Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Energiewende Hoher Strompreis belastet Firmen

Der Strompreis in Deutschland ist so hoch wie lange nicht mehr. Das ist nicht nur für Verbraucher ein Problem. Auch viele Unternehmen rechnen mit zusätzlichen Ausgaben.
06.07.2021, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Hoher Strompreis belastet Firmen
Von Stefan Lakeband

Bremen. Der Strompreis in Deutschland steigt seit Jahren. Das stellt Verbraucher, aber auch Unternehmen vor Herausforderungen. Gerade in der energieintensiven Wirtschaft verursachen höhere Strompreise ein deutliches Plus bei den Betriebskosten. Das spüren auch Bremer Firmen.

Am Terminmarkt der Energiebörse EEX kostet eine Megawattstunde (MWh) Strom, die im kommenden Jahr geliefert werden soll, derzeit knapp 70 Euro. So hoch lag der Großhandelspreis, der Grundlage für viele Verträge der Industriekunden ist, seit zwölf Jahren nicht mehr. Das geht aus einer Auswertung des „Handelsblatt“ hervor. Im März 2020, zu Beginn der Pandemie, kostete eine MWh 35 Euro.

Lesen Sie auch

Viele Unternehmen haben sich mit langfristigen Verträgen gegen Schwankungen am Strommarkt abgesichert. So auch das Bremer Entsorgungsunternehmen Nehlsen. „Zum Ende dieses Jahres laufen unsere Verträge aber aus“, sagt Sprecherin Marcia Kantoks. Die mögliche Folge: Ein neuer langfristiger Vertrag könnte wegen der gestiegenen Strompreise deutlich höhere Kosten verursachen. In welcher Form das Unternehmen betroffen ist, sei noch nicht absehbar. „Es gibt aber Überlegungen, auf die Spotbeschaffung umzustellen“, sagt Kantoks. Dahinter verbirgt sich der kurzfristige Einkauf von Strom. So könnte Nehlsen profitieren, wenn der Strompreis wieder sinken sollte und wäre nicht an langfristige Verträge gebunden.

Im Gegensatz zur Spotbeschaffung steht der Terminmarkt: Hier decken sich die Einkäufer bis zu mehrere Jahre im Voraus mit einem Großteil der prognostizierten Strommenge ein. Auch die BSAG ist dort aktiv. Das Unternehmen setzt auf eine Mischkalkulation. „Einen Teil unseres Stroms kaufen wir langfristig ein“, sagt BSAG-Sprecher Jens-­Christian Meyer. „Den anderen Teil beschaffen wir mittelfristig, um von etwaigen Schwankungen zu profitieren.“ Insgesamt hat die BSAG einen Jahresverbrauch von 32 Millionen Kilowattstunden – von der Kaffeemaschine im Büro bis hin zur Straßenbahn.

Meyer prognostiziert, dass der Strombedarf des Nahverkehrsunternehmens steigen wird. Das habe vor allem mit der Umstellung auf Elektromobilität zu tun. Im vergangenen Jahr hatte die BSAG beschlossen, Bus­se mit E-Antrieb zu bestellen. Zudem erwartet der Sprecher, dass die Strompreise weiter nach oben klettern werden. Trotzdem sei der Umstieg auf Elektroantrieb auf lange Sicht wirtschaftlicher. „Denn auch die Preise für fossile Brennstoffe werden steigen.“

Lesen Sie auch

Zum Jahreswechsel konnten Verbraucher das sehr gut beobachten: Zum 1. Januar wur­de die CO2-Abgabe eingeführt, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass Diesel und Benzin teurer geworden sind. Die Abgabe soll in den nächsten Jahren weiter steigen.

Im Bremer Stahlwerk von Arcelor-Mittal versucht man, einen Großteil des benötigten Stroms über das entstehende Hochofengas selbst herzustellen. Bislang konnten so zwei Drittel des Bedarfs gedeckt werden, wie Arbeitsdirektor Michael Hehemann sagt. Den Rest kauft der Konzern an der Strombörse im Voraus, um kurzfristige Veränderungen beim Preis abzufedern.

Dass die Kosten für Strom gestiegen sind, könnte auch Folgen für das Stahlwerk haben – trotz des hohen Grads der Selbstversorgung. „Die steigenden Energiekosten haben angesichts ebenfalls stark steigender Rohstoffkosten einen deutlichen Einfluss auf die Herstellungskosten“, sagt Hehemann.

Den Anstieg der Stromkosten führt Tobias Federico, Geschäftsführer des Analysehauses Energy Brainpool, zu einem Großteil auf die ge­stiegenen CO2-Preise zurück. Der Preis der Zertifikate, die Verursacher des Treibhausgases je Tonne vorweisen müssen, liegt ­derzeit bei knapp 55 Euro. Vergangenen März seien es 25 Euro gewesen. Im „Handelsblatt“ prognostiziert Federico: „Die Strompreise werden auf einem hohen Niveau ­bleiben.“

Wie sehr die Strompreise in den vergangenen Jahren auch für Verbraucher gestiegen sind, zeigt eine Auswertung des Vergleichsportals Check24. Demnach mussten sie für 5000 Kilowattstunden Strom im Jahr 2007 im Schnitt 981 Euro zahlen. Aktuell sind es mehr als 1500 Euro.

Die Kosten für Strom sind auch immer wieder Thema bei der Verbraucherzentrale ­Bremen. Besonders jetzt, bedingt durch ­Homeoffice und Homeschooling, hätten viele Haushalte deutlich höhere Ausgaben, wie Energieexpertin Inse Ewen sagt. Auch wenn viele mit einem gestiegenen Stromverbrauch gerechnet hätten, seien einige dennoch von hohen Nachzahlungen überrascht worden. 

„Während des Lockdown haben Energieversorger teilweise darauf verzichtet, Leute loszuschicken, um die Stromzähler abzulesen“, sagt Ewen. Und längst nicht jeder Verbraucher habe seinen Zählerstand selbst übermittelt. Als Konsequenz hätten viele Jahresendabrechnungen geschätzt werden müssen. „Geschätzte Rechnungen sind aber häufig zu niedrig. Wenn das mehrfach hintereinander vorkommt, droht irgendwann eine große Nachzahlung.“

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)