Die Handelskammer rechnet mit einem weitgehenden Ausfall der Exporte bremischer Firmen nach Russland. "Das ist wohl zu erwarten", sagte Eduard Dubbers-Albrecht, Präses der Handelskammer, bei der Vorlage des Jahresberichts 2021. Besonders betroffen wäre davon das Mercedes-Werk, das den zumindest vorübergehenden Wegfall des russischen Marktes aber verkraften könne. Ob kleinere Handelsunternehmen, die sich auf das Russland-Geschäft spezialisiert haben, in ihrer Existenz bedroht sein könnten, konnte Dubbers-Albrecht nicht sagen: "Da fehlt uns im Moment noch der Überblick."
Auch im Ressort von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) liegen bislang keine Hinweise auf Firmen vor, die durch die harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland in Schwierigkeiten geraten könnten. "Bei uns ist noch kein Hilferuf eingegangen", sagte Vogt. Für Härtefälle stünden Programme der Bremer Aufbaubank zur Verfügung. Ein eigenes Hilfsprogramm wie in der Corona-Krise sei nicht geplant.
Buhlmann kappt das Geschäft
Der Bremer Stahlrohrhändler Buhlmann hat einen Tag nach dem Einmarsch Russlands Konsequenzen gezogen. Am vergangenen Freitag beschloss das Familienunternehmen, dass es aus moralischen Gründen mit Russland keine Geschäfte mehr geben soll, erklärte der geschäftsführende Gesellschafter Jan-Oliver Buhlmann gegenüber dem WESER-KURIER. Das gelte weltweit, also etwa auch für Tochterunternehmen in China: "Sämtliche Geschäftsaktivitäten mit Russland werden eingestellt."
Von anderen Unternehmen weiß Buhlmann ebenfalls, dass Verbindungen nach Russland überdacht oder in ein paar Fällen auch gekappt werden. Für sein Haus ist die Entscheidung nicht existenzbedrohend, aber mit Blick auf die Umsatzverluste doch auch schmerzhaft. Vor Ort gab es bisher ein eigenes Büro. "Wir verurteilen den Angriff", machte Buhlmann deutlich. "Hier ist eine Linie überschritten worden." Das Unternehmen liefert Stahlrohre etwa für Kohle- und Gaskraftwerke oder Raffinerien.
Importe haben mehr Gewicht
Russland liegt mit einem Volumen von gut 360 Millionen Euro nur auf Platz zwölf der wichtigsten Exportmärkte bremischer Unternehmen. Knapp 190 Millionen Euro davon entfallen auf den Fahrzeugbau. Es folgen Maschinen mit gut 90 Millionen Euro und Nahrungs- und Futtermittel mit knapp zwölf Millionen Euro. Bedeutender sind die Importe aus Russland, die 2021 einen Wert von gut einer Milliarde Euro erreichten. Nach der Statistik der Handelskammer handelt es sich dabei vor allem um Mineralöl, Kohle und Metalle. Russland liegt damit auf Platz drei der wichtigsten Importmärkte für die bremische Wirtschaft. "Hier kann es durchaus zu gravierenden Auswirkungen kommen", räumte Mathias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, ein. "Aber klar ist: Wir stehen zu den Sanktionen." Den russischen Einmarsch in die Ukraine nannte Kammer-Präses Dubbers-Albrecht "absolut verantwortungslos" und einen "Verstoß gegen das Völkerrecht und die seit Jahrzehnten in Europa gelebte Ordnung". Die Sanktionen gegen Russland würden auch die bremische Wirtschaft treffen, "aber wir müssen bereit sein, damit zu leben".
Aufruf des Botschafters an die Wirtschaft
Der Druck auf Unternehmen wächst, Geschäftsbeziehungen nach Russland zu hinterfragen. Der Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, richtete sich am Dienstag in einem Beitrag bei Twitter an Wirtschaftsvertreter in Deutschland: "Wir bitten Sie herzlich, Ihre Geschäftsaktivitäten in Russland einzufrieren." Nur so könne der "Wahnsinnskrieg Putins" noch gestoppt werden.
Mehrere Konzerne haben in diesen Tagen bereits reagiert. So trennt sich der Energiekonzern BP von seinen Anteilen am russischen Ölunternehmen Rosneft. Der Ölkonzern Shell beendet die Zusammenarbeit mit Gazprom. Der Lastwagenkonzern Daimler Truck und ZF Friedrichshafen legten die Kooperation mit dem russischen Fahrzeughersteller Kamaz auf Eis. Der stellt neben Lastwagen auch Panzer her.
Mercedes hat bei Moskau eine eigene Produktion. Wie der Autohersteller nun weiter vorgeht? "Im Lichte der aktuellen Ereignisse gilt es selbstverständlich die geschäftlichen Aktivitäten in Russland neu zu bewerten", teilte eine Sprecherin mit. "Es ist zu früh, um das volle Ausmaß dieser Eskalation für unser Geschäft genau zu bewerten." Man sei in enger Abstimmung mit den deutschen Behörden.
Arcelor-Mittal sorgt sich um Mitarbeiter
Woher die SWB ihr Gas bekommt, das kann der Energieversorger nicht genau sagen, denn der Rohstoff wird an der Börse eingekauft. Wahrscheinlich sei darunter auch russisches Gas, die Zusammensetzung sei aber nicht bekannt, sagte Sprecher Friedhelm Behrens. Anders sieht es beim Einkauf der Kohle für das Kraftwerk aus, die auch aus Russland kommt. Die SWB will die Entwicklung abwarten. Und weiter: "Wir werden uns sicher nach Alternativen umsehen."
So verhält es sich auch beim Bremer Stahlwerk, das Kohle aus Russland für die Hochöfen einsetzt. "Wir arbeiten momentan daran, für verschiedene Rohstofflieferungen auf alternative Lieferanten und Länder zu wechseln", sagte die Sprecherin von Arcelor-Mittal Bremen, Marion Müller-Achterberg. Das Unternehmen sei zutiefst besorgt über die Entwicklungen in der Ukraine und auch die möglichen Auswirkungen für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort. "Unsere Priorität sind unsere Mitarbeitenden, und wir haben Pläne entwickelt, um ihnen zu helfen, in Sicherheit zu bleiben."
Die Bremer Acmos Chemie KG schaut ebenfalls auf viele Jahre Geschäftsbeziehungen mit Russland zurück – viel stärker noch waren sie vor Jahrzehnten ausgeprägt. Das Unternehmen stellt Trennmittel her, die etwa bei der Produktion von Kunststoffteilen zum Einsatz kommen. Eine Entscheidung gibt es hier laut Geschäftsführer Julian Laschinsky noch nicht, wie man mit den Aktivitäten in Russland weiter umgeht. Die Sanktionen gegen das Land hält er für richtig: "Die Ukraine ist lange genug im Stich gelassen worden."
Die Bedeutung für die Häfen
Mit der Reederei Maersk stoppte am Dienstag ein weiteres Schifffahrtsunternehmen vorerst den Gütertransport von und nach Russland. Ausgenommen seien lediglich Nahrungsmittel, Medikamente und andere humanitäre Güter. Auch Hapag-Lloyd, MSC und das japanische Konsortium One hatten bereits einen Transportstopp verkündet. Eine nachhaltige Störung des Warenverkehrs würde sich in der Umschlagstatistik des Hafens bemerkbar machen: Acht Prozent des Gesamtumschlages der Bremischen Häfen haben 2021 mit der Russischen Föderation stattgefunden. Bremerhaven gilt als eine Drehscheibe im Russland-Verkehr – Container von oder nach Russland werden an der Stromkaje von Übersee- auf Zubringerschiffe verladen und umgekehrt. Über die zu erwartenden Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen auf den Hafenumschlag konnte das Häfenressort am Dienstag keine Angaben machen.
Hafenbetreiber Eurogate prüft weiterhin, welche Auswirkungen die Entwicklungen für das Unternehmen haben werden. "Wir sind in der Analyse", sagte Sprecher Steffen Leuthold am Dienstag. Es sei offen, wie sich jetzt die internationalen Warenströme veränderten. Aktuell sei es bei Eurogate kein Thema, sich von der Beteiligung am russischen Containerterminal in Ust-Luga zu trennen.
"Wir analysieren die Lage und die Auswirkungen in unserem Krisenstab", sagt auch die Sprecherin der Bremer BLG, Stefanie Effner. Dazu sei das Logistikunternehmen im ständigen Austausch mit den Mitarbeitern. In der Ukraine gebe es derzeit keine Verkehre der BLG mit Autotransporten mehr. "Welche weiteren Folgen der Krieg für unser Ergebnis hat, können wir derzeit nicht beziffern", so Effner. Der Umsatz der BLG-Gesellschaften in der Ukraine und in Russland macht weniger als ein Prozent des Umsatzes der Gruppe aus.