In diesem Raum soll also Magisches passieren. Auf den ersten Blick sieht er nur aus wie ein modernes Büro – allerdings mit besondererer Ausstattung. Denn in ihrem neuen Innovationslabor in Bremen will die Lenze SE experimentieren. Industrie und Informatik sollen hier zusammentreffen.
Der Konzern mit Sitz in Hameln ist Spezialist für Antriebs- und Automatisierungstechnik zum Beispiel für die Textil- oder Automobilbranche. "Also richtig Hardcore Industrie", sagt der Vorstand für Innovation Frank Maier. Nun will die Gruppe noch digitaler werden. Ganz leise brummt es deshalb im Büro. Der 3-D-Drucker arbeitet unauffällig vor sich hin. Neben ihm steht eine Maschine, die sich mit Smartphone bedienen lässt. Über die Befindlichkeit einer weiteren Maschine informiert in der Ecke Sprachassistentin Alexa. Maschinen gehören für Maier selbstverständlich zum Labor: "Das Internet bewegt nichts."
Bewusst hat sich Lenze für den Standort Bremen entschieden. Am Sitz der Tochtergesellschaft Encoway ist das Experimentierfeld namens "Dock.One" angesiedelt. "Das machen wir hier, weil wir exzellente Rahmenbedingungen vorfinden", sagt Maier. Damit meint er vor allem, dass es in Bremen leichter sei, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. "Das ist alles andere als selbstverständlich." Encoway profitiert davon.
"Am Anfang waren wir zu dritt", erinnert sich Geschäftsführer Christoph Ranze. "Nun sind wir mehr als 200 Leute. Das zeigt, dass es sich hier gedeihlich entwickeln lässt." Das Softwareunternehmen hilft seinen Kunden bei der Vermarktung von Baukastenprodukten: vom Vertrieb bis zum Marketing. Weil die Rekrutierung in Bremen besonders gut gelingt, entsteht am Standort sogar eine Niederlassung der kürzlich erworbenen Stuttgarter Tochter Logicline.
Schon vor vielen Jahren überlegten Maier und Ranze, wie sie eine stärkere Verbindung zwischen Encoway und Lenze herstellen können. "Meine Antwort war damals: Trust me. Wir finden was", sagt Maier. Nun, wo Maschinen immer intelligenter seien, habe man etwas gefunden. Maier will die Philosophie des Silicon Valley nach Bremen bringen: "Try, fail fast, try again".
Das Mantra der Gründerszene meint so viel wie: ausprobieren, schnell scheitern und wieder ausprobieren. In seiner Karriere hat der Vorstand oft in Kalifornien gearbeitet. Starre Strukturen und Hierarchien, Pläne für die nächsten Jahrzehnte – das alles passe nicht zum dynamischen Markt. "Deswegen haben wir hier diese Garage gegründet. Wir wollen dort die Inspiration und das Know-how, das Encoway in der IT hat, beleben."
Das Labor soll vom Tagesgeschäft abgeschottet sein. Kunden sollen selbst Teil des Experiments sein können. Zwei Millionen Euro will Lenze in diesem Jahr in das Projekt stecken. In Hameln gibt es bereits einen Innovationsstandort für Mechatronik. In beide Labore sollen in Zukunft zusammen jährlich zwei bis drei Millionen Euro fließen. Im Format Hackathon, einem mehrstündigen Ideenwettbewerb, hat Encoway sich bereits ausprobiert.
Prinzip: Trial-and-Error
"Thinking outside the box" – diesen Ansatz, unkonventionell zu denken, nehmen Unternehmen immer öfter wörtlich und schaffen neue Räume abseits des Alltags. Mercedes hat sich in der Überseestadt ebenfalls ein Experimentierfeld geschaffen, das Unternehmen BLG Logistics tüftelt im „Digi-Lab“ an Innovationen. "Wir brauchen solche Versuchslabore, um voranzukommen", sagt Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD).
Das "Dock.One" der Lenze SE könne helfen, Ideen schneller auf die Straße zu bringen. "Es passt gut in die bremische Szene." Bremen sei starker Industrie- sowie Wissenschaftsstandort und setze auf Schlüsseltechnologien wie Digitalisierung, Robotik, Künstliche Intelligenz und Automatisierung. Günthner erwartet zudem, dass einige der vielen Kunden der Lenze nach Bremen gezogen werden. "Das hat schon eine ziemliche Kraft. Da steckt richtig Power drin."
Im Labor starten zunächst zehn Mitarbeiter. Die Kollegen der Encoway sollen den Raum ebenfalls für Ideen nutzen können. "Nur Experimente zeigen, was es an technischen Möglichkeiten gibt", ist Maier überzeugt. Zugleich solle hier der Kontakt in die akademische Welt geschaffen werden. Dass Studenten künftig mit der Garage zusammenarbeiten, kann Martin Mehrtens, Kanzler der Uni Bremen, sich gut vorstellen – vielleicht sogar als Start-up.
Es gehe darum, die Absolventen am Standort zu halten: "Sie sollen der Motor für die Entwicklungen in Bremen werden." Klaus-Dieter Thoben vom Bremer Institut für Produktion und Logistik sieht ebenfalls Chancen: "Wenn wir mithalten wollen auf dem Weltmarkt, müssen wir schneller, besser und mutiger werden." Es gelte Dinge auszuprobieren.
Insgesamt 3700 Mitarbeiter hat Lenze. Vor allem Softwareentwickler werden permanent gesucht. "Wir nehmen alle. Der Bedarf ist gigantisch", sagt Maier. Standorte gibt es auch in der Schweiz, USA, China und Indien. In ein paar Jahren gehe aus dem Labor in Bremen ein eigenes großes Team für Automationssoftware hervor: "Das wird ein echtes Geschäft."