Sehr ernüchternd. So beschreibt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Torben Klarl seine erste Reaktion auf das Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen. Zwar hat das unabhängige Gremium einen "beschleunigten Rückgang" beim Ausstoß von Treibhausgasen festgestellt, doch die Klimaziele für 2030 können "ohne wesentliche Anpassungen" nicht erreicht werden. Am Mittwoch wurde das Gutachten vorgestellt, in dem Klimaschutzmaßnahmen bewertet werden. "Es zeichnet ein pessimistisches Bild. Für Bremen komme ich zu ähnlichen Schlussfolgerungen", sagt der Vorsitzende des Bremer Sachverständigenrates Klima.
Industrie und Verkehr tragen in Bremen zu hohen Treibhausgasemissionen bei. In den Gebäuden werden weiter Öl- und Gasheizungen eingebaut. Außerdem werden weiter viele neue Autos zugelassen, die noch lange mit Benzin oder Diesel unterwegs sein dürften. "In dem Papier stehen viele Hausaufgaben für den Gebäude- und Verkehrssektor drin", sagt der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen.
Was bedeutet das Klima-Gutachten für die Wirtschaft?
Der Expertenrat zweifelt daran, dass Deutschland den Schwenk zum emissionsarmen Wirtschaften ohne Strukturwandel schafft. Für den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sehen die Studien, die der Expertenrat ausgewertet hat, einen Investitionsbedarf von 135 bis 255 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht 3,2 bis sechs Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Wirtschaftsministerium teilt die Auffassung. Aber ein beachtlicher Teil würde ohnehin bei Modernisierungen ausgegeben, sagte der Rat. Da auch die Privatwirtschaft investiere, werde für den Staat wohl eine Finanzierungslücke im Umfang eines mittleren bis zweistelligen Milliardenbetrags pro Jahr bleiben.

Torben Klarl, Vorsitzender des Bremer Sachverständigenrates Klima.
Investitionen und Bauen müssen nachhaltig gestaltet werden. Klarl nennt etwa die gut 250 Millionen Euro teure Förderung des Senats für Umrüstung des Stahlwerks von Arcelor-Mittal "nicht nachhaltig". Der Grund: Der Betreiber selbst habe noch nicht entschieden, welche europäischen Standorte für die Produktion von "grünem Stahl" umgerüstet werden. Das Geld wäre besser in der Forschung und Entwicklung aufgehoben gewesen.
Klimaförderung der Regierung benachteiligt Arme
Ein weiterer wichtiger Punkt in dem Gutachten ist die soziale Ungerechtigkeit der Förderprogramme. Die Kosten für das Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen werden mit der CO₂-Bepreisung weiter steigen. Doch gerade Menschen mit wenig Geld können sich nicht einfach ein Elektroauto kaufen oder eine Wärmepumpe zulegen – selbst, wenn es staatliche Förderung gibt. "Von den Förderprogrammen profitieren oft die Reichen. Die Kosten tragen dann alle und die Armen sind stärker davon betroffen", betont Klarl. Wie auch der Expertenrat fordert der Bremer Professor, dass sich das für die Akzeptanz der Maßnahmen ändern müsse.
Umgestaltete Förderprogramme, die öffentliche Infrastruktur klimafreundlicher machen oder staatliche Ausgleichszahlungen wie das Klimageld seien Lösungen. "Das Klimageld (Anm. die Ampel-Koalition wollte das auf den Weg bringen) wäre ein wichtiges Signal für sozial Schwache gewesen. Es ist schade, dass es wohl nicht kommen wird", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
Die Bundesregierung müsse sich zudem mehr Gedanken, über die Auswirkungen von Klimaschutz auf andere Bereiche wie Wirtschaft, Umwelt oder Sozialpolitik machen. Kein Parteiprogramm zeige in dem Bereich eine wirkliche Strategie auf. Klarl fordert zudem mehr Transparenz: "Die nächste Bundesregierung muss klar kommunizieren, dass wir alle Verzicht üben müssen, um künftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu überlassen."