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Private Jacobs-University in Bremen-Grohn Jacobs-Stiftung gibt 85 Millionen Euro frei

Bremen. Die private Jacobs University Bremen (JUB) verhandelt derzeit mit der Stadt um Finanzhilfen. Es geht dabei nicht nur ums Geld, sondern um Grundsätzliches: Soll und darf der Staat einer privaten Uni in Zeiten überschuldeter Haushalte helfen?
29.01.2012, 05:00 Uhr
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Von GÜNTHER HÖRBST

Bremen. Die private Jacobs University Bremen (JUB) verhandelt derzeit hart mit der Stadt um weitere Finanzhilfen. Es geht dabei allerdings schon lange nicht mehr nur um Geld. Im Streit um weitere Finanzhilfen Bremens geht es um Grundsätzliches: Soll und darf der Staat einer privaten Uni in Zeiten überschuldeter Haushalte helfen? Und wie tragfähig ist das Modell einer Privat-Uni hierzulande überhaupt?

In dieser Woche trifft sich Joachim Treusch, Präsident der JUB, mit Vertretern der Stadt, um über eine weitere Unterstützung für seine Universität zu verhandeln. Dabei geht es um einen Millionen-Betrag. Geld, das er eigentlich gar nicht mehr benötigen dürfte. Denn ursprünglich war das Engagement der Stadt auf fünf Jahre begrenzt. So sah es die Vereinbarung vor, die nach dem Einstieg der Jacobs-Stiftung 2006 getroffen wurde. Und die lautete: Die Stiftung überweist fünf Jahre lang je 15 Millionen Euro, die restlichen 125 Millionen Euro fließen 2011, um einen potenten Kapitalstock bilden zu können. Die Stadt wiederum hat zugesagt, fünf Jahre lang jeweils fünf Millionen Euro zu bezahlen. Damals schon gegen politischen Widerstand.

Dass die JUB nun aber noch länger die Hilfe der Stadt beanspruchen möchte, hat zu einem erbitterten Streit geführt. Allen voran schimpfen Linkspartei und die Studentenvertretung Asta gegen das mögliche "Hilfspaket" der Stadt. Wieso einer privaten Universität mit Millionen helfen, wenn die staatlichen Hochschulen mit dem Verweis auf klamme Kassen bei ihren Wünschen stets abgewiesen werden? Dass JUB und Jacobs-Stiftung bei Fragen nach der Finanzlage bislang hartnäckig gemauert haben, hat Skepsis und Gerüchte befördert.

Unstrittig ist: Die Uni in Bremen-Nord ist klamm. Ende 2009 hatte sie ein Defizit von 24,4 Millionen Euro, 2010 sah die Bilanz nur deshalb freundlicher aus, weil die Stiftung in diesem Jahr nach Informationen dieser Zeitung nicht 15 sondern insgesamt 25 Millionen Euro überwiesen hatte. Die restlichen 125 Millionen Euro stehen aber noch aus. Um die Debatte wieder einzufangen, hat sich die Jacobs-Stiftung jetzt erstmals erklärt. Ihre Botschaft: Das Geld fließt. Aber nicht sofort und nicht in voller Höhe.

"Die Jacobs-Stiftung steht vollumfänglich zu ihrer Zusage, die Jacobs University mit insgesamt 200 Millionen Euro zu fördern. Der Betrag wird selbstverständlich ausgezahlt", heißt es in einer Stellungnahme der Stiftung. Uni und Stiftung hätten sich wegen der Auswirkungen der Finanzkrise "auf ein verlängertes Finanzierungsmodell und einen Entwicklungsplan geeinigt, der bis 2017 läuft". Sie reagiere damit auf "die volatilen Entwicklungen der finanz- und weltwirtschaftlichen Lage". Mit anderen Worten: Die Finanzkrise hat der Anlagestrategie der Stiftung einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Über Details des neuen Finanzierungsplans sagte die Stiftung nichts. Informationen dieser Zeitung zufolge wird es jedoch bis 2017 weitere Tranchen von 35 Millionen Euro geben zuzüglich einer Einmalzahlung von 50 Millionen Euro. Damit wäre 2017 die zugesagte Summe von 200 Millionen Euro ausgezahlt. Kenner des Geschäfts mit privaten Hochschulen bezweifeln allerdings, dass die JUB jemals finanziell auf einen grünen Zweig kommen wird. Bernd Kümmel ist so einer.

Er ist Präsident der privaten Apollon-Hochschule für Gesundheitswirtschaft in Bremen und war fünf Jahre lang Vizepräsident und Geschäftsführer der Privat-Universität Witten/Herdecke. Er sagt: "Universitäten sind in Deutschland nur mit privatem Geld nicht überlebensfähig." Er weiß, wovon er spricht: Die Universität Witten/Herdecke ist als reine Privat-Uni gescheitert. Heute wird sie zu einem wesentlichen Anteil vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützt. Kümmel begründet sein Urteil mit den Bedingungen, die eine Universität in Deutschland erfüllen muss. "Sie muss mindestens drei Studiengänge anbieten", sagt er. "Aber entscheidender ist noch, dass sie Grundlagenforschung betreiben muss, um als Universität anerkannt zu werden. Grundlagenforschung aber ist sehr teuer. Und dafür bekommt eine Universität kaum Drittmittel aus der Wirtschaft."

Die JUB ist für Kümmel genau in dieser Falle gefangen. Sie beschäftigt 470 Mitarbeiter, rund 100 sind Professoren. Und weil sie sich Universität nennt, hält sie einen umfangreichen Studienkanon nebst Laboren und Einrichtungen für Grundlagenforschung vor. Aus der Falle herausfinden kann die JUB nach Kümmels Meinung nur, wenn sie sich nicht mehr Jacobs University sondern Jacobs Hochschule nennt und die teure Grundlagenforschung aufgibt. Am besten sei es aber ohnehin, sagt der Apollon-Chef, "wenn sie sich eingesteht, dass sie in dieser Form gar keine private Universität sein kann". Dass sich die JUB private Universität nennt, obwohl sie seit 2006 je nach Wirtschaftslage zehn bis 15 Prozent Staatsanteil am Budget aufweist, regt nicht nur Kümmel auf. Auch der Wirtschaftsforscher Rudolf Hickel sagt: "Die JUB ist keine Privat-Uni. Und sie ist in dieser Form mittelfristig nicht finanzierbar."

Kümmel leitet seit 2006 im Technologiepark Universität eine private Hochschule mit Fernstudien-Konzept. 2100 Studenten werden dort zu Gesundheitsexperten ausgebildet. "Es ist kein Zufall, dass es in Deutschland rund 110 private Hochschulen, aber nur drei private Universitäten gibt. Alle drei Universitäten haben Finanzprobleme", sagt Kümmel. "Private Hochschulen sind hierzulande nur in der Nische überlebensfähig, dort, wo sie ohne große Infrastruktur handverlesen Experten für die Wirtschaft heranbilden können."

Für die JUB bedeutet das: Entweder sie ändert ihr Modell und folgt etwa dem Vorbild der Uni in Witten/Herdecke als Hochschule mit privater Struktur, aber auch staatlichem Geld und somit staatlichem Einfluss. Oder sie schafft es, wie jetzt von der Jacobs-Stiftung angekündigt, ein tragfähiges Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen. Für Kümmel gibt es keinen Weg dazwischen. Die Jacobs-Stiftung argumentiert allerdings auch mit Standortfaktoren. "Die JUB ist fest in der Region verankert und ist inzwischen ein relevanter Faktor für den Wirtschaftsstandort Bremen." Jährlich brächten die Studierenden der JUB über den Länderfinanzausgleich dem Land rund vier Millionen Euro.

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