Public Viewing, Firmenjubiläen, die Einweihung von Gebäuden oder Kampagnen zur Energiewende: Alles wird heute zum Event. Davon leben zahlreiche Unternehmen, die sich auf die Gestaltung von Veranstaltungen spezialisiert haben. Nach Wunsch liefern sie alles – von der originellen Idee bis zum Bierdeckel. Die Eventbranche sieht sich auch als Konjunkturindikator: Wenn die Wirtschaft gut läuft, darf es gern auch etwas mehr sein. Wenn das Geld knapp wird, sind originelle Ideen besonders gefragt.
Bremen. "Um die Menschen wirklich zu erreichen, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen", sagt Christian Seidenstücker, Vorstandsvorsitzender der 1992 gegründeten Joke Event AG. "Es geht darum, Ereignisse zu emotionalisieren und mit solchen Inszenierungen Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit zu erzielen". Joke setzt auf "Urban hacking", ein Konzept, mit dem der Stadtalltag aufgebrochen werden soll, um bei den vorüber eilenden Menschen auch mit kleinem Budget eine große Wirkung zu erzielen und ein möglichst positives Bild in der Presse zu erreichen.
Als in Berlin Parlamentarier über die Energiewende debattierten, flankierte Joke das Thema öffentlichkeitswirksam vor dem Reichstag im Flashmob-Stil mit einer gut gelaunten Menge in gelben Gummistiefeln, die kleine Plakate mit Botschaften zur Energiewende hochhielt. "Ziel war es, mit einem Augenzwinkern den Dialog zwischen den Produzenten und den Gegnern von erneuerbaren Energien in Gang zu setzen", sagt Seidenstücker.
Alle zwei Jahre lässt er seine Beziehungen spielen, um die europaweit preisgekrönte "Wolkenschieber-Gala" mit prominenter Besetzung auf die Beine zu stellen. "Bisher haben wir bei drei Galaveranstaltungen rund eine halbe Million Euro gesammelt, die Bremer Hilfsorganisationen zugute kamen", sagt der Joke-Chef.
Die Branche muss heute viel mehr leisten, als Bestuhlung, Licht- und Tontechnik bereitzustellen. Um in einem schwankenden Markt mit harter Konkurrenz bestehen zu können, müssen sich Veranstaltungsagenturen immer wieder neu erfinden. "Der Markt verändert sich gerade. Altgediente große Player sind verschwunden oder haben Probleme. Es gibt eine Konzentration auf weniger große Anbieter. Auf der anderen Seite gibt es jede Menge neuer Wettbewerber: Kreativagenturen, Spezialanbieter, flexible kleine Einheiten und immer mehr unternehmensinterne Abteilungen", sagt Seidenstücker.
Hybrid-Event als Trend
Die Agentur Joke liegt mit ihrer Größe irgendwo dazwischen. "Wir brauchen eine gewisse kritische Masse, um in den Top Zehn in Deutschland mithalten zu können", sagt Seidenstücker. Die Agentur hat 85 fest angestellte Kräfte für Konzeption, Projektmanagement, Technik, Set-Bau, Lager und Verwaltung. Mit eigenem Personal könne man flexibel reagieren. Das sei in der Branche ein Alleinstellungsmerkmal.
Als "Full Service Agentur" bezeichnen auch Lars Heiser und Tobias Meisner, Geschäftsführer von "Lite Life", ihre Agentur, aber sie verfolgen eine andere Firmenstrategie. Ihr Projektteam besteht aus lediglich zehn festen Mitarbeitern, die sich auf die Entwicklung von Veranstaltungskonzepten konzentrieren. Licht- und Tontechnik, Aufbauhelfer und Servicepersonal sowie Catering werden von externen Partnern zugeliefert. Beim Catering arbeitet Lite Life zum Beispiel mit Grashoff und dem Park Hotel zusammen.
Natürlich habe man die 2008 begonnene Wirtschaftskrise gleich am Anfang gespürt, stellen die Geschäftsführer von Joke und Lite Life einhellig fest. Die Branche sei so etwas wie ein Frühindikator für Wirtschaftskrisen, da Projekte verschoben oder auf Eis gelegt worden wären. "Inzwischen hat sich der Markt aber konsolidiert. Überlebt haben die großen Agenturen", sagt Lars Heiser. "2012 ist ein sehr gutes Jahr für die Branche. Die Unternehmen sind alle gut ausgelastet." Für Christian Seidenstücker war es essenziell, intelligent und flexibel auf die Krise zu reagieren: "Wir haben Unternehmensveranstaltungen im zentral gelegenen Frankfurt statt für drei Tage lediglich für einen Tag konzipiert, um die Kosten für die Kunden zu reduzieren." Das teuerste sei es, den Veranstaltungsort zu mieten, den habe man dann im Anschluss gleich für den nächsten Unternehmenskunden genutzt und damit doppelt verwertet.
Nachhaltigkeit ist der neueste Trend auch in der Eventkultur, erklärt Seidenstücker. Spezialist für sogenannte Hybrid-Events ist bei Joke Michael Leroudier, der zuvor Dax-Unternehmen betreute und erst vor einem Vierteljahr zum dritten Vorstand berufen wurde. Ziel sei es, umweltschonend Flug-Reise-Kosten einzusparen – und nebenbei auch Kosten für die Unternehmen. Via Internet und Intranet würden Veranstaltungen so authentisch und interaktiv inszeniert, dass die Teilnehmer auf verschiedenen Kontinenten das Gefühl hätten, mittendrin zu sein.
Joke dreht auch global am großen Rad mit. "Wir arbeiten auch für Auftraggeber in Shanghai und Peking. Seit 15 Jahren haben wir Kunden in Korea. Bei Unternehmensveranstaltungen mit gemischten deutsch-chinesischen Vorständen gilt es vor allem, die feinen, kulturellen Unterschiede zu beachten", sagt Seidenstücker.
Hochsaison
Normalerweise wird jedes Projekt in der Branche neu ausgeschrieben: "Das ist ein legitimes Mittel, um zu neuen Lösungen und Ansätzen zu kommen. Aber jedes einzelne Projekt auszuschreiben, ist sicher übertrieben und letztlich ineffizient", findet Seidenstücker. Die Agenturen müssen sich mit Konzeptideen bewerben, ein Aufwand mit ungewissem Ausgang. Deshalb freut sich Joke ebenso wie Lite Life über Stammkunden. Für Joke etwa ist das die Sparkasse Bremen, einer der ersten Kunden überhaupt und inzwischen auch Mitinhaber.
Lars Heiser und Tobias Meisner von Lite Life haben gerade Hochsaison. Allein in der letzten Woche liefen zwei Groß-Veranstaltung, die von Lite Life rundum betreut wurden: Der Übersee-Törn und die Windenergie-Messe Windforce, dazu kam das Public Viewing für die Fußball-Europameisterschaft in der Überseestadt, das die Event Marketing Agentur innerhalb von nur zehn Tagen als Eigenveranstaltung stemmte.
Seit zwölf Jahren betreut Lite Life Pressekonferenzen, Tagungen, Jubiläen und Kongresse wie für InBev. Die Eröffnung des Klimahauses in Bremerhaven mit Bob Geldof war ein Höhepunkt. Seit zwölf Jahren betreuen sie die Haake-Beck-Badeinselregatta, die in diesem Jahr wieder am 21. Juli stattfindet. Heiser und Meisner sind breit aufgestellt und betreiben seit 2010 das Hudson Eventloft und den angegliederten Soho Club, für den Meisner verantwortlich zeichnet. Der Bar-Lounge-Betrieb in der Überseestadt wird von Unternehmen und Agenturen aus ganz Deutschland gebucht.
Einen sensiblen Auftrag bereitet Joke gerade vor: die auf September verschobene Einweihung des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven. Einerseits ein Jahrhundertbauwerk, andererseits eine schwierige Baugeschichte. Da muss man für die Feier genau den richtigen Ton treffen. "Jede neue Veranstaltung ist wie eine Premiere, die auf den Punkt genau am Schnürchen funktionieren muss", sagt Seidenstücker.