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Salzkavernen als Stromspeicher EWE plant Mega-Batterie

Das Oldenburger Energie- und Technologieunternehmen EWE will eine riesige Batterie bauen. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag mit.
22.06.2017, 22:00 Uhr
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EWE plant Mega-Batterie
Von Marlo Mintel

Der Wind ist nicht immer ein Freund von Energieversorgern wie EWE. Mal weht er, mal nicht. Und manchmal weht er auch, wenn er gar nicht gebraucht wird. Dieses Kernproblem der Energiewende will EWE nun lösen. „Wir wollen Strom im großen Stil speichern“, sagt EWE-Sprecher Dietmar Bücker. Dazu will der Energiekonzern Salzkavernen zur größten Batterie der Welt umbauen.

Ostfriesland steht voll mit Windkraftanlagen. Geht es nach EWE, soll der Ökostrom unterirdisch gebunkert werden. Dazu dienen riesige Kavernen mit Salzwasser. Noch sei das Projekt „relativ am Anfang“, sagt Unternehmenssprecher Bücker.

Redox-Flow-Batterie

Vor zwei Jahren sind die Oldenburger im britischen Wissenschaftsmagazin „Nature“ auf einen Artikel gestoßen. Darin stand, dass Forscher der Universität Jena herausgefunden haben, dass in Salzlösung gebundene Kunststoffe Strom speichern und wieder abgeben können.

Bei der Riesenbatterie wollen die Oldenburger dieses Prinzip der sogenannten Redox-Flow-Batterie anwenden. Das Grundprinzip der Redox-Flow-Batterie reicht bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück: Elektrische Energie wird in einer Flüssigkeit, in der bestimmte Stoffe gelöst sind, die sogenannten Elektrolyte, gespeichert. Die positiv und negativ geladenen Elektrolyte fließen an einer Membrane vorbei. Dadurch entsteht elektrische Spannung. Je größer der Speicher und je mehr Membranen, desto größer die Menge an elektrischer Energie.

Doch das Verfahren ist umstritten, es ist nicht umweltfreundlich. Bislang verwendete man als Elektrolyt beispielsweise in Schwefelsäure gelöste umweltgefährdende Schwermetallsalze wie Vanadium. Darauf will EWE aber verzichten. Stattdessen sollen wasserlösliche, wiederverwertbare Kunststoffe eingesetzt werden, die das Salzwassergemisch, die Sole, anreichern und die Batterie arbeitsfähig machen.

Umweltfreundlich und langlebig

Mithilfe der Forscher der Universität Jena soll die Redox-Flow-Batterie umweltfreundlicher gemacht werden. Die Batterie, die aus zwei mittelgroßen Kavernen bestehen soll, soll etwa das ganze Oldenburger Land einen Tag lang mit Strom versorgen können. Die Idee, als Behälter unterirdische Salzkavernen zu verwenden, liegt laut EWE-Sprecher Bücker dem Patentamt seit Ende des vergangenen Jahres zur Prüfung vor. „Die Batterie ist sehr langlebig“, sagt er. Sie könne etwa 20 Jahre betrieben werden. Ebenso sei ein Vorteil, dass sich die Batterie kaum entlade.

Die bislang verwendeten Behältergrößen dafür haben noch etwa die Größe einer Regentonne. Die in einem Salzstock angelegten Hohlräume sind hingegen groß genug, dass der Kölner Dom darin Platz fände. Um die Batterie zum Laufen zu bringen, braucht EWE Tausende Kubikmeter Polymere. Sie dienen als Ladungsträger für die elektrische Energie und sollen in die Sole geschüttet werden. Ebenso müssen die Kavernen noch mit Leitungen ausgestattet werden, durch die die Salzlösung rauf- und runtergepumpt wird. Dazu kommen noch die Zellen mit den Membranen.

Bislang werden die Kavernen für die Speicherung von Erdgas genutzt. EWE betreibt etwa im ostfriesischen Jemgum in einem unterirdischen Salzstock acht davon. „Wir haben noch einige Tests durchzuführen und etliche Fragen zu klären, bis wir das aufgezeigte Speicherprinzip gemäß der Uni Jena in unterirdischen Kavernen anwenden können“, sagt Ralf Riekenberg. Er betreut das Projekt. Riekenberg geht davon aus, etwa Ende des Jahres 2023 eine Kavernenbatterie in Betrieb nehmen zu können. Die erste große Batterie soll eine Leistung von 120 Megawatt haben.

Der Schlüssel der Energiewende

Ende dieses Jahres wolle EWE einen Prototypen errichten, sagt Sprecher Bücker. Zunächst können aber noch keine echten Kavernen genutzt werden, sondern großdimensionierte Kunststoffbehälter. Sie werden in Jemgum errichtet. „Wenn das gut läuft, werden wir 2018 einen größeren Prototypen bauen“, sagt Bücker. Er setzt große Hoffnungen in die Riesenbatterie. „Wir glauben, damit dem Schlüssel der Energiewende ein Stück näher gekommen zu sein.“ Auch Peter Schmidt, Leiter des EWE-Gasspeichergeschäfts, blickt optimistisch in die Zukunft. „Wenn alles funktioniert, kann dies den Speichermarkt grundlegend verändern.“

Jens Tübke sieht das Vorhaben von EWE eher skeptisch. Er leitet im Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal in Baden-Württemberg eine Abteilung, die sich mit Batterien- und Brennstoffzellen beschäftigt. „Ich speichere Windenergie aus dem Windrad mittels Biomasse in einer natürlich vorkommenden Kaverne. Das klingt einfach zu schön.“

Er kenne den Ansatz der Forscher der Uni Jena, den er prinzipiell für sehr gut halte. Aber: „Mir sind einfach zu viele Wenns dabei, die funktionieren müssen, damit das Gesamtkonzept halbwegs aufgeht.“ Die Frage nach der elektrochemischen Stabilität sei zu klären. „Uns ist aus eigenen Versuchen bekannt, dass man mit organischen Molekülen ein bisschen Arbeit leisten muss. Ich halte es einfach zu verfrüht, um in einem größeren Maßstab zu denken“, so Tübke.

Negativ-Schlagzeilen

Bislang war das Jahr 2017 kein erfreuliches für den Oldenburger Versorgungskonzern. EWE hatte zuletzt mit vielen Negativ-Schlagzeilen zu kämpfen. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte am vergangenen Mittwoch mitgeteilt, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen drei verantwortliche Personen des EWE-Konzers eingeleitet hat. Es bestehe der Verdacht der Untreue und des Nichtabführens von Sozialabgaben. Unter anderem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen SWB-Vorstand Timo Poppe. Er galt als ein möglicher Kandidat für einen der drei offenen Vorstandsposten bei EWE.

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