Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Superrakete Falcon Heavy Elon Musk schreibt Raumfahrtgeschichte

Das Raumfahrtunternehmen Space-X hat seine neue Trägerrakete erfolgreich getestet. Mit dabei als Testladung: Das private Tesla-Elektro-Cabriolet von Space-X-Chef Elon Musk.
07.02.2018, 19:02 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Elon Musk schreibt Raumfahrtgeschichte
Von Peter Hanuschke

Er gilt als arrogant, als überzogener Selbstdarsteller, und er nimmt seine Mitbewerber nicht ernst. Doch eines schafft Elon Musk immer wieder: Sein Unternehmen Space-X ist erfolgreich, und er insziniert für seine neuen Produkte eine riesige Show. Doch der erfolgreiche Start der Falcon Heavy mit dem roten Tesla-Roadster des Unternehmenschefs als Testladung an Bord ist mehr als nur Marketing der Spitzenklasse für seine Edel-Elektrofahrzeuge. Der erfolgreiche Start der von Space-X entwickelten derzeit stärksten Trägerrakete am Dienstagabend mitteleuropäischer Zeit vom US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral gilt jetzt schon als wichtiges Kapitel in den Raumfahrt-Geschichtsbüchern.

Der 46-Jährige Milliardär hat mit seiner Falcon Heavy erneut gezeigt, dass er es kann – und das vor einem Millionenpublikum, das den Start weltweit verfolgte. Eine Raumfahrt-Begeisterung macht sich breit, die es zuletzt bei den ersten Starts der Space Shuttles in den 1980er Jahren gab. Und was das Drumherum anging, gab es nicht nur den fliegenden Tesla: Die Rakete hob zum Klang des David Bowie-Songs „Life on Mars“ ab. Im Handgepäck des Tesla-Puppen-Astronauten steckt ein Datenträger mit dem Gesamtwerk des russischen Science-Fiction-Autors Isaac Asimov. Der Tesla bewegt sich auf einer Elipsen-Umlaufbahn, die den Wagen um Sonne und Mars führt.

Einst wurde Musk belächelt, als er vor 16 Jahren mit der Idee antrat, wiederverwertbare Trägerraketen bauen zu wollen. Nach ein paar Rückschlägen funktioniert das Prinzip inzwischen relativ stabil: Die Zündstufen kommen meistens sicher zurück auf die Erde, wie diverse Missionen in der Vergangenheit zeigten. Zum Einsatz kam dabei die Falcon 9 – eine kleinere Variante der Falcon Heavy. Die Falcon 9 steht in direkter Konkurrenz zur aktuellen europäischen Trägerrakete Ariane 5 und zum Nachfolgemodell Ariane 6, deren Oberstufen beide in Bremen von der Ariane-Group als Hauptauftragnehmer entwickelt und gebaut werden.

Und auch aus Bremen kommen Glückwünsche zum erfolgreichen Start der Riesen-Rakete mit einer Nutzlast von 60 Tonnen (nach Space-X-Angaben) – nur die im Museum stehende Saturn-V-Mondrakete der Amerikaner und die zweimal eingesetzte Energija der Sowjetunion waren noch stärker. „Zu dem erfolgreichen Start der Falcon-Heavy-Rakete möchte ich Elon Musk und seinem Team herzlich gratulieren“, sagte Marco Fuchs, Chef des Bremer Raumfahrtunternehmen OHB, das unter anderem maßgeblich am Bau der Oberstufentanks für die Ariane 6 beteiligt ist. „Für die Raumfahrt ist diese Mission einmal mehr ein Beleg für ihre technologischen Fähigkeiten und zugleich beste Werbung für die Nützlichkeit unserer Branche“, so Fuchs.

„Mich hat vor allem auch die parallele Landung der beiden Raketenstufen beeindruckt“, so der Münchener Raumfahrtjournalist Alexander Stirn. „Da ist mir wirklich die Spucke weggeblieben.“ In dieser Perfektion und dieser scheinbaren Leichtigkeit könnte das tatsächlich für den Beginn einer neuen Ära in der Raumfahrt stehen.

Konkurrenz bei kleinen Raketen

Bei der 70 Meter langen Falcon Heavy wurde ebenfalls nach dem Prinzip der Wiederverwertbarkeit gearbeitet. Die beiden Antriebsraketen vom Typ Falcon 9 kehrten planmäßig zur Erde zurück. Doch es gab auch eine Panne: Die Zentralstufe verfehlte bei dieser Mission die Schwimmplattform im Atlantik und stürzte ins Wasser.

Die Wiederverwertbarkeit der ersten Zündstufe sorgt dafür, dass Raumtransporte von Space-X verhältnismäßig preisgünstig sind. Zwar steht die Falcon Heavy nicht in direkter Konkurrenz zu den europäischen Trägerraketen – sie ist mehr für den Transport schwerer Spionagesatelliten ausgelegt und gilt als Grundmodell für die von Space-X geplanten bemannten Raumfahrtmissionen. Dennoch unterstreicht der erfolgreiche Start einmal mehr den harten Konkurrenzkampf beim Bau von Trägerraketen.

Wenn es um den Transport von kleineren und mittelgroßen Satelliten in die geostationäre Umlaufbahn oder in den niedrigen Erdorbit geht, gibt es neben Space-X mit der Falcon 9 immer mehr Unternehmen etwa aus China und Indien, die ebenfalls neue leistungsfähige Schwerlastraketen in den Markt bringen. Und mittendrin ist die Ariane-Group, die in der Vergangenheit mit ihren Trägerraketen wesentlich konkurrenzloser agieren konnte und das Geschäft sehr erfolgreich betrieb. Die Ariane 5 ist die zuverlässigste Trägerrakete überhaupt: Sie hat 83 erfolgreiche Starts in Folge hinter sich – so viele wie bislang kein anderes Trägersystem. Und um wettbewerbsfähig zu bleiben, entwickelt die Ariane-Group die Ariane 6, die 2020 zum ersten Mal abheben und um etwa 50 Prozent günstiger sein soll als die jetzige Trägerrakete.

Amazon und NASA wollen nachziehen

Dass vom Unternehmer Musk vor dem Start seiner Falcon-Heavy-Rakete ein „Game over“ in Richtung aller anderen Anbieter zu hören war, dürfte sich nur auf den Bereich Schwerlasttransport ins All bezogen haben. Als Adressat dürfte wohl Amazon-Chef Jeff Bezos gemeint gewesen sein, der mit der sogenannten New Glenn eine noch viel stärkere Rakete bauen will, oder die US-Raumfahrtbehörde Nasa, die seit Jahren an ihrer eigenen Schwerlastrakete SLS (Space Launch System) baut – ein Milliardenprojekt, das auch einen Bezug zu Bremen hat. Denn dort wird bei Airbus Defence and Space das Antriebssystem für Orion gebaut. Die US-Raumfahrtkapsel soll ihren Jungfernflug im nächsten Jahr haben; zunächst unbemannt, später einmal mit Astronauten an Bord. Und für den Transport ist die Schwerlastrakete SLS vorgesehen.

Auch Musk will bekanntlich künftig bei bemannten Missionen mitmischen. Er will Menschen zum Mars bringen und den Roten Planeten besiedeln. Dafür braucht er eine noch viel stärkere Rakete als die Falcon Heavy, die für die Weiterentwicklung die Grundlage bilden soll. Einen Namen gibt es bereits für diese nächste Trägerraketen-Generation: Sie wird im Unternehmen unter dem Projektnamen BFR entwickelt – wobei B für „Big“ steht und R für „Rocket“.

Recycling-Raketen als Standart

Zunächst hofft Musk aber auf Milliardenaufträge der US-Regierung für den Transport von Spionagesatelliten. Die Chancen stehen dafür relativ gut. Auch andere Trägersysteme könnten diese Satelliten transportieren, aber für ausländische Unternehmen ist dieser Markt abgeschottet. Ob Space-X tatsächlich einen ausreichend großen Markt für die Falcon Heavy findet, bleibt laut Fachjournalist Stirn allerdings abzuwarten. Berücksichtigt werden müsse dabei auch, dass die Wiederverwendbarkeit der Zündstufen immer mit Einbußen bei der Leistungsfähigkeit verbunden sei.

Generell bedeute das Prinzip der Wiederverwendbarkeit, das von den etablierten Raketenbauer bislang nicht ernsthaft verfolgt werde, Risiko und Chance zugleich. „Zum einen besteht die Gefahr, dass Space-X sie mit Kampfpreisen auf dem Markt an die Wand drängt, zum anderen gelingt es Musk mit seinem PR-Talent offenbar, neue Begeisterung für die Raumfahrt zu schaffen“, so Stirn. „Und davon könnten wieder alle Beteiligten profitieren.“

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)