In den internen Papieren des Kaufhof-Managements wird ein düsteres Bild gezeichnet. Von einer „ausgeprägten Ertragskrise“ des Unternehmens ist die Rede und davon, dass Deutschlands größter Warenhauskonzern „kurz- bis mittelfristig in einer substanziellen wirtschaftlichen Notlage verbleiben“ werde, wenn man nicht gegensteuere. Wer hat dafür gesorgt, dass die Dokumente jetzt publik werden?
Unter Eingeweihten kursiert die Vermutung, dass René Benko, Eigner des Rivalen Karstadt, dahintersteckt. Sein Ziel könnte sein, endlich den Konkurrenten zu schlucken, um die Deutsche Warenhaus AG zu schmieden. Der Reihe nach: Schon 2015 wollte Benko dem deutschen Metro-Konzern Galeria Kaufhof mit 115 Häusern in Deutschland und Belgien abkaufen. Doch die kanadische Hudson’s Bay Company (HBC) bekam für knapp drei Milliarden Euro den Zuschlag.
Damals wurden große Versprechen gemacht, das größte: Das Management wollte eine Milliarde Euro investieren, um die Filialen attraktiver zu machen. Sie hatten sich vorgenommen, auf Luxus zu setzen – mit Nobelmarken, die in USA und Kanada angesagt sind. Kaufhof sollte zur Speerspitze der HBC-Expansion auf dem Alten Kontinent werden. Den Arbeitnehmervertretern wurde Tariftreue für mindestens fünf Jahre, also bis 2020, versprochen.
HBC hat tatsächlich auch in Europa investiert. „Doch bei Kaufhof ist kaum etwas von dem Geld angekommen“, so ein Insider. Die Mittel flossen offenbar vor allem in den niederländischen Ableger und in die neue Kette namens Saks Off 5th – das sind sogenannte Designer-Outlets in besten Innenstadtlagen. Die Strategie ist nicht aufgegangen. Vorige Woche meldete HBC, dass man im Europageschäft im enorm wichtigen vierten Quartal 2017 Umsatzeinbußen von 3,4 Prozent hinnehmen musste.
Hauptgrund war nach Einschätzung von Experten, dass die Kundschaft im Weihnachtsgeschäft in den Kaufhof-Häusern nicht gerade beherzt zugegriffen hat, obwohl bei den Verbrauchern das Portemonnaie so locker saß wie lange nicht mehr. Die Warenhauskette soll 2017 in der betrieblichen Tätigkeit einen Verlust von rund 100 Millionen Euro gemacht haben. Jetzt wird in dem internen Papier, aus dem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitiert, eindringlich gewarnt: „Ohne Gegenmaßnahmen droht die Zahlungsunfähigkeit.“
Geldhäuser verlangten Sicherheiten
Wie konnte es so weit kommen? Unter den Fittichen des Handelsgiganten Metro haben die Warenhäuser über Jahre relativ stabile Umsätze von rund 2,8 Milliarden Euro eingefahren. Das Unternehmen konnte seine Investitionen aus eigenen Mitteln bestreiten. Zudem lieferte Galeria Kaufhof stetig einen – wenn auch bescheidenen – Gewinn an die Mutter Metro ab. Mit der Übernahme durch den kanadischen Konzern wurde vieles anders.
HBC verhält sich wie ein Finanzinvestor, der sich den Kauf des Unternehmens vom Unternehmen selbst finanzieren lässt, heißt es. Das soll das operative Geschäft geschwächt und viele Filialen in die roten Zahlen gedrückt haben. Der komplette Kaufpreis wurde von mehreren Banken zur Verfügung gestellt. Die Geldhäuser verlangten Sicherheiten.
Dazu dienen die Warenhausimmobilien, die einem Konsortium gehören, in dem HBC die Mehrheit hat. Um den Wert der Häuser in den Büchern hochzuschrauben, wurden die Mieten, die an die Immobiliengesellschaft überwiesen werden, insbesondere bei Standorten in erstklassigen Großstadtlagen, deutlich nach oben geschraubt.
Viele Filialen konnten dann aber den Umsatz nicht entsprechend erhöhen. So rutschten sie in die roten Zahlen. Die Banken sind längst alarmiert. Das Kaufhof-Management versuchte schon im Herbst, das Ruder herumzureißen. Der Tariftreueschwur galt plötzlich nicht mehr. Mit einem Sanierungstarifvertrag sollten die Personalkosten der rund 21.000 Beschäftigten massiv gedrückt werden.
Ein erster Schritt: Bis 2020 will man die Belegschaft der Kölner Zentrale um 400 auf 1200 Frauen und Männer reduzieren. Kürzlich wurde zudem die Stundung des Urlaubsgeldes und der anstehenden Erhöhung der Tarifgehälter ins Spiel gebracht. Verdi hat dies entschieden abgelehnt. Zudem wurde ein Wirtschaftsprüfer mit einem Gutachten über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens beauftragt.
Am Freitag nächster Woche, 13. April, will die Tarifkommission von Verdi über das Papier diskutieren und entscheiden, ob Kaufhof tatsächlich ein Sanierungsfall ist, der es rechtfertigt, dass der Warenhauskonzern aus dem Flächentarifvertrag zumindest zeitweise aussteigt. Die Gewerkschafter sind indes äußerst skeptisch – nicht nur wegen überhöhter Mieten und fehlender Investitionen.
Die Luft wird dünner
So hat Stefanie Nutzenberger vom Verdi-Bundesvorstand schon vor geraumer Zeit eine „verfehlte Rabattpolitik“ und eine „nicht erkennbare Verkaufsstrategie“ bemängelt. Auch Bernhard Franke, Verhandlungsführer der Gewerkschaft, vermutet, „dass massive Managementfehler in der Vergangenheit gemacht wurden“. Er fordert: „Das operative Geschäft muss massiv gestärkt werden. Nur so können die Arbeitsplätze gesichert werden. Wir wollen wissen, welche Beiträge die Kapitalseite dabei leisten will.“
Die Kaufhof-Führung hat bislang zwar abermals von der „Modernisierung der Filialen“ oder von der Verzahnung von „On- und Offline-Auftritt“ gesprochen, aber keine Details genannt. Karstadt-Eigner Benko setzt derweil offenbar darauf, dass die HBC-Aktionäre von all dem nichts mehr wissen wollen und die Geduld verlieren.
Von ihm liegt seit Herbst eine Offerte für Kaufhof vor, die rund 200 Millionen Euro über dem Preis liegt, den HBC einst zahlte. Benkos Plan mit der Deutschen Warenhaus AG liefe mutmaßlich darauf hinaus, die Zahl der Standorte massiv zu reduzieren, um frei werdende Immobilien anderweitig verwerten zu können. Bislang hat sich HBC-Verwaltungsratschef Richard Baker aber geweigert, mit Benko zu verhandeln. Doch die Luft wird dünner.