Peter Haarstick, von Freunden einfach „Piet“ genannt, ist seit 1969 Goldschmied. Für ihn ist es der schönste Beruf der Welt. Und es ist auch einer der ältesten Handwerksberufe der Welt. „Denn als die Menschen anfingen, ihre Kultur auszuleben, begannen sie mit Höhlenmalerei und hängten sich eine Muschel um den Hals“, scherzt der 64-Jährige, der auch immer mal für einen markigen Spruch zu haben ist.
Der Beruf hat in seiner Familie eine lange Tradition. Sein Urgroßvater begann damit 1874. Wie es von da an von einer Generation zur nächsten ging, hat Haarstick liebevoll auf seiner Internetseite mit alten Zeichnungen und Fotos dokumentiert. Einträge über eine fünfte Generation wird es wohl aber nicht geben. „Meine drei Söhne machen alle was anderes“, sagt Haarstick. Jeder das, was ihn glücklich macht. Aber es werde auch nicht einfacher in seiner Zunft, so der Handwerksmeister: „Wenn ich jetzt als gerade ausgebildeter Goldschmied ganz neu anfangen würden, das wäre schon äußerst schwierig.“ Er selbst hat mehr als 80 Prozent Stammkundschaft und dank seines Geschäfts am Fedelhören auch immer mal neue Laufkundschaft. „Wir arbeiten hier zu zweit, und mit dem, was wir hier zu tun haben, sind wir zufrieden.“
"Einige sind heutzutage vielleicht der Werbung erlegen"
Als er 1992 von der Kohlhökerstraße zum Fedelhören zog, war Haarstick zusammen mit seinen Mitarbeitern noch zu sechst. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sich vor allem zwei Dinge verändert, sagt er: „Als mein Vater das Geschäft hatte, sind die Kinder unserer Stammkunden meist in Bremen geblieben, von denen viele ebenso zu unseren Stammkunden wurden. Wenn die Kinder heute groß sind, gehen sie zum Studieren oder Arbeiten in eine andere Stadt, so dass sie dadurch vielleicht nicht mehr so den Draht zu uns haben wie ihre Eltern.“ Auch beim Einkaufsverhalten habe sich viel gewandelt: „Einige sind heutzutage vielleicht auch der Werbung erlegen, die suggeriert, dass Individualität entsteht, wenn man die Uhr oder das Schmuckstück einer besonderen Marke hat. Doch Individualität ist das nicht, sondern das sind alles in großen Mengen gefertigte Auflagen, die so überall auf der ganzen Welt verkauft werden.“
Bei dieser Kritik schwingt auch der alte Gegensatz zwischen Goldschmied und Juwelier mit: Der Goldschmied ist der Gestalter und Handwerker, der Juwelier ist der Händler. Haarstick drückt es anders aus: „Ich bin kein Juwelier. Mir schreibt kein Schmuckhersteller vor, dass ich einen bestimmten Umsatz erreichen muss, damit ich auch im nächsten Jahr noch Vertragshändler bin. Ich bin mein eigener Chef, und bei mir ist jedes Stück ein Unikat.“ Genauso können Juweliere auch gegen Goldschmiede sticheln, wenn sie wollen – es ist ein bisschen so wie Bremer gegen Hamburger. Was den Konsum angeht, führt in anderen Bereichen ja die globalisierte Welt dazu, dass die Menschen zum Beispiel wieder gern zum handgemachten lokalen Bier greifen, um so ihr Stück Heimat zu finden und zu behalten. Dieser Trend hin zum Lokalen und Individuellen ist zumindest bei den Bremer Goldschmieden noch nicht angekommen.
"Eine Frau hat zehn Finger, aber nur einen Hals"
Geht es um lokale Unikate, fertigt Haarstick am liebsten Ringe – große Ringe, sofern er es sich aussuchen kann. Da kann dann schon mal ein großer Stein eingearbeitet sein oder obendrauf eine Scheibe, die sich drehen lässt. Von den Ringen verkauft der Goldschmiedemeister am meisten, und er scherzt: „Eine Frau hat zehn Finger, aber nur einen Hals. Allein durch diesen Umstand besitzt jeder auch eine ganze Zahl an Ringen, aber vielleicht nur ein Collier.“
Haarstick ist seit über 20 Jahren auch Obermeister der Bremer Goldschmiedeinnung. Er hat zehn Lehrlinge ausgebildet, aber damit aufgehört, weil ihm die Zukunftsaussichten einfach zu schlecht erscheinen. Einige seiner Kollegen bilden jedoch noch aus. Haarstick selbst will noch einige Jahre weitermachen – und einen Arbeitsplatz auch im Rentenalter behalten, wo er so werkeln kann wie bisher. Denn ganz ohne Arbeit, das kann er sich nicht vorstellen, obwohl er in seiner Altersklasse durchaus erfolgreich Leistungsschwimmen betreibt. Zahlreiche Deutsche Meistertitel und Rekorde, aber auch eine bronzene Weltmeisterschaftsmedaille im Wasserball zeugen davon.
BJV rechnet mit gutem Weihnachtsgeschäft
Er wird Bremen als Goldschmied also noch einige Jahre erhalten bleiben. Bei einigen anderen Kollegen in Bremen steht in den kommenden Jahren ein Generationenwechsel an. Ob es dazu kommt oder sich die Inhaber ganz zurückziehen, wird sich zeigen.
Bei den Juwelieren erwartet der Handelsverband BJV für Bremen eine gute Entwicklung. „In Städten läuft alles mit Marke gut. In ländlichen Bereichen läuft es in den Geschäften eher im Service gut“, sagt BJV-Geschäftsführer Joachim Dünkelmann. Wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkomme, sei ein sehr gutes Weihnachtsgeschäft zu erwarten. Dagegen ging 2016 der Umsatz bei Schmuck und Uhren um 1,2 Prozent zurück. Allerdings sei gerade seine Branche von Stimmungen abhängig. Dünkelmann fügt hinzu: „Es ist die Seele, die unsere Produkte braucht.“ Juweliere leben aber auch vom Kaufimpuls durch das Schaufenster.
Das zeigt auch der Online-Anteil von nur sieben Prozent bei den Händlern. Ein weiterer Aspekt komme hinzu, so Dünkelmann: „Im Geschäft kann der Kunde auf die Echtheit vertrauen.“ Bei Goldschmied Haarstick gilt das sowieso. Er kann sogar sagen, in welcher Woche und an welchem Tag er am Ring oder der Kette gearbeitet hat. Der Kunde muss es eben zu schätzen wissen.