Die Entscheidung über den Bau einer Direktreduktionsanlage am Stahlwerk in Bremen wird voraussichtlich Mitte 2025 fallen. Das machte Thomas Bünger, Deutschlandchef der Stahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt, beim Medientag von Arcelor-Mittal in Berlin deutlich. Mit Blick auf dieses entscheidende Datum gab sich Bünger optimistisch: "Wir gehen davon aus, dass wir eine positive Investitionsentscheidung erwirken werden. Sonst würden wir nicht Ingenieurleistungen in einem erheblichen Maß in die Detailplanung der Anlage stecken."
Insgesamt sollen für den klimaneutralen Umbau der Bremer Hütte Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro notwendig sein. Rund die Hälfte, etwa 1,3 Milliarden Euro, werden in einem solchen Fall durch den Bund und durch das Land Bremen gefördert. Entsprechende Bescheide liegen bereits vor. Die andere Hälfte trägt der Konzern mit Sitz in Luxemburg selbst. Insgesamt können durch die Umstellung der deutschen Stahlindustrie etwa 55 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht etwa 7,2 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen.
Energiepreise sind entscheidend
Das Hauptproblem für den Konzern: "Die aktuellen Kosten und die zukünftigen Preisprognosen für Energie und Wasserstoff stellen eine erhebliche Herausforderung dar“, betont Bünger. Nur wenn international wettbewerbsfähige Preise für erneuerbare Energien sowie Wasserstoff in ausreichender Menge langfristig gewährleistet seien, könne die Umstellung auf eine CO2-neutrale Stahlproduktion in Deutschland gelingen.
Was das bedeutet, machten Bünger und André Körner, Geschäftsführer von Arcelor-Mittal in Deutschland, deutlich. Für den Betrieb der Elektrolichtbogenöfen benötige man einen Strompreis von etwa fünf Cent pro Kilowattstunde, so Bünger. Bei dem künftig benötigten Mengen würde schon ein Cent mehr Mehrkosten in Millionenhöhe für das Unternehmen bedeuten. Beim Wasserstoff erfordere eine wettbewerbsfähige CO2-freie Roheisenproduktion einen Preis von etwa zwei Euro pro Kilogramm Wasserstoff. Derzeit liege das Niveau aber bei etwa sieben bis neun Euro pro Kilo. Zudem seien derzeit die erforderlichen Mengen am Markt noch nicht in Sicht.
In der Übergangsphase kann eine Direktreduktionsanlage auch mit Erdgas betrieben werden. Auch das würde bereits erheblich dazu beitragen, die CO2-Emissionen des Werks zu senken - etwa um 60 Prozent. Das sei trotz der dann noch fälligen Emissionsabgaben wirtschaftlich, so Körner. Das Problem: Im Förderbescheid wird durch die EU-Kommission in Brüssel konkret vorgeschrieben, zu welchem Zeitpunkt die Direktreduktionsanlage mit grünem Wasserstoff betrieben werden muss. Aber was geschieht, wenn sich die Preise von Wasserstoff nicht entsprechend entwickeln, weil die erforderlichen Mengen am Markt nicht bereitgestellt werden können? "Das ist allein das Risiko des Unternehmens", erklärt André Körner. Mit anderen Worten: Die Rückzahlung von Fördermitteln droht.
Der geplante Bau der Direktreduktionsanlage in Bremen und der Neubau von drei Elektrolichtbogenöfen, zwei in Eisenhüttenstadt und einer in Bremen, wird nicht der einzige Weg sein, den der Konzern hin zur klimaneutralen Stahlerzeugung im Jahr 2050 beschreiten wird. So arbeitet Arcelor-Mittal daran, Schrott durch bessere Sortierung und Trennung maximal zu nutzen. Das Problem sei allerdings, dass keine ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, so Körner.
Aber auch die Themen Kohlenstoffabscheidung (CCS) und Kohlenstoffnutzung (CCU) hat der Konzern im Blick. Am Standort im französischen Dünkirchen wird bereits Gichtgas aufgefangen und gespeichert, im belgischen Gent wird Kohlenmonoxid aus Hochofengas abgetrennt und in Ethanol umgewandelt. "Es gibt keine Einzellösung, es ist ein breites Portfolio an technologischen Optionen erforderlich, die einzeln oder in Kombination eingesetzt werden können", macht André Körner deutlich.
Anreize für klimafreundlichen Stahl
Ein weiteres Thema, das Arcelor-Mittal umtreibt, ist die Frage, wie denn klimafreundlicher Stahl am Markt durchgesetzt werden kann. Nach einer Berechnung der Boston Consulting Group trage die Umstellung auf nahezu emissionsfrei hergestellten Stahl zu einer Verteuerung - je nach Produkt - von 0,1 bis 5,5 Prozent bei. Während der Aufschlag im Bereich Baustahl offenbar relativ niedrig ausfällt, dürfte er bei Haushaltsgeräten, die zu etwa 25 Prozent aus Stahl bestehen, schon deutlich spürbar sein.
Um den Absatz des klimafreundlichen Stahls zu fördern, sei es hilfreich, ein entsprechendes Kennzeichensystem zu etablieren, erklärt Deutschland-Chef Bünger. Damit könnten zusätzliche Anreize gesetzt werden, zum Beispiel bei öffentlichen Ausschreibungen oder bei der staatlichen Beschaffung. Außerdem müsse entschieden gegen Wettbewerbsverzerrungen vorgegangen werden. Dazu gehört, die noch bestehenden Schwachstellen zu schließen, um effektiv das Risiko einer Abwanderung der Stahlerzeugung in Länder außerhalb Europas zu reduzieren.