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Commerzbank-Studie: Zwei Drittel der Firmen erwarten schlechtere Geschäfte wegen der Probleme in Europa Euro-Krise verunsichert Unternehmer

Jetzt ist die Krise um die Euro-Schuldenstaaten auch in der mittelständischen Realwirtschaft angekommen. 68 Prozent der Unternehmen aus Bremen und Niedersachsen sind der Meinung, dass sich die Euro-Problematik auf ihre Geschäfte negativ auswirken wird. Das geht aus der Studie „Unternehmer-Perspektiven“ hervor, die die Commerzbank in Bremen gestern zum 12. Mal vorgelegt hat. Doch nicht alle Firmenchefs sehen die Lage so düster.
11.06.2012, 13:27 Uhr
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Von Günther Hörbst

Jetzt ist die Krise um die Euro-Schuldenstaaten auch in der mittelständischen Realwirtschaft angekommen. 68 Prozent der Unternehmen aus Bremen und Niedersachsen sind der Meinung, dass sich die Euro-Problematik auf ihre Geschäfte negativ auswirken wird. Das geht aus der Studie „Unternehmer-Perspektiven“ hervor, die die Commerzbank in Bremen gestern zum 12. Mal vorgelegt hat. Doch nicht alle Firmenchefs sehen die Lage so düster.

Bremen. Stefan Bellinger war Anfang Mai auf Dienstreise in Spanien. Der geschäftsführende Gesellschafter des Bremer Automobilzulieferers Carbox war zum Geschäftstermin beim Autobauer Seat in Barcelona. Dort wollte er mit Ramón Paredes, dem Vize-Präsidenten des Unternehmens, darüber sprechen, die Geschäftsbeziehung auszubauen. Was er dort sah, hat ihm gefallen. „Das Werk dort ist absolut top“, sagt der Bremer Unternehmer, der auch Vizepräsident des Verbandes der Familienunternehmer ASU ist. „Und auch rund um das Werk in Barcelona ist sehr viel Produktion, viel wirtschaftliche Substanz. Da wird trotz aller aktueller Probleme in Spanien auch künftig Geschäft betrieben werden.“

Dass Unsicherheit herrscht im Mittelstand, das will Bellinger gar nicht abstreiten. „Die Zeiten sind unruhiger geworden“, sagt er. „Es geht stärker auf und ab als früher.“ Seine Kollegen von den 360 befragten mittelständischen Betrieben in Bremen und Niedersachsen sehen das auch so. 68 Prozent meinen, dass die Eurokrise die Planungssicherheit beeinträchtigt, 60 Prozent rechnen gar damit, dass die Konjunktur darunter leiden wird.

Stefan Burghardt, Chef des Firmenkundengeschäfts der Commerzbank in Bremen, hat das in der Region auch beobachtet. „Den Unternehmen geht es derzeit zwar richtig gut, sie haben volle Auftragsbücher und machen hohe Gewinne“, sagt er. „Doch die gesamte Situation in Europa hat auch ihre wirtschaftspsychologischen Auswirkungen auf die Firmen.“ Damit meint der Commerzbank-Geschäftsführer, dass auch bei Firmenchefs mittlerweile die Stimmung die reale Lage überdeckt.

Eine Folge davon: Die Unternehmen fahren derzeit mehr auf Sicht, wie es in der Wirtschaftssprache heißt. Mit anderen Worten: Sie sind vorsichtiger geworden, was künftige Investitionsentscheidungen betrifft. Das belegt auch die Umfrage. In Bremen und Niedersachsen gaben 52 Prozent der befragten Firmen an, eher kurzfristig zu planen und flexibel zu reagieren. 43 Prozent gaben an, langfristige Entscheidungen zu treffen und die daraus folgenden Risiken in Kauf zu nehmen.

ASU-Vizechef Bellinger sieht die Sache pragmatisch. „Die Lage ist derzeit tatsächlich abenteuerlich unübersichtlich“, sagt er. „Aber wenn ein Unternehmen langfristige Chancen für sich sieht, wird es sie auch wahrnehmen und die entsprechenden Investitionen tätigen. Wir bei Carbox machen das genauso.“

Insgesamt, sagt Commerzbanker Burghardt, seien die Unternehmer in Bremen und Niedersachsen optimistischer und auch besser aufgestellt als im Bundesschnitt. Er führt das auf die starken Branchen Logistik und Lebensmittel-Industrie sowie auf die starke Exportorientierung zurück. Gleichwohl fällt ihm in Bremen auf, dass es ein Übermaß an bremischer Vorsicht und Zurückhaltung gibt.

„Immer mehr traditionelle bremische Unternehmen gehören nicht mehr bremischen Kaufleuten“, sagt Burghardt. „Das ist bedauerlich. Ich würde mir an der einen oder anderen Stelle etwas mehr unternehmerisches Risiko und weniger hanseatische Zurückhaltung wünschen.“ In den Regionen rund um Bremen sei die Situation anders, sagt er. „Agrarproduzenten oder Landmaschinenbauer aus Niedersachsen gehen deutlich offensiver an Marktchancen heran, als das in Bremen der Fall ist.“

Stefan Bellinger kann das Argument schwer nachvollziehen. „Das ist eine subjektive Momentaufnahme einer Bank“, kommentiert er Burghardts Ansicht trocken. „Die Vorsicht des hanseatischen Kaufmanns hat sich in den vergangenen drei Jahren durchaus bewährt“, sagt er und verweist damit auf den Umstand, dass die bremische Wirtschaft von allen Bundesländern mit am besten durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist.

Für die nähere Zukunft rechnen die hiesigen Unternehmer mit deutlich mehr Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten. Und sie gehen davon aus, dass es teurer werden wird, sich Geld zu beschaffen. Laut Burghardt ist die Kreditnachfrage der Unternehmen deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Von den rund 120 Milliarden Euro, die die Commerzbank bundesweit an Kreditvolumen zur Verfügung gestellt hat, sind bislang weniger als die Hälfte abgerufen worden.

„Das liegt aber hauptsächlich daran, dass die Unternehmen in der Krise ihre Hausaufgaben gemacht und für mehr Eigenkapital gesorgt haben“, sagt Bellinger. „Viele Investitionen werden deshalb aus diesen Mitteln bestritten.“ Burghardt rechnet nicht damit, dass sich die Unsicherheit in Europa bald legt. „Deshalb müssen die Firmen lernen, sich in dieser Unsicherheit zurechtzufinden“, sagt er.

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