Bremen. Trotz enorm gestiegener Preise übersteigt die Nachfrage in Bremens Top-Vierteln das Angebot, selbst solvente Kauf- und Miet-Interessenten müssen zunehmend auf andere Quartiere ausweichen. Ein Grund: In den vergangenen Jahren wurden kaum noch neue Häuser gebaut. Damit fehlen auch bezahlbare Wohnungen in der Stadt.
Vor mehr als einen Jahrzehnt hat Thorsten W. Michels als Immobilienmakler in Bremen seine Zelte aufgeschlagen. Ein Altbremer Haus in Schwachhausen, kann sich der Statthalter von Engel&Völkers noch erinnern, kostete damals rund eine dreiviertel Million Mark. "Heute ist längst die gleiche Summe in Euro fällig", sagt Michels. Eine Mietwohnung im gleichen Viertel war vor wenigen Jahren noch für fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter zu haben. Inzwischen werden bis zu 15 Euro fällig, unter zehn Euro sei kaum etwas zu finden. "Auf dem Bremer Markt hat es in den vergangenen beiden Jahren einen gewaltigen Sprung gegeben".
Bundesweit stiegen die Preise um durchschnittlich 5,5 Prozent. In schnell wachsenden und prosperierenden Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München lag der Zuwachs bei zehn, zwölf oder sogar 15 Prozent, in Top-Lagen noch weitaus höher. Wie auch in Bremens besten Wohngebieten. In Schwachhausen mit den vielen historischen Stadtvillen und Altbremer Häusern werden heute nie gekannte Höchstpreise gezahlt. Als Kaufpreis sind 3000 Euro pro Quadratmeter in einem sanierten Altbau inzwischen völlig üblich, bei Neubauten reicht die Spanne sogar bis knapp an die 4000 Euro heran. Kaum günstiger ist Wohneigentum in Horn-Lehe, in Mitte, in Oberneuland und in der Überseestadt zu haben.
Vorbei die Zeiten, als Michels bei Treffen mit Hamburger oder Münchner Kollegen von vergleichsweise günstigen Preisen und einem relativ entspannten Wohnungsmarkt erzählen konnte. Lange seien Immobilien in Bremen eher zu gering bewertet worden, sagt der Makler. "Das hat sich jetzt geändert."
Wie in allen anderen Städten sind die Preise in Bremen zuletzt kräftig in die Höhe geschnellt. Vornehmlich natürlich in den besonders begehrten Wohnlagen, wo eine große Nachfrage auf ein immer knapperes Angebot an freien Wohnungen und Häusern trifft. Wer heute ein typisches Altbremer Haus kaufen wolle, müsse doppelt so viel zahlen als noch vor ungefähr zehn Jahren, hat Michels festgestellt. Ein Mittelreihenhaus in der Schwachhauser Altmannstraße, in bester Lage zwischen Bürgerpark und Wachmannstraße, habe jüngst für eine Million Euro den Besitzer gewechselt. "Dafür hätte es vor drei Jahren noch ein frei stehendes Haus mit großem Garten gegeben."
Höhere Kaufpreise schlagen auch auf die Mieten durch. Für sanierte Altbau-Wohnungen in guter Lage werden von den Eigentümern heute bis zu 15 Euro pro Quadratmeter verlangt, mehr als zehn Euro ist die Regel. Geld ist bei vielen Bremern offenbar ausreichend vorhanden, die hohen Preise schrecken nicht ab. "Es gibt unter allen Interessenten oft sogar mindestens einen, der mehr als den aktuellen Marktwert bietet", sagt Michels.
Als Hauptgrund, warum der Immobilienmarkt derzeit so anzieht und die Nachfrage steigt, sehen Experten neben dem historisch niedrigen Zinsniveau von um die drei Prozent bei einer Baufinanzierung und dem Nachholbedarf in Bremen vor allem die Flucht vieler Anleger aus dem Aktien- und Kapitalmarkt. In Immobilien, so die Hoffnung, ist das Geld besser angelegt
und verspricht solide Wertsteigerungen. Makler Michels geht zwar davon aus, dass die Preisentwicklung vorerst auf dem jetzt erreichten Niveau verharren könnte, der Wertzuwachs aber mittel- und langfristig durchaus weitere 50 Prozent betragen könnte.
Der Immobilienboom zeigt allerdings eine weitere Schattenseite auf. Auch bezahlbarer Wohnraum für Familien mit geringem Einkommen und Single-Haushalte wird in Bremen knapp. Jährlich müssten 1400 neue Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken, hat das "Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot in Bremen" ausgerechnet. Im Bauressort des Senats wird derzeit ein neues Wohnbauförderprogramm erarbeitet, das helfen soll, bis 2020 rund 14000 neue Wohnungen in der Stadt zu bauen – ob das je passiert, ist angesichts der leeren Haushaltskassen eher fraglich.
Nach Zahlen der Arbeitnehmerkammer wurden im Jahr 1995 in Bremen 50 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben, im Jahr 2009 waren es lediglich noch 4,5 Millionen Euro. Ohne eine Förderung seien Neubauwohnungen künftig für viele Mieter nicht erschwinglich, warnt auch die Gewoba als größtes Wohnungsunternehmen der Stadt. Sie baut zwar bis 2015 rund 500 neue Wohnungen – doch zu inzwischen marktüblichen Preisen. In der Überseestadt liegt der Quadratmeter-Monatsbetrag bei 9,50 bis 13,50 Euro, bei anderen Projekten immerhin noch bei 8,10 Euro, hatte Gewoba-Vorstandschef Peter Stubbe Anfang des Jahres angekündigt.