Im Grunde genommen sind sie zu groß: Die 400 Meter langen Megacontainerschiffe – die sogenannten Ultra Large Container Ships (ULCS). Denn die meisten Hafenanlagen können von ihnen wegen des Tiefgangs nicht angefahren und die wenigen stellen die Riesenschiffe vor enorme Herausforderungen.
Doch das scheint die Reedereien nicht zu stören: 59 Einheiten dieser 18.000-plus-Standardcontainer-tragenden Großschiffe sind inzwischen in Dienst gestellt. Und in den nächsten drei Jahren wird ihre Zahl laut einer Studie Norddeutschen Landesbank auf insgesamt 109 Schiffe angestiegen sein.
Die Idee, die hinter dieser Generation von Ozeanriesen steckt, ist simpel: je größer das Schiff, desto geringer die Transportkosten. Diese Erkenntnis ist nicht neu: So lag das Ladevolumen beispielsweise in den 1980er- Jahren bei den größten Containerschiffen zwischen 3000 und 5000 Standardcontainern (TEU), im nächsten Jahrzehnt zu Anfang bei 6000 TEU und zum Ende hin bei 9000 TEU.
Vorteile haben sich nicht nicht wie erwartet in Profit umgesetzt
Der letzte Entwicklungssprung zu den aktuellen Mega-Containerschiffen ist vor allem der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise geschuldet, die die Handelsschifffahrt enorm unter Druck gesetzt hat. Die Frachtraten haben sich seitdem nie wieder richtig erholt. Um noch mehr Kosten zu senken, setzten die Reedereien – zunächst Branchenführer Maersk – auf den Bau der ULCS.
Die Vorteile der geringeren Stückkosten gegenüber kleineren Containerschiffen haben sich bislang aber noch nicht so wie erwartet in Profit umgesetzt – viele Fahrtgebiete sind nach wie vor aufgrund von Überkapazitäten von niedrigen Frachtraten gekennzeichnet.
Allerdings befinden sich die für die Gewinne wichtigen Frachtraten im Aufwind. Der Trend, der vor einem Jahr eingesetzt hat, hat sich auch im zweiten Quartal dieses Jahres fortgesetzt. Die Entwicklung der Großcontainerschiffe wird sich nicht zurückdrehen.
Allianzen haben großen Einfluss auf die Ladungsaufkommen
Und wollen die Seehäfen von diesen Schiffen profitieren, dann müssen sie ihre Infrastruktur anpassen – schließlich stehen sie durch die vielen Allianzen, die sich gerade unter den 20 größten Containerlinienreedereien in den vergangenen Jahren gebildet haben, einem Nachfrage-Oligopol gegenüber.
Dieses kann quasi allein bestimmen, welche Schiffe die Häfen und Terminals in welcher Frequenz ansteuern. Damit haben die Allianzen großen Einfluss auf das Ladungsaufkommen der weltweiten Häfen. Dass die beiden größten deutschen Seehäfen, Hamburg und Bremerhaven, regelmäßig von den ULCS angefahren werden, ist nicht darauf zurückzuführen, dass beide Häfen optimal für diese Riesenschiffe ausgelegt sind.
Dafür sorgen vielmehr gute Hinterlandanbindungen sowie das nötige Equipment und Personal, wodurch ein Handling dieser gewaltigen Frachter überhaupt erst möglich wird. Aber auch die sogenannte Loco-Quote, also die Container, deren Inhalte in der Region verbleiben, liegt beispielsweise in Hamburg mit über 30 Prozent im Vergleich zu vielen anderen Häfen überdurchschnittlich hoch.
Geschäft für Bremer Reeder
Bremerhaven punktet gegenüber Hamburg wiederum damit, dass der dortige Hafen eine viel kürzere Revierfahrt hat und wesentlich weniger Begegnungsverbote den Verkehr beeinträchtigen als auf der Elbe. Eingeschränkt sind beide Häfen durch die Wassertiefe: Voll beladen können deshalb die ULCS mit einem Tiefgang von 16 Metern Hamburg und Bremerhaven anlaufen.
Das funktioniert aber im Jade-Weser-Port (JWP) in Wilhelmshaven oder in Rotterdam in den Niederlanden. Bis auf Hapag Lloyd gibt es keine deutsche Reederei, die ULCS in ihrer Flotte haben. Unabhängig davon ist der Bremer Rhederverein überzeugt, dass auch Bremer Reeder, die als sogenannte Trampreeder ihre Schiffe häufig an große Containerlinien-Reedereien verchartern, von der zunehmenden Anzahl von Mega-Carriern profitieren werden: „Denn die Linienreedereien werden ihre Kapazitäten nur so weit aufbauen, wie sie eine Beschäftigung ihrer Schiffe sicherstellen können“, so Robert Völkl, Geschäftsführer des Bremer Rhedervereins.
„Den Tonnagebedarf, den sie als volatil einschätzen, werden sie weiterhin einchartern wollen.“ Dies gelte vor allem für die Fahrtgebiete abseits der Rennstrecken. Mit dem Einsatz von immer mehr Mega-Carriern werde zudem der Bedarf an Feedertonnage zunehmen, die die Linienreedereien ebenfalls zumeist einchartern.
Häfen in Zugzwang
„Hier werden sich auch künftig Chancen für deutsche Trampreeder ergeben.“ Diese Einschätzung teilt auch Thomas Pawlik, Professor für Maritimes Management an der Hochschule Bremen: „Die ULCS laufen deutlich weniger Häfen an als kleinere Einheiten, mithin gibt es mehr Bedarf an Feederverbindungen.“
Allerdings sei zu vermuten, „dass die großen Linienreedereien verstärkt dazu übergehen werden, den Einsatz eingecharterter kleinerer Tonnage nicht zu verlängern, um die eigenen ULCS auszulasten.“
Grundsätzlich sieht Thomas Pawlik die Häfen in Zugzwang: „Während die Linienreedereien Kostenvorteile durch die Größenvorteile der ULCS erlangen, müssen in vielen Häfen die nautische Erreichbarkeit durch Anpassungsmaßnahmen sichergestellt sowie erhebliche Investitionen in die Hafensupra- und Infrastruktur vorgenommen werden.“
Bremerhaven hat die Nase vorn
Der Umschlag großer Mengen an Containern innerhalb der Liegezeiten der Riesenschiffe werde zudem vermehrt in Spitzenzeiten zu Verkehrsbelastungen im Hafenhinterlandverkehr führen. Der deutliche Zuwachs an ULCS wird laut Pawlik auch zu einer stärkeren Auslastung des Jade-Weser-Ports führen.
Somit zeige sich, dass die damalige Investitionsentscheidung der Bundesländer Bremen und Niedersachsen – entgegen vieler kritischen Stimmen – sehr vorausschauend gewesen sei. Noch hat aber Bremerhaven die Nase vorn: In den ersten sieben Monaten wurden 154 dieser 400-Meter-Containerschiffe abgefertigt; Wilhelmshaven kommt auf etwa 60.