Autofahrer dürften es wohl nicht bemerken, aber ihre Fahrt über deutsche Autobahnen hat meistens etwas mit der Karibik zu tun – zumindest dann, wenn unter dem Fahrzeug sehr widerstandsfähiger Asphalt liegt. Das hängt mit dem Naturasphalt aus Trinidad zusammen, wo das mit Abstand weltgrößte Vorkommen dieses Rohstoffs liegt. Er hat besondere Eigenschaften und wird dem hergestellten Asphalt mit einem Anteil von zwei Prozent beigemischt. Dass dieser Rohstoff aus der Karibik nach Europa kommt, dafür sorgt seit mehr als 100 Jahren die Bremer Carl Ungewitter Trinidad Lake Asphalt GmbH & Co. KG als Generalimporteur.
Das Logistikunternehmen, das den Trinidad-Asphalt im Kohlehafen des Bremer Industriehafens in einer Anlage bricht, mahlt und das Granulat in 20-Kilogramm-Säcke verpackt, ist noch in einem anderen Land tätig, das nicht als typische Geschäftsregion für wirtschaftliche Beziehungen gilt, sondern vielmehr durch seine langjährige Diktatur, anschließende politische Machtkämpfe und anhaltende Bürgerkriege gekennzeichnet ist: Libyen.
"Wir sind in Libyen für die Unternehmen tätig, die in dem nordafrikanischen Land Öl fördern", sagt Speditionsleiterin Birgit Gerrelts. "Wir sind vor allem für den Transport von Maschinen und Ersatzteilen samt Kontrolle und Lagerhaltung in verschiedenen Ländern verantwortlich – etwa den USA und Kanada." Die Geschäftsbeziehungen gebe es seit mehr als 40 Jahren. Als erste deutsche Spedition habe Ungewitter 2001 in Libyen eine registrierte Auslandsniederlassung eröffnet. "Das Land hat Höhen und Tiefen erlebt – genauso verläuft unser Geschäft, weil die Erdölförderung wegen der politischen Unruhen auch zum Erliegen kommt oder runtergefahren wird."
Aus diesen Geschäftsbeziehungen heraus habe sich Ungewitter insgesamt zu einem Spezialisten für afrikanische Destinationen entwickelt. "Wir haben den Vorteil, dass wir detailliertes Wissen über die Besonderheiten der individuellen regionalen Logistiksituationen haben." Sie selbst sei noch nicht in Libyen gewesen. "Da muss man ein bisschen strategisch vorgehen", so Birgit Gerrelts. "Da teilen wir uns auf. Denn wer in Libyen war, könnte es schwer haben, wenn er ein Visum für die USA bekommen möchte."

Der La Brea Pitch Lake ist für Trinidad nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern zieht 20.000 Touristen jährlich an - auch wenn der See als hässlichste Attraktion der Karibik bezeichnet wird.
Die 30 Mitarbeiter, die in der Spedition in Bremen arbeiten, seien aber nicht nur fürs Libyen- und Afrikageschäft zuständig. "Etwa zwei Drittel kümmern sich, wenn man so will, ums normalere Geschäft, das aber genauso seine Eigenarten und Herausforderungen hat." Dieser Bereich umfasse Speditionsdienstleistungen per See- und Luftfracht im Grunde genommen rund um den Erdball. Auch da gebe es Destinationen, die natürlich einen größeren Anteil ausmachten – etwa Importe aus Fernost. Die Dienstleistung beziehe sich sowohl auf Containertransporte als auch Projektverladungen auf direkten Destinationen oder im sogenannten Cross Trade. Cross Trade bezeichne einen grenzüberschreitenden Transport, bei dem Versender, Versandort und Empfangsort in verschiedenen Ländern liegen. "Wir wickeln auch Gefahrguttransporte ab."
Von den regelmäßig im Kohlehafen ankommenden Trinidad-Naturasphalt-Mengen her macht das Importgeschäft mit Trinidad den Eindruck von Routine – immerhin geht der Beginn dieser Geschäftsbeziehung bis ins Jahr 1888 zurück – zehn Jahre zuvor hatte Carl Georg Wilhelm Ungewitter das Unternehmen gegründet. "Ich denke, dieses Transportgeschäft kam damals zustande, weil Ungewitter gute Kontakte nach England hatte und als Spedition mit leeren Petroleumfässern handelte, und Trinidad gehörte zu den britischen Kolonien", sagt Andreas Knöbig, geschäftsführender Gesellschafter, der das Familienunternehmen in fünfter Generation leitet. "In den ersten Jahrzehnten waren wir so eine Art Subimporteur für die Engländer. Mit der Unabhängigkeit von Trinidad 1964 übernahm das Unternehmen dann den gesamten Import und Vertrieb von Trinidad Naturasphalt auf dem europäischen Kontinent."

Andreas Knöbig ist Geschäftsführer der Spedition Carl Ungewitter.
Inzwischen würden auch Teile Afrikas und Vorderasiens dazugehören. "Im Asphalt der Bosporus Brücke in Istanbul ist beispielsweise Trinidad-Naturasphalt enthalten." Im Grunde genommen werde er überall dort mit verwendet, wo der Asphalt eine besonders widerstandsfähige Qualität haben müsse – so auch auf Autobahnen.
Das richtige Mischungsverhältnis
Mit Ausnahme der jetzigen Pandemiezeit kommen alle fünf bis sechs Wochen 20 mit jeweils 100 Fässern gefüllten 40-Fuß-Container zur Weiterverarbeitung in den Kohlehafen. Ein Fass, das nicht mehr wie früher ein Behälter aus Holz ist, sondern aus einer Hartfaserummantelung besteht, enthält 250 Kilogramm Trinidad Naturasphalt. Der Rohstoff wird per Förderband zum Mahlturm in die 4000 Quadratmeter große Halle transportiert und dort auf maximal zehn Millimeter große Granulatstücke zerkleinert. Dass der Trinidad-Naturasphalt am Ende in 20-Kilogramm-Säcke für die Weiterverarbeitung in den Asphalt-Fabriken verpackt wird, hat einen praktischen Grund. "Zwei Prozent von einer Tonne sind 20 Kilogramm – das ist das Mischungsverhältnis, das benötigt wird."
"Wir sind als Unternehmen sehr breit aufgestellt", sagt Birgit Gerrelts. Das habe den Vorteil, Krisen besser überstehen zu können, weil es eher unwahrscheinlich sei, dass alle Geschäftsbereiche gleichermaßen betroffen seien, und Marktschwankungen so besser ausgeglichen werden könnten. Voraussetzung für einen funktionierenden Betrieb sei aber vor allem gutes Personal. "Wir bilden selbst aus, um unseren Bedarf decken zu können, weil es schwierig ist, Personal aus dem Markt heraus zu bekommen." In der Regel habe man pro Jahr drei bis vier Azubis. Von denen ein Teil übernommen werde, "und ein anderer Teil sich andere Herausforderungen sucht, was ja in jungen Jahren normal ist".