Vor langer Zeit strömte der Alkohol hier geradezu durch alle Kehlen. Die Bremerinnen und Bremer genossen Bier und Biersuppe im 17. Jahrhundert durchaus schon zum Frühstück. Am Tag soll jeder Einwohner damals im Schnitt einen Viertelliter Schnaps getrunken haben. Eine Wende in dieser Geschichte brachte der 23. August 1673: Der Rat der Stadt Bremen erlaubte dem Holländer Jan Jantz van Huesden, „Coffi, Potasie und Schokelati“ auszuschenken. Vor genau 350 Jahren begann damit die Kaffeehauskultur in Deutschland – und zwar in Bremen.
Doch wo genau? Das zeigen die Quellen nicht. Der erste Kaffeeausschank soll sich wahrscheinlich im Schütting oder in dessen Nähe befunden haben. Davon geht die Historikerin Petra Seling-Biehusen aus, die sich in ihrer Doktorarbeit an der Universität Bremen mit der Geschichte befasste – und den Beginn der Kaffeehauskultur in Bremen entdeckte. Bis dahin ging man davon aus, dass die Hamburger mit einer 1675 eröffneten Kaffeestube vorneliegen. Auf das entscheidende Dokument stieß die Doktorandin im Staatsarchiv Bremen: auf den Antrag des Jan Jantz van Huesden. Die Entdeckung selbst ist schon beinahe historisch. Vor fast 30 Jahren ist die Untersuchung erschienen. Für Seling-Biehusen ist der Kaffee bis heute aber ein Herzensthema. Zu Hause in Rotenburg habe sie eine umfangreiche "Kaffeebibliothek" aufgebaut.
Und wie muss man sich die erste Kaffeeschenke des Landes vorstellen? Ziemlich klein. Der Geruch der gerösteten Bohnen aber, beschreibt es Seling-Biehusen, habe die Kunden sicher angelockt. Kaffee sei damals exotisch gewesen, für die Bürger der Stadt "eine völlig unbekannte Sache". Jan Jantz van Huesden sei dabei Kaffeehändler und Kaffeeausschenker gewesen. Der Niederländer habe die Bohnen besorgt, geröstet, gemahlen und schließlich den Kaffee aufgebrüht. "Er stellte auch das Equipment zur Verfügung", berichtet Seling-Biehusen, also die Kannen und Tassen. Darin landete auch Potasie, eine Art Kräutertee.
Frauen hatten keinen Zutritt
Kaffee für alle gab es dennoch nicht: Die Kundschaft der Schenke sei angesichts der Preise sicher wohlhabend gewesen und allein männlich: "Frauen waren in diesen Schenken überhaupt nicht zugelassen", sagt Seling-Biehusen. "Wenn Frauen in diese Schenken gingen, galten sie als Prostituierte."
350 Jahre – dieses besondere Jubiläum ist am Mittwoch in einem ganz bestimmten Gewölbe des Schütting gefeiert worden: In den Räumen ist 1679 ganz offiziell eine Kaffeestube entstanden. Das belegen verschiedene Schriftstücke. Viele historische Kaffeemühlen in den Regalen erinnern an die Bestimmung. Ums Fenster zum Marktplatz kleben Delfter Fliesen – wie ein Fingerzeig ins Nachbarland.
Die Rösterei Lloyd Caffee lud zum Empfang ins Gewölbe ein. Und der war für das Unternehmen so wichtig, dass zunächst etwas Champagner floss, bevor die Gäste zum Tässchen Kaffee greifen konnten. Eigens zum Jahrestag hat Lloyd Caffee eine Mischung herausgebracht, die dem Kaffee nachempfunden ist, der vor 350 Jahren ausgeschenkt wurde. "Schütting Kaffee" heißt die Kreation und beruht auf alten Rezepturen.
"Er schmeckt stark und gut", sagt Eduard Dubbers-Albrecht zum neuen und zugleich alten Kaffee. Der Präses der Bremer Handelskammer ist der Gastgeber hier im Haus. Warum es eines Holländers bedurfte, um den Kaffee nach Bremen zu bringen? Die Niederländer seien bis heute "oftmals ganz pfiffig" im Geschäft und sehr agil: "Das erleben wir natürlich in den Häfen – und versuchen uns dagegen zu wehren."
"Town nearby Hamburg"
Auf die Bedeutung des Kaffees für den Standort wies Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) beim Empfang hin. Auf Delegationsreisen müsse man Bremen öfter als "town nearby Hamburg" (Stadt in der Nähe von Hamburg) beschreiben. Wenn es dagegen um Kaffee gehe, habe Bremen einen Namen in der Welt. Im Jahr erreichten Bremen und Bremerhaven rund 550.000 Tonnen Kaffeebohnen. "Auch da liegen wir vor Hamburg", stellt Vogt fest. In diesem Bereich arbeiteten hier 1200 Beschäftigte. Besonders froh sei man, dass vor Ort viele neue Röstereien entstanden seien, die inzwischen ihren Markt hätten.
Und wie sieht die Zukunft für den Kaffee aus? Seling-Biehusen sorgt sich ein wenig. Der Klimawandel könne dazu führen, dass es in den nächsten Jahrzehnten weniger Anbauflächen für die Bohnen gebe. "Kaffee könnte dann wieder zum Luxusgut werden", erwartet die Historikerin.
Am liebsten trinkt die Expertin ihren Kaffee übrigens aus der French Press und das "morgens, mittags, abends". Wenn der Kaffee von guter Qualität sei, dann könne er auch spät noch getrunken werden, sagt Seling-Biehusen.
Apropos spät: Früher dran als die Bremer waren die Niederländer, Franzosen und Briten mit ihren ersten Kaffeestuben. Im Jahr 1663 wurde in Amsterdam das erste Kaffeehaus eröffnet, Oxford folgte 1650 und Paris 1672. Da muss Expertin Petra Seling-Biehusen den Bremern etwas Wasser in ihren „Coffi" kippen.