Die hohen Preise für Lebensmittel oder Energie belasten die Haushalte auch weiterhin. Zwar hat die Bundesregierung die Inflation in den vergangenen Monaten durch verschiedene Entlastungspakete deutlich begrenzt. Diese Maßnahmen konnten die steigenden Kosten im vergangenen und auch im bisherigen Jahr allerdings nicht vollständig kompensieren. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Auch wenn viele Löhne und Gehälter in diesem Jahr laut IMK steigen dürften, so rechnet das Institut dennoch mit einem geringeren Nettoeinkommen der Haushalte von durchschnittlich zwei bis drei Prozent. Dieses Minus in den Portemonnaies trifft vor allem den Handel.
Es gebe derzeit sicherlich kein Patentrezept, um die Situation unmittelbar zu entschärfen, sagt Stefan Brockmann, Vizepräses der Handelskammer Bremen und Inhaber eines Möbelgeschäfts. "Insofern beobachten wir die Entwicklung mit einer gewissen Sorge, weil sich die Rahmenbedingungen verfestigt haben." Um mittelfristig etwas zu bewirken, müssten auf jeden Fall die Energiekosten runter, die sich auf alle Bereiche negativ auswirkten und wie ein Dominoeffekt die Wirtschaft lähmten. Die Produktion werde teurer, Verbraucher müssten dies bezahlen und hätten gleichzeitig selber weniger Geld in der Tasche, weil auch sie die höheren Energiekosten tragen müssten. Das funktioniere nicht auf Dauer. Und es reiche nicht, wenn nur ein günstigerer Industriestrompreis auf den Weg gebracht werde.
Sich der Inflation zu entziehen, ist schwer. Denn einer der Treiber sind die nach wie vor hohe Lebensmittel- und Energiepreise. Die Verbraucherpreise stiegen im Juli gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in der vergangenen Woche mitteilte. Nahrungsmittel verteuerten sich im Juli gegenüber dem Vorjahresmonat um elf Prozent. Die Energiepreise zogen um 5,7 Prozent an. Strom verteuerte sich dabei deutlich um 17,6 Prozent, Erdgas legte um 8,5 Prozent zu. Dagegen verbilligten sich Mineralölprodukte, insbesondere leichtes Heizöl (minus 35,5 Prozent). Günstiger als vor einem Jahr waren trotz des dreimonatigen Tankrabatts im vergangenen Sommer auch Kraftstoffe (minus 4,9 Prozent).
Die sogenannte Konsumstimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland verharrt dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge auf niedrigem Niveau. Das bedeutet: Sie halten ihr Geld bei sich, ihre Kauflaune ist gering. Seit Monaten könnten die Werte aus Vor-Krisenzeiten bei Weitem nicht erreicht werden, hieß es am Montag im monatlichen Konsumbarometer des HDE. Der Verband geht davon aus, dass Verbraucher in den nächsten drei Monaten mit mehr Einkommen rechnen. Ein Teil dessen werde aber eher gespart als für den Konsum ausgegeben.
"Die schwierigen Rahmenbedingungen bleiben nicht ohne Folgen für die aktuelle Lage und die Erwartungen der Handelsunternehmen", sagt auch Jan König, Hauptgeschäftsführer vom Handelsverband Nordwest. Knapp ein Viertel der Betriebe verzeichneten einer Umfrage zufolge aktuell deutlich sinkende Besucherzahlen, 35 Prozent rechneten für das zweite Halbjahr mit Umsatzrückgängen. Steigende Erlöse für 2023 im Vergleich zum Vorjahr erwartete nur gut jeder dritte Händler. "Insbesondere in den Innenstädten geraten damit Geschäftsmodelle unter Druck", sagt König. Betroffen hiervon sei auch der mittelständische Nonfood-Fachhandel. Ein Großteil der 9000 Standorte, die in diesem Jahr nach HDE-Schätzung schließen werden, sei diesem Segment zuzurechnen.
Eine steigende Sparquote hänge auch mit einer allgemeinen Verunsicherung zusammen, sagt Vizepräses Brockmann. Dazu habe unter anderem das ganze Hin und Her beim Heizungsgesetz beigetragen. "Was wir benötigen, ist auch eine klare politische Botschaft, dass wir das als Land hinbekommen werden", fordert er. Damit müssten grundlegende Weichenstellungen einhergehen, die einen Bürokratieabbau und mehr Anreize für Investitionen bewirkten.
Die Inflation sei seit Monaten eine Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher, heißt es vonseiten des Statistischen Bundesamts. Ihren höchsten Stand seit der Wiedervereinigung hatte die Teuerung nach überarbeiteten Daten im vergangenen Herbst mit 8,8 Prozent erreicht. Seitdem sinkt die Rate tendenziell. Nach Einschätzung von Volkswirten ist die Inflation aber noch nicht besiegt. Mit einer Rückkehr zu einer Zwei vor dem Komma bei der Teuerungsrate rechnen Ökonomen im Schnitt des kommenden Jahres.
Was zwei bis drei Prozent weniger Kaufkraft bedeuten, hat das IMK am Beispiel einer Familie mit zwei Erwerbstätigen und zwei Kindern und einem jährlichen Bruttoeinkommen von 81.000 Euro (netto 60.200 Euro) berechnet: Der Nettoverlust liegt demnach bei 1747 Euro. Diese Berechnung zeige, dass ein Einsatz der Inflationsausgleichsprämie einen Beitrag zur Begrenzung des Kaufkraftverlusts leisten könne. Makroökonomisch sei es wichtig, dass sich Unternehmen die Prämie "leisten" könnten, damit der Inflationsdruck dort nicht steige.