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Ungewisse Zukunft Kein grüner Stahl aus Bremen: Senat kritisiert Arcelor-Mittal

Die Zukunft des Bremer Stahlwerks ist ungewiss: Arcelor-Mittal zieht die geplante Investition zurück. Der Senat zeigt sich enttäuscht und verärgert.
19.06.2025, 14:55 Uhr
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Von Christoph Barth Lucas Brüggemann

Der Stahlkonzern Arcelor-Mittal will sein Bremer Werk vorerst nicht auf die Produktion von grünem Stahl umrüsten. Am Donnerstag gab das Unternehmen bekannt, „dass es seine Pläne zur Dekarbonisierung der Flachstahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt leider nicht weiterverfolgen kann“. Als Grund nannte Arcelor-Mittal die aktuelle Situation auf dem Stahlmarkt sowie die „fehlende Wirtschaftlichkeit einer CO2-reduzierten Stahlproduktion“. Der Konzern führte insbesondere die hohen Strompreise in Deutschland an.

„Die europäische Stahlindustrie steht derzeit unter einem noch nie da gewesenen Druck“, so Geert Van Poelvoorde, Europa-Chef von Arcelor-Mittal, in einer Mitteilung des Konzerns. Grund seien die hohen Importe von Stahl, die vor allem aus China auf den europäischen Markt drängen. Erst wenn diese Importe halbiert seien, könne die Branche Investitionen in die Dekarbonisierung vorantreiben.

Bleibt das Werk jetzt noch wettbewerbsfähig?

Die Umrüstung der Bremer Hütte galt als Voraussetzung dafür, dass das Werk wettbewerbsfähig bleibt. „Es ist natürlich sehr beunruhigend, dass dieses Ziel jetzt erst mal außer Sichtweite ist“, sagt Mike Böhlken, Betriebsratsvorsitzender von Arcelor-Mittal Bremen. „Die Belegschaft stand voll dahinter – jetzt erwarten wir vom Vorstand klare Fakten, wohin die Reise geht.“

Geplant war, die Produktion von Roheisen und Stahl bis Mitte der 2030er-Jahre auf klimaneutrale Verfahren umzustellen. Die Bundesregierung und das Land Bremen hatten für den Bau der erforderlichen Anlagen Fördermittel in Höhe von 840 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Bauarbeiten sollten im Juni beginnen. Stattdessen hat Arcelor-Mittal dem Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt, dass es seine Investitionspläne nicht weiter verfolgen werde.

IG Metall: Absage an die Zukunft

„Diese Nachricht fühlt sich an wie eine Absage an die Zukunft“, sagt die Bremer IG-Metall-Chefin Ute Buggeln. Man habe mit dem Unternehmen eine Verständigung über einen gemeinsamen Weg zum grünen Stahl gefunden, hinter der alle Beschäftigten stünden. „Wie will man denn mit einer Belegschaft weiterarbeiten, wenn man ihr die Perspektive auf eine gute Zukunft nimmt?“ Für kommende Woche plant die Gewerkschaft eine große Kundgebung vor dem Werk.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) spricht von einem „schweren Schlag für den Bremer Wirtschaftsstandort und für die Zukunft der Hütte“. Vor allem aber sei es ein schwerer Schlag für die Beschäftigten und ihre Familien. „Wir werden die Stahlbosse nicht aus der Verantwortung lassen“, kündigt Bovenschulte an.

Aktuelle Strompreise in Deutschland ein Problem für Arcelor-Mittal

Kernstück der geplanten Umrüstung der Hütte sollte der Bau einer Direktreduktionsanlage (DRI) sein, in der Eisenerz mithilfe von klimaneutralem Wasserstoff in Roheisen umgewandelt wird. Dafür sollten die beiden kohlebetriebenen Hochöfen stillgelegt werden. Von diesen Plänen hatte sich Arcelor-Mittal schon vor einigen Monaten weitgehend verabschiedet. Wasserstoff sei noch keine tragfähige Energiequelle und Erdgas als Übergangslösung nicht wettbewerbsfähig, so der Konzern.

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Die Belegschaft hatte gehofft, dass zumindest der zweite Teil des Investitionsvorhabens umgesetzt werden würde: der Bau eines Elektrolichtbogenofens, in dem aus dem Roheisen mithilfe von Strom Stahl erzeugt wird. Doch die aktuellen Strompreise in Deutschland seien „sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern hoch“, so der Konzern. Die ersten neuen Elektrolichtbogenöfen sollen deshalb in Ländern gebaut werden, die eine „wettbewerbsfähige und planbare Stromversorgung“ bieten könnten. Arcelor-Mittal hat im Mai angekündigt, den nächsten Elektroofen in Dünkirchen (Frankreich) zu bauen.

Vogt: Schwerer Rückschlag für den Industriestandort

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) zeigte sich verärgert von der Absage. „Die Entscheidung von Arcelor-Mittal ist gegenüber den Beschäftigten verantwortungslos und industriepolitisch falsch“, sagt sie. „Ich erwarte, dass der Konzern jetzt schnell einen klaren Plan für den Standort Bremen auf den Tisch legt, der sowohl die Zukunft des Werkes wie auch der Arbeitsplätze sichert.“

Auch die Bremer CDU, die die Förderung des Umbaus aus dem Landesetat mitgetragen hatte, spricht von einer „bitteren Entscheidung“. Deutschland brauche vor allem einen dauerhaft wettbewerbsfähigen Industriestrompreis, so Theresa Gröninger, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Die FDP, die gegen die Subventionen war, sprach von einem „Desaster“. Die Zukunft des Stahlwerks entscheide sich „nicht im rot-grün-roten Märchenland oder am Gummibärchen-Rückgrat der Bremer CDU, sondern an knallharten Marktbedingungen“, so Fraktionschef Thore Schäck.

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