An der Weser hält sich die Nachfrage nach Elektroautos in Grenzen. Das zeigen die Zahlen des Landesverbands des Kfz-Gewerbes Niedersachsen-Bremen. Demnach hatten in Bremen und Bremerhaven rein batteriebetriebene Fahrzeuge bei Neuzulassungen und Besitzumschreibungen im abgelaufenen Jahr einen Anteil von 0,6 Prozent. Bei Neuwagen habe der Anteil bei 1,8 Prozent gelegen, gab der Obermeister der Bremer Kfz-Innung, Hans Jörg Koßmann, am Mittwoch bei der Veröffentlichung der aktuellen Zahlen in der Bremer Handwerkskammer bekannt. Damit ist der Prozentanteil deckungsgleich mit den bundesweiten Zahlen. Die Daten stammen unter anderem vom Kraftfahrtbundesamt und vom Statistischen Bundesamt. Außerdem hat der Verband eigene Rechnungen angestellt.
Im Januar wurden in Bremen 31 E-Fahrzeuge neu zugelassen. Das entspricht einem Anteil von 1,95 Prozent. Addiert man die 63 Plug-In-Hybride hinzu, ergibt das einen E-Anteil von 5,9 Prozent. Die Branche erwartet derweil für 2020 in Bremen und Bremerhaven kein durchschnittliches Autojahr. So geht der Verband zwar davon aus, dass es mit rund 20.000 Neuzulassungen und 50.000 Umschreibungen bei Pkw kaum Veränderungen geben wird. Doch er erwartet Marktverzerrungen: Die entstünden durch Aktivitäten der Hersteller, die mit Verkaufsaktionen die E-Verkäufe ankurbeln wollten. Die Branchenvertreter aus Bremen und Niedersachsen befürchten wegen des zusätzlichen hohen Umweltbonus' von bis zu 6000 Euro, dass das Preisgefüge im Automarkt instabil wird.
Karl-Heinz Bley als Präsident des Kfz-Gewerbes Niedersachsen-Bremen und Hans Jörg Koßmann als Obermeister der Kfz-Innung beklagen, dass die Vertragshändler auf Druck der Hersteller kräftig investieren müssten, ohne zu wissen, wann das Geschäftsmodell E-Mobilität Früchte trage. So fragten sich viele Betriebe, wie sie die von den Herstellern aufgezwungenen und zum Teil „völlig überzogenen E-Fahrzeug-Quoten“ erfüllen sollen, sagte Bley. Es gehe um die existenziell wichtigen Boni: „Selbige dürfen wir nicht gefährden oder verlieren.“ Zudem seien Vertragshändler meist leer ausgegangen, wenn sie Fördermittel für eine E-Ladesäule auf dem Firmengelände beantragt hätten.
Eine positive Entwicklung hat die Branche zu verzeichnen: 2019 haben private Haushalte in Bremen und Bremerhaven mit 600 Millionen Euro so viel für neue und gebrauchte Pkw ausgegeben wie nie zuvor. 200 Millionen Euro wurden davon in Neuwagen investiert. Bei 22 Prozent aller Neuwagen handelte es sich um Stadtgeländewagen (SUV).
Wie ein Befreiungsschlag
Der Umsatz für Werkstätten sinkt dagegen aufgrund längerer Wartungsintervalle. Außerdem schützen bessere Assistenzsysteme im Pkw vor den klassischen Beulen und Kratzern. Die Verluste, die Händler durch Leasingrückläufer mit manipuliertem Euro-5-Dieselmotor hatten, seien ausgestanden, sagte Koßmann. „Die letzten Euro-5-Diesel sind zum Leasing 2015 rausgegangen. Nach drei Jahren kamen sie an die Händler zurück und wurden weiter verkauft – allerdings ist die Frage, mit welchen Verlusten.“ Angesichts der Auflagen, die ein Hersteller heutzutage von einem Vertragshändler fordere, ist es laut Koßmann für manchen Betrieb wie ein Befreiungsschlag, wenn er sich vom Markenvertrag löse.
Mit Blick auf die überschaubare Zahl an Neuzulassungen von E-Autos sprach sich Koßmann für ein breiter gefächertes Konzept aus: „Wir brauchen neben Stromern auch andere Antriebsarten: Fahrzeuge, die mit sauberen synthetischen Treibstoffen fahren, die wiederum mit sauberer Energie hergestellt werden.“ Ebenso müssten Wasserstoff und Brennstoffzellen eine stärkere Rolle spielen als bisher.
In der Stadt brauche es überdies bessere Verkehrskonzepte: „Wenn die Sanierung der Erdbeerbrücke losgeht, werden spätestens zum Ende der Sommerferien alle im Stau stehen.“ Besser sei es für die Umwelt, die Autos in Bewegung zu halten. „Dazu sollte man in der ganzen Stadt das 5G-Netz ausbauen, um darüber den Verkehr intelligenter fließen zu lassen.“
Außerdem formulierte Koßmann in Richtung Politik: „Wir sollten schauen, wie wir gemeinsam die Stadt voranbringen, statt reine Klientelpolitikbetreiben und die Autofahrer zu bevormunden.“ An diesem Donnerstag trifft sich die Kfz-Innung mit den Bremer Grünen zu einem Gespräch.