Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Wiederverwertung Kampf dem Schredder

Bauteilbörsen erhalten gebrauchte Türen, Fenster und andere Baustoffe – so manche historische Rarität lässt sich dort aufspüren.
05.08.2018, 06:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Joachim Göres

Bremen. Das Bauwesen ist in Deutschland mit jährlich mehr als 200 Millionen Tonnen laut Bundesumweltamt der größte Abfallproduzent. Bauteilbörsen wollen etwas dagegen tun: Sie bauen die nach einer Sanierung oder einem Abriss eines Hauses nicht mehr benötigten Materialien aus und transportieren sie kostenlos ab, bereiten sie auf und verkaufen sie weiter. Dadurch sollen alte Baustoffe nicht mehr so oft auf der Deponie landen oder zu einem minderwertigen Recyclingprodukt geschreddert werden.

„Viele suchen bei uns gezielt nach historischen Teilen aus der Zeit, als ihr Haus gebaut wurde. Und viele Anbieter finden es einfach schade, wenn nach einem Abbruch schöne alte Türen einfach auf dem Müll landen würden“, sagt Katrin Fiedler, eine von fünf Mitarbeiterinnen der Bauteilbörse Bremen (www.bauteilboerse-bremen.de).

Mehr als 900 Türen finden sich in der Bauteilbörse der Hansestadt, über die Hälfte des Umsatzes wird damit gemacht. Auch Türbeschläge sind begehrt. Bei Fenstern hält sich das Interesse dagegen in Grenzen – einfachverglaste historische Fenster verwendet man wegen der Optik vielleicht im Schuppen, aber wegen der schlechten Energiewerte nicht in der Wohnung. „Ganz neu oder ganz alt ist gefragt. Teile aus den 60er und 70er Jahren wird man nur schwierig wieder los“, sagt Fiedler. Derzeit bekommt sie mehr Sachen angeboten als nachgefragt werden: „Heute musste ich zweimal bei Waschbecken Nein sagen, weil wir davon derzeit genügend haben.“

Insgesamt scheint die Hochzeit der Bauteilbörsen vorbei zu sein: In den vergangenen Jahren haben Anbieter in Oldenburg, Rheda-Wiedenbrück, Gießen, Köln, Augsburg, Saarbrücken, Weißenburg und Nordhausen aufgegeben. „In den Bauteilbörsen haben mal 1200 Menschen gearbeitet. Mit Zuschüssen der Agentur für Arbeit ist 200 Menschen der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt gelungen. 2012 wurden diese Gelder gestrichen, danach war in vielerorts leider Schluss“, sagt Ute Dechantsreiter. Die Architektin war 2001 in Bremen Mitgründerin der ersten und größten Bauteilbörse und ist heute Geschäftsführerin des Bundesverbandes Bauteilnetz Deutschland, dem Bauteilbörsen in Bremen, Hannover, Luckenwalde, Herzogenrath und Gronau angehören. Sie bieten gebrauchte Materialien auch unter www.bauteilnetz.de an.

In Gronau an der niederländischen Grenze ist die städtische gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft „Chance“ Träger der Bauteilbörse. In Kooperation mit Abrissunternehmen werden nicht mehr benötige Bauteile von Mitarbeitern der Bauteilbörse aus Abbruchhäusern und Gebäudeumbauten ausgebaut – dies ist Teil der Qualifizierung zur „Fachkraft für die Bauteile-Wiederverwertung“. Als schwierig gilt vor allem der Ausbau von Parkett- und Dielenböden, Fensterbänken, Metallkonstruktionen und Treppen, ohne dass dabei Schäden entstehen. Probleme bereiten häufig zudem der Transport der schweren Teile sowie die sachgerechte Lagerung.

Außer den Bauteilbörsen gibt es rund 30 gewerbliche Händler, die sich im Unternehmerverband Historische Baustoffe zusammengeschlossen haben. Dazu gehört auch Gert Bose mit seinen antiken Baustoffen aus Martfeld-Bügelshausen 30 Kilometer südlich von Bremen (www.bose-antike-baustoffe.de). Bose reißt im Umkreis von 100 Kilometern Fachwerk- und Rotsteingebäude ab und kauft unter anderem alte Eichenbalken, Mauersteine und Pflasterklinker an. Er hat historischen Sandstein für den St. Petri-Dom in Bremen und Eichenbalken für den Barkenhoff in Worpswede geliefert.

„Diese Betriebe interessieren sich aber nur für Baustoffe bis 1940. Die Bauteilbörsen nehmen dagegen auch jüngere Materialien an“, sagt Dechantsreiter. Sie weiß, dass Bauteile nach einem Abriss oder einem Umbau nach Stoffen sortiert werden, um sie nach Möglichkeit zu recyceln. Dechantsreiter betont: „Viel besser als das Recycling zu einem minderwertigen Produkte ist die Sicherung und der Wiedereinsatz von gebrauchten Baumaterialien. Diese Aufgabe sollten die städtischen Bauhöfe übernehmen. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz steht die Abfallvermeidung an erster Stelle, das müsste endlich ernst genommen werden.“

Laut Bauteilnetz können durch eine Bauteilbörse, die pro Jahr rund 2500 gebrauchte Objekte verkauft, insgesamt 140 Tonnen Bauabfälle vermieden werden. Bauteilbörsen haben in einer Studie zwölf Rückbauprojekte näher unter die Lupe genommen, bei denen in den letzten Jahren intakte Baustoffe vor einem Abriss oder einer Sanierung ausgebaut und später wiederverwendet wurden. Dabei wurden 144 000 Kilo Rohstoffe, 29 000 Kilo CO²-Emissionen und 151 000 Kilowattstunden Energie eingespart.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)