Essen. Ende einer Schonfrist: Drei Jahre nach der Insolvenz steht dem Essener Warenhauskonzern Karstadt in diesem Herbst eine weitere Bewährungsprobe bevor. Wenn Ende August der für die rund 25000 Beschäftigten vereinbarte Sanierungstarifvertrag ausläuft, kommen auf das Unternehmen jährlich zusätzliche Kosten von 50 Millionen Euro zu. Mit dem befristeten Verzicht auf Gehaltsbestandteile wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld hatten die Mitarbeiter damals einen Beitrag zum Erhalt des Unternehmens geleistet. Einer möglichen Verlängerung der Kürzungen hat die Gewerkschaft Verdi eine Absage erteilt.
"Karstadt wird ab dem 1. September dieses Jahres in die tarifliche Normalität überwechseln", stellt der Verdi-Bundesfachbereichsleiter Handel, Johann Rösch, fest. Eine Fortsetzung der Sonderregelung sei kein Thema. Auch bei der Karstadt-Konkurrenz dürfte die bevorstehende Rückkehr des Unternehmens auf den harten Boden der Realität im deutschen Einzelhandel auf Zustimmung stoßen. Ab 2014 muss sich Karstadt dann noch zusätzlich auf steigende Mieten einstellen, wenn auch die mit dem Vermietern ausgehandelten Mietreduzierungen wegfallen.
Doch wie es um das 2010 nach einer spektakulären Bieterschlacht schließlich von dem Investor Nicolas Berggruen aus der Insolvenz übernommene Unternehmen derzeit tatsächlich steht, ist unklar. Geschäftszahlen von Karstadt sind Mangelware. Der seit Anfang vergangenen Jahres amtierende Karstadt-Chef Andrew Jennings hatte dem Unternehmen zuletzt wenig konkret bescheinigt, "auf dem richtigen Weg" zu sein. Es sei jedoch ein Marathon, kein Sprint, stellte der Brite an der Karstadt-Spitze im vergangenen Monat fest.
Vor allem die Gewerkschaft Verdi wünscht sich derzeit mehr Tempo bei der Neuausrichtung von Karstadt. Jennings selbst hatte nach seinem Amtsantritt die Modernisierung der Filialen nach oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. Damit hatte der Manager viel Beifall bei den Arbeitnehmervertretern gefunden. Doch der Umbauprozess, der bis 2015 rund 400 Millionen Euro kosten soll, ist längst nicht abgeschlossen. Bislang wurden nach Angaben von Gewerkschaftsvertreter Rösch 22 Häuser neu aufgestellt, insgesamt gibt es 84 Warenhäuser. Besser sei die Situation bei den 24 Sport- und drei Luxuswarenhäusern.
Bei einer konsequenten Umstellung der Sortimente sieht Michael Gerling, Geschäftsführer des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI, Chancen für den Fortbestand des Geschäftsmodells Warenhaus. "Die Warenhäuser haben schon erkannt, dass sie eine Chance haben, Marktanteile zurückzugewinnen", sagt er. Profitieren könnten sie derzeit von einem Boom in den Innenstädten. Karstadt-Eigentümer Berggruen hatte zuletzt als Interessent für die Drogeriemarktkette Schlecker für Schlagzeilen gesorgt.