Herr Blach, in der Öffentlichkeit haben Sie sich im vergangenen Jahr rar gemacht. Woran liegt das?
Es war viel zu tun bei Eurogate. 2018 und 2019 haben wir deutlich gesehen, dass viele unserer Prozesse nicht mehr zeitgemäß waren. Wir hatten bei unserer Produktivität und Effizienz einen Nachholbedarf erkannt. Daher haben wir vor knapp zwei Jahren mit unserem Transformationsprozess begonnen, um unseren Kunden eine gute und angemessene Leistung zu Kosten anbieten zu können, die in einem guten Verhältnis zu Rotterdam oder Antwerpen stehen. Dazu muss an vielen Stellen der Schalter umgelegt werden. Das ist nicht so einfach.
Auf der einen Seite ist es wichtig, dass man als BLG und als Eurogate gut dasteht und Gewinn macht, auf der anderen Seite macht es den Eindruck, dass es da mit der Stadt als Mehrheitseigner im Hintergrund lange Zeit auch darum ging: Sorgt für Arbeitsplätze. Und so lang das gut ging, war da auch kein Bedarf, daran etwas zu ändern.
Wir freuen uns natürlich darüber, dass wir viele und gute Arbeitsplätze anbieten können, und wir freuen uns, dass bei uns aktuell viel zu tun ist. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass das auch in fünf oder zehn Jahren noch so ist. Und ganz klar mussten wir feststellen, dass wir zu anderen Mitbewerbern den Anschluss etwas verloren haben, weil die unter anderem mit mehr Automatisierung, Effizienz und Flexibilität Neues bereits angegangen sind. Hier müssen wir nacharbeiten und aufholen. Das den Beschäftigten und allen Beteiligten gut zu erklären, ist nicht so einfach. Unsere Anteilseigner haben für diese Situation aber Verständnis.
In der Öffentlichkeit kam da aber in den letzten zwölf Monaten nicht viel rüber an Botschaft.
Unsere Idee war zu allererst, intern die Beschäftigten zu informieren. Dazu haben wir vor mehr als einem Jahr angefangen, verschiedene Videobotschaften für unsere Beschäftigten zu produzieren. Einige davon gelangten dann auch relativ schnell an die Öffentlichkeit. Seitdem haben wir viel Zeit damit verbracht, interne Gespräche zu führen, auch um wirklich alle ins Boot zu holen. Bei Eurogate Technical Services laufen die Veränderungen bereits seit Längerem. Vor drei Monaten haben wir uns in Bremerhaven beim CTB und MSC Gate mit dem Betriebsrat über die Zukunft geeinigt. Vor zwei Monaten gab es die Einigung in Bremen in der Eurogate Holding. Jetzt sind wir mitten in der Umsetzung und bereiten damit den Weg für unsere künftige Organisation. In den kommenden zehn bis 20 Jahren werden wir an den Terminals anders arbeiten als heute. Eines ist mir dabei wichtig.
Was?
Bei allem darf man nicht vergessen, welche Größe die Schiffe angenommen haben und noch annehmen werden. Wir sprechen inzwischen von Kapazitäten von bis zu 24.000 Standardcontainern. Früher kamen jeden Tag ein oder mehrere kleine Schiffe rein, da war die Arbeit gut über die Woche zu verteilen. Und wenn dann mal ein Schiff aus der Taktung des Zeitplans kam, war das gut zu bewältigen. Durch die Größe der Schiffe sind jetzt bei einem Schiff oft zwischen 5.000 und 10.000 Containerbewegungen in den großen Häfen innerhalb von zweieinhalb bis drei Tagen zu bewegen. Dann kommen wieder Tage, an denen weniger zu tun ist. Da müssen wir gemeinsam mit der Arbeitnehmerseite Wege finden, damit im Sinne der Kunden umzugehen. Wenn das nicht funktioniert, gehen die Kunden woanders hin.
Das klingt nach anderen Arbeitszeitmodellen.
Ja, das bedeutet aber ganz und gar nicht, dass man das, was man vor zehn oder 20 Jahren gemacht hat, falsch war. Wir müssen aber für das Heute und Morgen neue, gemeinsame Wege finden. In Hamburg sind wir dazu noch in Verhandlungen, die noch ihre Zeit brauchen. Die alten Arbeitszeitmodelle sind einfach weniger am Bedarf ausgerichtet als nötig wäre, um den kurzfristigen hohen Anforderungen, die unter anderem durch diese großen Schiffe entstehen, gerecht zu werden. Eine gewisse Planungssicherheit gibt es operativ erst einige Tage im Voraus. Und dann müssen wir schauen, dass auch in der Nacht und an den Wochenenden ausreichend Beschäftigte zur Verfügung stehen.
Sie wollen bis 2024 insgesamt 84 Millionen Euro an Ihren Terminals in Bremerhaven und Hamburg sowie in der Bremer Zentrale einsparen – davon 41 Millionen Euro in Bremerhaven. So wurde es vor einem Jahr bekannt. Nun haben Sie sich in Bremerhaven mit den Beschäftigten geeinigt. Aber dadurch sparen Sie ja noch nicht 41 Millionen Euro ein. Wie soll das passieren?
Diese Summe ist bezogen auf all die Schritte der Transformation, die wir jetzt umsetzen. Einiges davon ist einfacher umzusetzen: zum Beispiel, Arbeit anders zu verteilen und mehr Technik wie OCR, also Optical Character Recognition, eine Art automatisierte Texterkennung, an den Containerbrücken einsetzen. Insgesamt liegen sehr viele und auch vielfältige Aufgaben vor uns.
Und was ist schwieriger umzusetzen?
Das wären beispielsweise einige operative Prozesse auf dem Platz, an die sich die Mitarbeiter über Jahre gewöhnt und diese verinnerlicht haben. Für Veränderungen in diesen Bereichen ist die Bereitschaft teilweise eher gering. Dabei sind viele unserer Maßnahmen gar nicht derartig einschneidend und sie helfen uns, die Abläufe effizienter zu gestalten. So haben wir zum Beispiel für Bremerhaven eine neue Terminalsteuerungssoftware eingekauft. Vorher gab es bis fast 40 Jahre lang unterschiedliche Systeme, die man versucht hat, zu einem System zusammenzufassen. Das neue System läuft seit Mai 2020. Trotz eines erfolgreichen Starts müssen wir die Software noch optimieren und durchlaufen dabei einen Lernprozess.
Damit soll es zurück in die Spur gehen?
Ziel ist es, einen Weg zurück zum Wachstum und zu einer stabilen finanziellen Ertragslage zu finden. Denn leider ist es seit der Finanzkrise 2008 so, dass es an den deutschen Containerterminals kein Wachstum gegeben hat im Gegensatz zu den Terminals in Antwerpen, Rotterdam und Danzig. Es gibt keinen plausiblen Grund, warum wir nicht auch in Deutschland wieder Wachstum verzeichnen können. Dazu müssen wir aber die bis zu 50 Jahre alten Strukturen neugestalten und mit intelligenten Prozessen wieder produktiv werden und dann arbeiten, wenn unsere Kunden da sind.
Wenn Sie das alles bis 2024 umgesetzt haben, wie viel näher sind Sie dann an Antwerpen und Rotterdam dran?
Wenn wir die jetzt beschlossenen Verbesserungen umgesetzt haben, werden wir in der Lage sein, relativ dicht aufzuschließen und dann auch im direkten Wettbewerb Erfolg haben. In Bremerhaven sind wir momentan bei fünf Millionen Standardcontainern. Mit den Kapazitäten dort wären auch problemlos sieben oder acht Millionen möglich entlang der fünf Kilometer Stromkaje. Um das zu erreichen, braucht es Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe: für die Kajensanierung und somit mindestens zwei Großliegeplätze am CTB und dem MSC Gate inklusive mehr Tiefgang. Das ist machbar, aber es braucht die Investitionen.
Sie wollen am Ende genauso viel Containerbewegungen pro Stunde schaffen, wie es derzeit Antwerpen und Rotterdam vormachen?
Das ist unser Ziel in der gesamten Gruppe. Hier in Deutschland machen wir ja auch vieles richtig. Wir produzieren zum Beispiel die besten Autos und die besten Maschinen der Welt und exportieren sie in die ganze Welt. Also gibt es auch keinen Grund, warum die deutschen Seehäfen nicht auch mit Antwerpen und Rotterdam mithalten können.
Wo würden Sie als Teil der Eurogate-Geschäftsführung sagen, dass man die Dinge schneller hätte angehen sollen. Oder muss der Leidensdruck erst sehr groß sein?
Generell ist es so: Wenn über lange Strecken alles rund läuft und angemessen Geld verdient wird, dann ist es schwieriger, genau zum richtigen Zeitpunkt in eine solche Veränderungsphase einzutreten – und davor steht die Erkenntnis, dass es notwendig ist. Das trifft aber auf viele Unternehmen zu. Spontan fällt mir da zum Beispiel Kodak ein.
Wenn es also um Unternehmen geht, die viel zu lange den Anschluss verschlafen haben.
Man kann uns natürlich in keiner Weise mit Kodak vergleichen. Ich denke, dass wir mit unserem Transformationsprozess zum richtigen Zeitpunkt begonnen haben, aber sechs oder zwölf Monate früher wären eventuell von Vorteil gewesen. Sie müssen aber den richtigen Zeitpunkt für die Bereitschaft aller Beteiligten, aller Gremien und aller Beschäftigten finden. Erschwerend kam die Pandemiesituation dazu und keiner konnte damit rechnen, dass wir schon in diesem Jahr wieder so ein Wachstum – zumindest zeitweise – haben werden. Aber die Menschen geben ihr Geld momentan vermehrt für Konsumgüter aus, die ja irgendwo herkommen müssen und vieles wird eben in Asien produziert.
Momentan ist vieles nicht planbar.
Ich bin jetzt 37 Jahre in der Branche, aber etwas Derartiges habe ich in all der Zeit noch nicht erlebt. Alles ist außer Taktung und es wird noch viel Zeit brauchen, bis sich alles wieder normalisiert. Es gibt keine Anleitung, wie man mit so einer Situation umgeht. Wir glauben, dass es mindestens bis zum chinesischen Neujahrsfest 2022 so weitergehen wird. Wahrscheinlich spätestens, wenn jeder sein drittes Laufband im Keller stehen hat, wird die Konsumnachfrage wieder abflachen.
Inwiefern spielt Ihnen diese Situation für ihre Transformation in die Hände? Denn die Reeder können ihre Zeitpläne nicht einhalten und sind am Ende froh, wenn irgendwo Platz ist, um ihre Schiffe zu löschen.
Den Reedereien ging es vielleicht nie so gut wie heute. Und wenn es den Kunden gut geht, ist das auch gut für Eurogate. Wir haben dadurch natürlich viel mehr zu tun. Das ist einerseits gut für unseren Transformationsprozess und gibt uns etwas mehr Zeit, andererseits kommt mit mehr Volumen auch gleich wieder die Frage auf, ob die Transformation denn überhaupt notwendig ist. Das hilft uns wiederum nicht weiter, denn dadurch haben wir unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht einen Deut verbessert. Wir müssen die Prozessveränderungen an all unseren Terminals, auch in Hamburg, angehen, um langfristig mithalten zu können.
Der Hamburger Hafen ist durch die momentane Situation immer noch vollgelaufen. Welche Chancen ergeben sich dadurch für Ihre Terminals in Bremerhaven und Wilhelmshaven, wo noch Kapazitäten zur Verfügung stehen?
Wenn die Schiffe aus ihrem Fahrplantakt geraten, gerät Hamburg schneller aus Platzgründen an seine Kapazitätsgrenzen. Dadurch sind einige Dienste zeitweise nach Bremerhaven und Wilhelmshaven verlagert worden. Als Eurogate können wir da mit unseren Terminals an drei verschiedenen Standorten flexibler sein. Durch diese Situation haben wir in Bremerhaven ja inzwischen wieder 36 Mitarbeiter neu eingestellt und suchen noch 48 weitere. In Wilhelmshaven haben wir neulich mehr als 60 Leute neu oder wieder eingestellt. Wir glauben mittelfristig an die Belebung am Jade-Weser-Port angesichts der Vielzahl großer Schiffe, die die Reedereien nun bestellt haben. Dort hat sich in den letzten zehn Wochen die Arbeit verdoppelt. Hier rechnen wir ebenso damit, dass das bis 2022 so bleiben wird. Man darf nicht vergessen: Vor Corona hatte das Terminal in Wilhelmshaven eine Auslastung von nur 15 bis 20 Prozent.
Hamburg ist das Stichwort. Ausgerechnet zum Start der Kooperationsgespräche mit der HHLA wurden Ihre Einsparpläne bekannt. Schwächt das nicht die Verhandlungsposition?
Den Transformationsprozess brauchen wir so oder so – unabhängig von einer Hafenkooperation. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass sich auch die HHLA in einem Transformationsprozess befindet. Was eine mögliche Kooperation angeht, haben wir dazu das unabhängige Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen mit einer Studie beauftragt, die ermitteln soll, welche Vorteile eine Kooperation von Eurogate und HHLA im Wettbewerb an der Nordrange der deutschen Hafenwirtschaft verschaffen würde und worin diese lägen. Wir versprechen uns von dieser Studie wichtige Analysen und Empfehlungen einer renommierten Forschungseinrichtung, die den Gesprächen zwischen den beiden Unternehmen wieder mehr Sicherheit und ein neues Momentum geben können. Das Ergebnis dieser Studie erwarten wir im September.
Geht das Gutachten auch verschiedene Szenarien der Kooperation durch?
Das Gutachten fokussiert sich auf darauf, welche Vorteile wir durch die Zusammenarbeit mit der HHLA erzielen werden. Welche Synergien sind also da, und wie kann man sich gegenüber den Reedern und dem Markt besser positionieren? Wir glauben, dass dies unsere eigenen Analysen bestätigen wird.
Und wie sehen die aus?
Wir als Eurogate sind nach wie vor fest davon überzeugt, dass eine engere Zusammenarbeit beider Unternehmen den Standort Deutschland insgesamt deutlich stärken würde. Im Wettbewerb mit den Westhäfen und mit Blick auf die zunehmende Konkurrenz im Osten müssen die deutschen Containerterminals ihre Kräfte bündeln und sich standortübergreifend optimal für die Kunden aufstellen. So werden wir die langjährigen Mengenverluste gen Westen stoppen und am allgemeinen Wirtschaftswachstum wieder stärker teilhaben können.
Es ging bei den Gesprächen auch immer um die Art der Kooperation. Was wird da am Ende also rauskommen: Eurohhla oder Hhlagate?
Es geht zuerst um die Grundsatzthemen, bei denen es noch keine Einigung gibt. Und bezüglich der Strukturen gibt es viele Möglichkeiten.
Bei den Gesprächen auf Senatsebene Bremens und Hamburgs sieht es aber danach aus, dass es am Ende ein Ergebnis geben wird.
Dass sich die Politik auf Anteilseignerebene jetzt mehr mit einbringt, nachdem die Gespräche ins Stocken geraten sind, können wir nur begrüßen. Schließlich sind die Häfen für Bremen, Bremerhaven und Hamburg sehr wichtig. Am Ende sind es aber die Unternehmen, die ihre Entscheidungen treffen.
Das Gespräch führte Florian Schwiegershausen.