In ihrem Gemeinschaftsgutachten legen die Ökonomen den Parteien nahe, die Rente mit 70 einzuführen. Durch eine solche Anhebung der Altersgrenze ließe sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern stabilisieren, stellen die Ökonomen fest. Verzichte die künftige Regierung darauf, müssten entweder die ohnehin hohen Sozialabgaben weiter steigen oder die Renten gekürzt werden.
In jedem Fall werde sich der demografische Wandel in den nächsten Jahren verstärkt bemerkbar machen. Die Topvolkswirte des Landes werfen der scheidenden Großen Koalition vor, wenig zum aktuellen Aufschwung beigetragen und noch weniger für die Zukunft geleistet zu haben.
Positiv rechnen sie Schwarz-Rot den Abbau der Schulden und die Aufstockung der öffentlichen Investitionen an. Doch das Bündnis habe die Sozialkassen und damit die Beitragszahler stark belastet, indem sie ihnen die Kosten etwa für die Ausweitung der Mütterrente und die Angleichung der Ostrente an Westniveau zum großen Teil aufgebürdet habe.
Die Nachfolger müssten daher die Überbelastung der Sozialversicherungen korrigieren. „So dürfte sich insbesondere die Situation der gesetzlichen Rentenversicherung mittel- bis langfristig spürbar verschlechtern.“ Bereits der Sachverständigenrat, der die sogenannten Wirtschaftsweisen vereint, hat die Rente mit 67 als nicht ausreichend kritisiert.
In seinem Modell soll das Renteneintrittsalter mit der Lebenserwartung steigen. Allerdings hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klargestellt, dass sie an der Rente mit 67 nicht wackeln möchte. „Wir werden sicher nicht bis 70 arbeiten müssen“, hatte sie im Wahlkampf betont. Wie sich eine mögliche Jamaika-Koalition positioniert, ist offen.
25 Milliarden Euro Überschuss
Auf der anderen Seite sehen die Institute aber auch Spielräume, um die Bürger zu entlasten. Die öffentlichen Haushalte steuerten auf einen strukturellen, also konjunkturunabhängigen Überschuss von rund 25 Milliarden Euro in diesem Jahr und von 27 Milliarden Euro in 2019 zu.
Damit könne die Regierung Kredite tilgen, die Ausgaben etwa für Bildung und Infrastrukturinvestitionen ausweiten oder Steuern und Abgaben senken. Besonders letzteres favorisieren die Wirtschaftsforscher. Im internationalen Vergleich sei vor allem die Belastung durch die Sozialtarife hoch.
Zugleich sei das Aufkommen aus der Einkommensteuer durch die kalte Progression überproportional gestiegen. Gemeint ist, dass Arbeitnehmer mehr an den Staat überweisen durch Gehaltserhöhungen, die nur die Preissteigerung ausgleichen. Daher schlagen die Institute vor, die Tarife der Einkommensteuer anzupassen.
Arbeitslosenversicherung bietet Spielraum
Handlungsbedarf sehen sie auch beim Solidaritätszuschlag, für den die Begründung 2020 entfalle. Dann läuft der Solidarpakt aus, der den Osten für teilungsbedingten Sonderlasten entschädigt. Damit auch Bezieher niedriger Einkommen profitieren, sollte die nächste Regierung aber zusätzlich auch an eine Senkung der Sozialtarife denken.
Spielraum biete die Arbeitslosenversicherung. Den Aufschwung in Deutschland bewerten die Experten als gefestigt und breit fundiert. Ihre Wachstumsprognose erhöhten sie deutlich. Nach ihrer Einschätzung wird das Bruttoinlandsprodukt wie schon 2016 auch in den nächsten Jahren um jeweils etwa zwei Prozent zulegen.
Konkret sagen sie Steigerungsraten von 1,9 Prozent (2017), 2,0 Prozent (2018) und 1,8 Prozent (2019) voraus. Damit drohen allerdings auch Engpässe, die sich für Unternehmen vor allem bei der Suche nach qualifiziertem Personal bemerkbar machen. Die Arbeitslosenrate wird laut der Prognose von 6,1 Prozent im vergangenen Jahr bis auf 5,2 Prozent in 2019 sinken.
Hoffnung für Sparer
Dass sie nicht noch stärker fällt, liegt am steigenden Interesse von Frauen und Älteren an einer Beschäftigung. Etwas Hoffnung machen die Fachleute den Sparern. „Die Straffung der Geldpolitik in den kommenden beiden Jahren dürfte dazu führen, dass die langfristigen Zinsen von derzeit etwa 1,1 Prozent auf 1,8 Prozent zum Jahresende 2019 ansteigen“, lautet die Erwartung.
Da allerdings auch die Teuerung anzieht, bleibt der Realzins – der nach Abzug der Inflationsrate – nahe Null. Zu einer Kehrtwende rief derweil FDP-Chef Christian Lindner Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, auf. Die künftige Regierung müsse ein Signal an Draghi setzen, „dass er seine Geldpolitik korrigieren muss“, sagte Lindner. Der Liberale wird als Nachfolger von Wolfgang Schäuble (CDU) im Amt des Bundesfinanzministers gehandelt.