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Wohnungsgesellschaft Minus-Bilanz bei Generalunternehmer der Gewoba

Welche Kriterien gelten bei der Gewoba? Sie hat die niederländische Firma Liason mit einem 17-Millionen-Projekt ab 2018 beauftragt. Dabei zeigte die Bilanz des Unternehmens von 2017 kein Eigenkapital auf.
28.07.2022, 05:00 Uhr
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Minus-Bilanz bei Generalunternehmer der Gewoba
Von Florian Schwiegershausen

Hat die Gewoba wirklich ausreichend geprüft, ob die niederländische Firma Liason als Generalunternehmer für das 17-Millionen-Projekt in Bremen-Tenever finanzkräftig genug war? In den vergangenen Monaten hatte die Wohnungsgesellschaft mehrmals beteuert, dass diese Prüfung umfangreich erfolgt sei. Grundsteinlegung für die Wohnungen an der Otto-Brenner-Allee war im Mai 2018. Nun hat der WESER-KURIER von der niederländischen Handelskammer die Bilanzen der Baufirma bis einschließlich 2017 erhalten. Demnach war 2017 bei Liason kein Eigenkapital mehr vorhanden – in den Unterlagen steht ein Minus von 28.455 Euro. Der Schuldenstand lag insgesamt bei 276.289 Euro. Da das Eigenkapital mit in die Schulden eingerechnet ist, lag die Bilanzsumme bei 247.834 Euro.

Liason schuldet mehreren Bremer Handwerksbetrieben für deren Arbeiten in Tenever mehr als eine halbe Million Euro. Die Gewoba bedauert dies, sieht sich aber nicht in der Verantwortung, weil sie nur mit dem Generalunternehmer Liason einen direkten Vertrag geschlossen hat, nicht aber mit den Handwerksbetrieben. Liason vertraute sie im September 2020 auch noch ein zweites Bauprojekt in der Gartenstadt Werdersee an. Als es dort Komplikationen gab, trennte sich die Gewoba von Liason. Das war im Frühjahr 2021.

Niedrige Bilanzsumme

Rechtsanwalt Thomas Voigt, der unter anderem den Dachdecker Schmidt vertritt, sagt hinsichtlich der Liason-Bilanzen: "Schon allein die niedrige Bilanzsumme von 2017 sollte doch verwundern angesichts dessen, dass man einem solchen Unternehmen ein Millionen-Projekt in dieser Größenordnung anvertrauen will. So einige Bremer Handwerksbetriebe weisen deutlich höhere Bilanzsummen auf."

Voigt verweist dabei auch auf das Vergaberecht: Das sehe vor, dass eben nicht automatisch das günstigste Unternehmen den Auftrag bekommt, sondern das Unternehmen, das auch wirklich im Stande ist, den Auftrag seriös erfüllen zu können.

Gewoba-Aufsichtsrat erst im Februar informiert

Der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Tim Nesemann sowie Sparkassen-Vorstandsmitglied Thomas Fürst sitzen als Vertreter ihres Unternehmens im Gewoba-Aufsichtsrat. Das Geldinstitut hält 21,73 Prozent der Anteile. Ihnen liegen nun auch die Bilanzen der Liason bis zum Jahr 2017 vor. Beide geben an, dass sie zum ersten Mal am 28. Februar im Aufsichtsrat erfahren haben, dass bei dem Tenever-Projekt die Handwerksbetriebe nicht vollständig vergütet wurden. "In diesem Rahmen haben auch die Vertreter der Sparkasse erstmalig detaillierte Kenntnis von dem Vorgang erhalten", heißt es von der Sparkasse. Das bedeutet, dass der Aufsichtsrat erst zwei Wochen nach dem ersten Bericht im WESER-KURIER darüber informiert wurde.

Zu den Zahlungsausfällen kam es aber bereits im Jahr 2020. Spätestens ab Herbst 2020 versuchten der Dachdecker Schmidt sowie andere Handwerksbetriebe, über die niederländischen Gerichte Pfändungstitel zu erwirken. Auf die Frage, ob die Sparkassen-Vorstände ein Unternehmen mit einer Bilanz wie der von Liason aus dem Jahr 2017 mit einem 17-Millionen-Euro-Projekt beauftragen würden, oder ihm einen Kredit geben würden, antworteten sie dieser Zeitung: "Immobilien- und Kreditwirtschaft sind unterschiedliche Branchen. Entsprechend unterscheiden sich die Standards bei der Kreditvergabe und der Beauftragung von Bauleistungen."

Im Raum steht außerdem, dass Gewoba-Mitarbeitern die Zahlungsprobleme der Liason bereits im Mai 2020 bekannt waren. Das geht aus internen Mails hervor, die Radio Bremen vorliegen. Dennoch wurde dem Generalunternehmer im September 2020 das Bauprojekt an der Gartenstadt Werdersee anvertraut. Die Gewoba mutmaßt, dass es sich bei besagten Mails um einen Austausch zwischen der Firma Liason und einem Nachunternehmer wegen des Tenever-Projekts handeln könne. "Sofern sich die in den Medien erfolgte Berichterstattung auf diesen E-Mail-Verkehr bezieht, weisen wir darauf hin, dass der Unterlage auch zu entnehmen ist, dass der Rechnungsausgleich umgehend erfolgen sollte", heißt es von der Gewoba.

Kein Anlass zur Information des Gewoba-Vorstands

Im E-Mail-Verkehr sei es um Verzögerungen, Mängel und Nachträge sowie verzögerte Rechnungsstellung des Nachunternehmers gegangen. "Das sind zunächst keine ungewöhnlichen Vorgänge im Bauablauf, die eine Berichtspflicht an den Vorstand ausgelöst hätten. Entsprechend wurde der Vorstand im Mai 2020 nicht über den Vorgang informiert", erläutert eine Gewoba-Sprecherin. "Ein Rückschluss auf ein strukturelles Finanzierungsproblem der Firma Liason konnte hieraus nicht gezogen werden. Somit bestanden auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken gegen eine spätere Beauftragung der Firma Liason für das Projekt in der Gartenstadt Werdersee."

Die Sparkassen-Vorstände Nesemann und Fürst gehen davon aus, dass der Gewoba-Vorstand den Aufsichtsrat "wie bereits in der Vergangenheit vollumfänglich über den Sachverhalt informiert hält". Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt, steht aber noch am Anfang.

Zur Sache

Bremer FDP verlangt Aufklärung

Die Bremer FDP verlangt Aufklärung von der Gewoba und ihrem niederländischen Generalunternehmer. Der Fraktionsvorsitzende Thore Schäck sagte: "Insbesondere öffentliche Unternehmen haben nochmals eine stärkere Verpflichtung, darauf zu achten, mit wem sie eigentlich zusammenarbeiten." Gerade wenn man einen Generalunternehmer beauftrage, gehe es darum, genau hinzuschauen, ob alle ihr Geld erhalten und anständig gezahlt werde. "Sollte sich herausstellen, dass die Zahlungsprobleme bekannt waren, und man dem Generalunternehmer trotzdem einen weiteren Auftrag gegeben hat, dann ist das ein Skandal", fügt Schäck an.

Er sagt, dass die FDP-Fraktion weiter verfolgen werde, wer wann und wie Bescheid wusste: "Gerade bei öffentlichen Unternehmen wird die Fahne hoch gehalten, weil ja alles so viel besser läuft und anständiger ist. Wir hatten zuletzt den Brebau-Skandal und nun diesen Vorfall mit der Gewoba - da scheint ja irgend etwas nicht in Ordnung zu sein." Die FDP hat als einzige Fraktion der Bremischen Bürgerschaft keinen Vertreter im Aufsichtsrat der Gewoba.

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