Airbus verschiebt seine Pläne für ein klimaneutrales Flugzeug mit Wasserstoffantrieb um zehn Jahre. Arcelor-Mittal plant für seine europäischen Hüttenwerke erst mal ohne Großöfen, die grünen Stahl mithilfe von Wasserstoff herstellen können. Der Bremer Fahrzeugausrüster Enginius lässt seine Pläne für ein neues Werk, in dem Lkw mit Wasserstoffantrieb vom Band laufen sollen, bis auf Weiteres in der Schublade. Ein Flugzeugbauer, ein Stahlkocher, ein Lkw-Hersteller – alle hatten sie einen Plan, wie der Umstieg in eine klimaneutrale Wirtschaft gelingen könnte. Und alle legen diesen Plan vorerst beiseite. Es sieht gerade nicht gut aus für die grüne Industrie der Zukunft.
Dabei ruhen auf dem Wasserstoff viele Hoffnungen in der deutschen Wirtschaft, deren bald schon chronische Schwäche eines der zentralen Themen des Bundestagswahlkampfes war. Dem einstigen Exportweltmeister droht in seinem gegenwärtigen Formtief der Abstieg, so die verbreitete Wahrnehmung. Laut einer Befragung der Forschungsgruppe Wahlen halten 39 Prozent der Bundesbürger die Wirtschaftslage für das gegenwärtig wichtigste Problem in Deutschland – nur noch 15 Prozent den Klimaschutz.
Im politischen Diskurs gewinnen diejenigen die Oberhand, die die Wirtschaft von Auflagen und Abgaben befreien wollen, damit sie ihre Kräfte voll entfalten möge. Der rücksichtsloseste Vertreter dieser Denkweise sitzt seit einem guten Monat im Weißen Haus: Klimaschutz ist Donald Trump und seinen Einflüsterern egal, ebenso wie Verbraucher-, Arten- oder Datenschutz – Hauptsache, die Börsenkurse steigen. Wie Schulhofschläger zwingen sie allen Umstehenden ihre Interessen auf und haben damit – wie das bei roher Gewalt oft so ist – vorerst Erfolg.
Hoffnung auf "grüne Wirtschaft" bekommt Dämpfer
In Deutschland sind auch die wirtschaftsfreundlichsten Vertreter von diesem Maß an Rücksichtslosigkeit zum Glück ein gutes Stück entfernt. Bis auf die AfD bestreitet niemand Existenz und Gefahren des Klimawandels. Und so machte sich die Wirtschaft mehr oder weniger bereitwillig auf den Weg in eine grüne Zukunft, in der Ökostrom und Wasserstoff die fossilen Brennstoffe ersetzen soll. Die scheidende Bundesregierung mit ihrem grünen Wirtschaftsminister förderte den Übergang mit Milliardensummen. Die „green economy“ sollte den Zielkonflikt zwischen einer florierenden Wirtschaft und der Rettung des Weltklimas überbrücken. Die Feuer in den Öfen würden weiter brennen, Motoren und Triebwerke auf Hochtouren laufen, nur eben mit Wasserstoff betrieben statt mit Kohle, Diesel oder Kerosin.
Doch diese Hoffnung bekommt gerade einen Dämpfer. Denn das grüne Wirtschaftsmodell beruht auf der Annahme, dass die Preise für die neuen Energien sinken und halbwegs konkurrenzfähig werden im Vergleich mit den fossilen Energieträgern. Bislang gibt es keinen Markt für grünen Wasserstoff, der einen verlässlichen Preis ermitteln würde. Doch die Investitionsentscheidungen müssen jetzt getroffen werden. Und im Moment deutet nicht sehr viel darauf hin, dass der Wasserstoff schnell ein konkurrenzfähiges Preisniveau erreichen wird.
Und wenn die einen sich an Klimaschutzverträge – mit all ihren Regularien, Auflagen und Kosten – nicht mehr halten und ihre Wirtschaft stattdessen weiter mit billigem Öl und Gas befeuern, haben die mit dem teuren Wasserstoff im Konkurrenzkampf keine Chance. Deshalb scheitern ihre Projekte gerade reihenweise.
Soll die Schlacht nicht ganz verloren gehen, bleibt wohl nur ein taktischer Rückzug: auf längere Übergangsfristen etwa und vorübergehend großzügigere Umweltstandards bei der Produktion des Wasserstoffs. Die neuen Direktreduktionsanlagen der Stahlindustrie etwa lassen sich statt mit Wasserstoff auch mit Erdgas betreiben, was immerhin schon mal eine erhebliche Verbesserung mit sich brächte gegenüber den alten Kohle-Hochöfen. Und Wasserstoff lässt sich auch aus Methan gewinnen; das anfallende CO2 kann in alten Gaslagerstätten unter dem Meer gespeichert werden. Nicht die sauberste Lösung – aber die Alternative wäre, den Schulhofschlägern das Terrain zu überlassen.