Akten gehe hervor, dass der Kapitalbedarf der Bremer Landesbank den Gremien schon im August 2015 sehr klar gewesen sei, sagt die Liberale Steiner. Ein heikler Punkt, denn erst fast ein Jahr später machte das Institut seine Notlage öffentlich. Über Stichproben in den Akten will die FDP-Fraktion nun versuchen, zu einzelnen Punkten mehr herauszufinden.
Klaus-Rainer Rupp von der Linken-Fraktion interessiert vor allem, warum die Landesbank trotz anhaltender Schiffskrise weiter kräftig Gewinne an seine Träger ausschüttete – und nicht stattdessen mehr Rückstellungen bildete. „Wir werden noch einmal prüfen, ob vor diesem Hintergrund die Gewinnausschüttungen gerechtfertigt waren.“ Auch stelle sich die Frage, ob in den Geschäftsberichten ausreichend auf Risiken hingewiesen worden sei.