Während die meisten Bremer Grundstücksbesitzer ihre bis Ende des Monats fällige Grundsteuererklärung noch gar nicht abgegeben haben, bekommen die ersten Eigentümer Post vom Finanzamt. Inhalt: der Bescheid über den Grundsteuerwert.
Für Peter Heinzerling war der Schreck groß: Der Wert seiner 50-Quadratmeter-Wohnung, die er in der Vahr vermietet, hat sich gegenüber dem alten Einheitswert mehr als verzehnfacht. Die Miete von 12,46 Euro pro Quadratmeter, die der Berechnung zugrunde liegt, sei völlig unrealistisch, so der Hannoveraner. Die Finanzbehörde versucht zu beruhigen: Über die Höhe der Grundsteuer, die ab 2025 zu zahlen ist, sage das alles noch nichts aus. Doch beim Immobilienbesitzerverband Haus & Grund häufen sich seit Tagen die Anfragen.
Was ist der Grundsteuerwert?
Der Grundsteuerwert ersetzt den alten Einheitswert, der bislang zur Berechnung der Grundsteuer herangezogen wurde. Da die Einheitswerte aus den 1960er-Jahren stammen, hatte das Bundesverfassungsgericht 2018 eine Reform angemahnt. Die Berechnung des Grundsteuerwerts ist in dem neuen Verfahren der erste von drei Schritten zur Ermittlung der Steuer, die jeder Grundstücksbesitzer künftig zu zahlen hat. Dies gilt nur für die elf Bundesländer, die sich bei der Neuberechnung für das sogenannte Bundesmodell entschieden haben. Bremen gehört dazu, Niedersachsen nicht.
Wie wird der Grundsteuerwert berechnet?
Grundlage ist eine sogenannte Listenmiete, die der Gesetzgeber für die einzelnen Bundesländer festgelegt hat. Dahinter verbirgt sich eine durchschnittliche Nettokaltmiete, deren Höhe sich an den Mikrozensus-Daten des Statistischen Bundesamtes für das jeweilige Bundesland orientiert. Unterschieden wird nach Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Mietwohngrundstücken, nach Wohnungsgrößen und dem Baujahr des Hauses. Um auch zwischen teuren Großstädten und wirtschaftsschwachen Regionen differenzieren zu können, gibt es zudem sieben Mietniveaustufen, in die die einzelnen Kommunen eingeteilt werden.
Wo liegt das Problem mit dem Grundsteuerwert?
Das Bemühen um eine möglichst gerechte Einstufung endet an der Stadtgrenze: „Eine Differenzierung des Wertes der Gebäude innerhalb einer Gemeinde findet nicht statt“, räumt Ramona Schlee ein, Sprecherin der Bremer Finanzbehörde. „Das bedeutet, dass eine ähnliche Wohnung in Schwachhausen genauso bewertet wird wie eine Wohnung in Gröpelingen.“ Oder in der Vahr: Eine 50-Quadratmeter-Wohnung, Baujahr 2001, wie die von Peter Heinzerling, wird in Bremen mit einer Nettokaltmiete von 12,46 Euro pro Quadratmeter bewertet. Dass Heinzerling tatsächlich deutlich weniger von seinem Mieter erhält, spielt keine Rolle. Allerdings werde die einheitliche Listenmiete noch mit dem Bodenrichtwert verrechnet, betont Behördensprecherin Schlee, der Unterschiede zwischen der Villa am Park und dem Wohnblock an der Bahnlinie ausdrücke. Beim Immobilienbesitzerverband Haus & Grund hält man von der Sache wenig: „Der Gesetzgeber hat sich hier verheddert und am Ende ein Verfahren gewählt, das wir kritisch sehen“, sagt Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik bei Haus & Grund.
Heißt ein zehnmal so hoher Grundsteuerwert, dass auch die zu zahlende Grundsteuer zehnmal so hoch sein wird?
Nein, versichert Behördensprecherin Schlee. Denn was die Immobilienbesitzer jetzt in der Hand halten, ist nur der erste Schritt auf dem Weg zum Steuerbescheid. Im zweiten Schritt wird der Grundsteuerwert mit einer Messzahl multipliziert: Die liegt für Grundstücke mit Wohneigentum bei 0,31 Promille – bislang lag diese Messzahl bei fünf bis zehn Promille. „Die Messzahl vermindert den Grundsteuerwert deutlich“, versichert Schlee. Den so ermittelten Grundsteuermessbetrag kann jede Gemeinde – dritter Schritt – mit einem Faktor X multiplizieren, dem sogenannten Hebesatz. Dieser wird 2024 festgelegt. „Es gilt weiterhin die politische Absichtserklärung, dass das Ganze am Ende aufkommensneutral gestaltet wird“, so Schlee – soll heißen: Die Stadt will mit der Grundsteuer nicht mehr Geld einnehmen als vorher.
Was sollten Immobilienbesitzer tun, wenn Sie ihren Grundsteuerwertbescheid erhalten haben?
Vier Wochen haben Hausbesitzer Zeit, gegen den Bescheid Einspruch einzulegen. Ingmar Vergau, Geschäftsführer von Haus & Grund Bremen, rät dazu, den Bescheid vom Steuerberater prüfen zu lassen und im Zweifelsfall Einspruch einzulegen. „Sonst ist der Bescheid nach vier Wochen bestandskräftig“, warnt er. Der Immobilienbesitzerverband hat sich bereits entschlossen, gegen die neue Grundsteuer zu klagen.