Bremen/Brake. Sie sind schon von Weitem am kräftigen grünen Farbton zu erkennen – die Lastwagen von Kieserling. Daran wird sich auch nach dem erneuten Verkauf des Bremer Logistik-Traditionsunternehmens nichts ändern, auch der Kieserling-Schriftzug bleibt erhalten. Und die Spedition Kieserling, die 1927 in Bremen gegründet wurde, sowie die Kieserling Personallogistik werden weiterhin mit der Region verbunden bleiben. Denn die Compass Logistics International AG (CLI) hat die Kieserling-Unternehmensbereiche zum Jahreswechsel an L.I.T. verkauft – und der Logistiker hat seinen Stammsitz in Brake.
Nicht vom Verkauf betroffen ist die 2004 gegründete Kieserling-Stiftung, die verschiedene Projekte aus den Bereichen Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Erziehung mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Verkehrswirtschaft und Logistik fördert. Die Stiftung war bereits beim ersten Verkauf an CLI völlig unabhängig von den Kieserling-Unternehmensbereichen. Allerdings hatte die Stiftung damals die Mehrheit an der Kieserling-Firmengruppe. Und bis heute gibt es Streitigkeiten darüber, ob das Unternehmen damals an CLI unter Wert verkauft wurde.
Was die aktuelle Entwicklung angeht, werden die 800-Kieserling-Mitarbeiter von L.I.T., das für Logistik-Information-Transport steht, komplett übernommen. L.I.T. zählt mit 1000 Lkws, 2000 Wechselbrücken und 700 Trailern nach eigenen Angaben zu den deutschen Marktführern im Komplettladungsbereich, der sich dadurch auszeichnet, dass es bei Gütertransporten nur einen Absender und nur einen Empfänger gibt. Einer der prominenten L.I.T.-Kunden aus der Region ist der Getränkehersteller Vilsa aus Bruchhausen-Vilsen, für die das Braker Unternehmen seit Sommer 2017 als Generalspediteur unterwegs ist. Die 1988 gegründete Firma beschäftigt 900 eigene Lkw-Fahrer. Mit Übernahme der abgespalteten CLI-Firmen wächst die Braker Unternehmensgruppe auf insgesamt 2400 Mitarbeiter. „Unseren Fuhrpark werden wir mit der Übernahme um etwa zehn Prozent vergrößern“, sagte Simeon Breuer aus der L.I.T.-Geschäftsführung.
Den Verkauf von Kieserling begründet CLI mit einer Neuausrichtung ihres Deutschlandgeschäftes. Künftig will sich CLI stärker auf Spezialmärkte im Bereich der Kontraktlogistik, auf Luft- und Seefracht sowie die internationale Projektlogistik fokussieren, sagt Michael Müller, Inhaber und geschäftsführender Vorstand von CLI. Außerdem investiere der Logistik-Unternehmer künftig stärker in die Entwicklung moderner Logistikzentren. Mit einem bereits im Bau befindlichen, vierten multifunktionalem Logistikzentrum im Bremer Güterverkehrszentrum, das Ende 2018 fertiggestellt sein wird, will der CLI-Chef das Investment in großflächige Logistikanlagen in der Hansestadt fortsetzen.
Kieserling wurde 2013 übernommen und war damals laut Müller eine sanierungsreife Spedition. „Die Sanierung ist aber erfolgreich abgeschlossen und das Unternehmen neu aufgestellt.“ Was die Streitigkeiten des damaligen Verkaufspreises angeht, hat die Kieserling-Stiftung im vergangenen Jahr einen Teil ihrer früheren Vorstände auf Schadenersatz verklagt. Der vorläufige Streitwert wird laut Klageschrift der Anwälte der Stiftung auf mehr als 9,3 Millionen Euro beziffert. Die Kieserling-Gruppe, die zum Zeitpunkt des Verkaufs aus 13 Töchtern und Beteiligungen bestand, ging zu einem Kaufpreis von drei Millionen Euro an CLI über. 2014 war bereits bekannt geworden, dass sich die Staatsanwaltschaft damit auseinandersetzt, ob die Firmengruppe unter Wert verkauft worden war und ob bei dem Verkaufsprozess alles korrekt abgelaufen ist. Das Verfahren sei noch anhängig, hieß am Donnerstag vonseiten der Staatsanwaltschaft.
Den aktuellen Verkauf von Kieserling begründet CLI auch damit, sich von Standorten mit hohem Transportaufkommen trennen zu wollen. Einer der Beweggründe dafür seien dramatisch veränderte Rahmenbedingungen auf dem nationalen Transportmarkt. „L.I.T. besitzt etwas, das in Deutschland zurzeit mehr als knapp ist – Transportkapazitäten“, sagt Müller. So könnten seine bisherigen Kunden dort auch benötigte Transportressourcen in Anspruch nehmen.
Für Fokke Fels, Gründer und Vorstand der L.I.T. AG, bedeutet die Übernahme auf jeden Fall „ein großer Schritt für unser Unternehmen". Dadurch werde die Standortpräsenz deutschlandweit ausgebaut und das Dienstleistungsportfolio von L.I.T im Bereich Kontraktlogistik erweitert. Die Zahl der L.I.T.-Standorte in Deutschland werde sich um neun auf 41 vergrößern.