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Höhere Steuern Hochwertiges Fleisch könnte überdurchschnittlich teuer werden

Soll die Mehrwertsteuer beim Fleisch auf 19 Prozent steigen, um mit dem Geld die Bauern beim Umbau der Tierhaltung zu unterstützen? Für Biobauern wäre das ein Nachteil, meint Bremens Fleischerinnungsmeister.
11.04.2024, 19:37 Uhr
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Von Sascha Meyer und Florian Schwiegershausen

Die Traktoren rollen wieder auf den Feldern. In vielen Dörfern köchelt aber noch Frust über die Agrarpolitik in Berlin. Nach wochenlangen Bauernprotesten gegen das Aus für langjährige Diesel-Vergünstigungen bemüht sich die Koalition, der Branche mit anderen Entlastungen entgegenzukommen. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) schaltete sich ein und kam am Donnerstag mit der Regierungskommission zur Zukunft der Landwirtschaft zusammen. Eine Idee: Die Mehrwertsteuer beim Fleisch von sieben auf 19 Prozent erhöhen. Mit den Mehreinnahmen könnten die Nutztierbauern beim Umbau der Tierhaltung unterstützt werden. Welche anderen Ideen es gibt und was diese für die Verbraucher bedeuten könnten.

Wer ist Teil der "Zukunftskommission Landwirtschaft"?

Die Kommission wurde noch von Scholz Amtsvorgängerin Angela Merkel (CDU) eingesetzt. Vertreten sind Bauern und Ernährungswirtschaft, Natur- und Verbraucherschützer, Handel und Wissenschaft. Das breit besetzte Gremium brachte 2021 mit Empfehlungen für einen Umbau des Ernährungssystems eine Art Agrarfrieden zustande. Das ist nun wieder aktuell.

Was sollen die Landwirte für den Umbau der Tierhaltung bekommen?

Auf den Mehrkosten beim Umbau der Tierhaltung hin zu besseren Bedingungen sollen die Bauern nicht alleine sitzen bleiben. Als Anschub hat die Ampel eine Milliarde Euro für Schweinehalter reserviert. Gesucht wird aber ein Dauermodell für die gesamte Tierhaltung. Seit 2020 liegt ein Konzept einer anderen Kommission um Ex-Agrarminister Jochen Borchert (CDU) vor, das eine höhere Mehrwertsteuer oder eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte vorschlägt. Das Modell einer schrittweisen Anhebung der Mehrwertsteuer von ermäßigten sieben Prozent bis zum Regelsatz von 19 Prozent ist auch in einem Entwurfspapier der Zukunftskommission genannt, über das zunächst die „Bild“ berichtet hatte. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) begrüßte die Idee umgehend.

Welche Landwirte würden durch solch eine Steuererhöhung benachteiligt werden?

„Der jetzt erneut vorgelegte Vorschlag würde diejenigen bestrafen, die schon heute nach höheren Standards arbeiten“, sagt Bremens Obermeister der Fleischerinnung, Herbert Dohrmann, der auch Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV) ist. Aus Dohrmanns Sicht wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch zwar einfach umzusetzen, sie hätte seiner Meinung nach aber fatale Folgen: „Die Mehrwertsteuer in Euro und Cent ist umso höher, je hochwertiger das Produkt ist. Der prozentuale Aufschlag würde die Preisdifferenz zwischen billig und hochwertig noch vergrößern“, prognostiziert er. „Am Ende würden diejenigen, die Hauptlast des Haltungsumbaus tragen, die schon heute gute Bedingungen mitfinanzieren.“ So sieht es auch der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft: Würden die Produkte der Biobauern überdurchschnittlich teurer, solle dies durch Zusatzprämien an die Höfe ausgeglichen werden.

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Gibt es Alternativen zur Steuererhöhung?

Während der Bauernproteste der vergangenen Monate warb Özdemir offensiv für einen „Tierwohlcent“, der zunächst auch kleiner ausfallen könnte als die von der Borchert-Kommission ins Spiel gebrachte Tierwohlabgabe mit einem denkbaren Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Innerhalb der Ampel-Koalition stieß diese Idee allerdings vor allem beim FDP-geführten Finanzressort auf wenig Gegenliebe.

Welche Forderungen haben die verschiedenen Interessenvertretungen?

Der Bauernverband lehnt eine Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent ab, trägt das Borchert-Konzept aber prinzipiell mit. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte dagegen: „Mehrwertsteuer auf Fleisch hoch, auf Obst und Gemüse auf null: Das wäre eine sofort umsetzbare Maßnahme, die hilft, das Klima zu schützen und gesunde Ernährung zu fördern.“ Bremens Fleischerinnungsobermeister Herbert Dohrmann findet, dass Mittel aus dem Bundeshaushalt gerechtfertigt für den Umbau sind: „Wenn es einen gesellschaftlichen Konsens gibt, die Tierhaltung weiter zu verbessern, dann ist es gerechtfertigt, dass die Gesellschaft als Ganzes dafür aufkommt.“ Dabei darf laut Dohrmann auch über eine Umverteilung von Geld nachgedacht werden, das schon heute alljährlich in die Landwirtschaft fließt: „Wenn die Agrarförderung der letzten Jahrzehnte zu einer Landwirtschaft geführt hat, die eine Mehrheit nicht will, dann muss überdacht werden, ob diese Mittel künftig nicht zumindest teilweise zu einer Umkehr genutzt werden können.“ Es könne nicht richtig sein, dass die Verbraucher mit höheren Steuern belastet werden, nur um noch mehr Milliarden in eine immer industrieller werdende Landwirtschaft zu pumpen.

Was schlägt der Kanzler vor?

Nach dem Gespräch erstmal nichts. Die Regierungskommission kündigte nach der Kanzlerrunde ein baldiges Gesamtpaket mit Vorschlägen an, die von allen Mitgliedern getragen würden.

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Zur Sache

Was auf die Landwirte zukommen kann

EU-Umweltauflage: Für die Höfe entfällt 2024 die Vorgabe, vier Prozent des Ackerlandes brachliegen zu lassen. Die Regierung setzt sich dafür ein, dass das auch in den kommenden Jahren zunächst so bleibt und nicht jährlich neu entschieden werden muss.

Steuern: Angepeilt sind Erleichterungen, wenn Bauern etwa wegen des Wetters nur in manchen Jahren hohe Gewinne machen und dann hohe Steuern zahlen müssen.

Marktstellung: Die Position der Landwirte in der Handelskette bis hin zu den großen Supermärkten soll gestärkt werden - etwa mit einer besseren Markt- und Preisbeobachtung als Grundlage für Verkaufsentscheidungen von Bauern.

Technologien: Die Regierung will prüfen, wie der Einsatz alternativer Antriebe vorankommen kann - auch durch Steuererleichterungen für Kraftstoffe.

Bürokratie: Im Blick stehen Erleichterungen bei Auflagen und Vorgaben, etwa bei Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten für Tierhalter oder bei Düngeregeln.

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