Mit leisem Schrabb-Schrabb saust eine Feile über golden glänzende Lötränder, schmirgelt Unebenheiten glatt und glatter. Feinarbeit, die Sorgfalt erfordert. Schließlich geht es um den DFB-Pokal, zumindest eine Replik. Sie liegt auf einer hölzernen Werkbank vor Martin Wagner, einem Mann mit rot-braunen Bart und hüftlangen, zu Zöpfen geflochtenen Dreadlocks, der die Trophäe noch kurz zuvor deutlich weniger behutsam bearbeitet hat. Das Messingblech musste gerundet und in Form gebracht werden. „Hier sieht man noch die Hammerschläge,“ erklärt Wagner. Metall auf Metall, die ursprünglichste Art der Silberbearbeitung: Eine Szenerie, die mit Wagner als Protagonisten auch in eine Wikingerserie passen würde. Aber sie gehört zum normalen Arbeitsalltag am Bremer Europahafen – in der Silbermanufaktur Koch und Bergfeld.
Eine Herausforderung sei es gewesen, das Handwerk ins 21. Jahrhundert zu heben, sagt der Geschäftsführer. Wer durch die Räumlichkeiten der Manufaktur schreitet, wo schon im vitrinenumsäumten Eingangsbereich das Hämmern der Silberschmiede herüberschallt, bekommt schnell den Eindruck, dass der Umzug in die Moderne geglückt ist. 15 Metallschmiede hantieren hier zwischen einer angelaufenen Metallfräse, die noch einen Aufkleber zur „Kriegsaufmachung“ trägt, zwischen Holzregalen voller Modellformen nehmen Pokale für E-Sport-Events, Teekannen und Duplikate von Fußball-Trophäen Gestalt an.

Nicht nur mit Hammer und Feile muss Martin Wagner umgehen können.
In der lichtdurchfluteten Halle, in der Martin Wagners Werkbank steht, arbeiten insgesamt vier bis sechs Schmiede an einem Objekt. Wagner übernimmt hier die Aufgabe des Hammerarbeiters. „Das ist eine sehr direkte Arbeit – einfach, aber komplex,“ sagt Wagner. „Ich sehe sofort Veränderungen, ob ich das Ergebnis bekommen habe, das ich wollte“. Einige Wochen bleibt der DFB-Pokal noch bei Wagner, erhält die Aufschrift „Deutscher Fußball-Bund“, die Lettern liegen bereits auf der Werkbank bereit. Bis zur Endfertigung werden Produkte wie die Replik aber immer wieder weitergereicht. Teamarbeit, die hier in Rufnähe zur Weser Unikate in Silber und Gold, Trophäen aus Kupfer und Messing entstehen lassen.
Wagner hämmert seit drei Jahren in Bremen, die Entscheidung zum Handwerk fiel spät. Vorher studierte er in Kiel Skandivanistik, arbeitete parallel in der Pflege. Der Wunsch, einen Beruf zu finden, in dem die getane Arbeit materiell sichtbar wird, wird Triebkraft für den Branchenwechsel. „Ich wollte klare Prozesse, mit Anfang und Ende,“ sagt der 38-Jährige. Die Profession der Silberschmiede ist ein aussterbendes Handwerk; er muss eine Weile suchen, bis er auf einen passenden Ausbildungsbetrieb stößt. Und: Reich wird man damit nicht, etwa 2300 Euro brutto verdienen ausgelernte Silberschmiede laut Einschätzung von Jobportalen. Was Wagner bei seinem Vorhaben bestärkt, ist aber „die Hoffnung, etwas Bleibendes zu hinterlassen“. Das Handwerk gebe einem die Möglichkeit, aktiv etwas an der Welt zu verbessern, sagt der Silberschmied. „Und wenn es nur darin besteht, eine kaputte Teekanne zu reparieren“.

Martin Wagner beim Bearbeiten einer Replik des DFB-Pokals.
In der Manufaktur Koch und Bergfeld hat jeder sein Spezialgebiet. Auf der Drückbank wird das Metall über Modellformen aus Holz und Kunststoff gezogen, erhält in der Drehung seine ungefähre Gestalt. Von hinten tönt das Sirren der Poliermaschinen herüber, in einer Ecke lodern hinter Glaswänden Feuer auf, auf einem steinernen Drehteller duscht Metall in den Flammen, bis es rot aufleuchtet. Ziseleure drücken Muster in das Silber: feine Bordüren, florale Ranken, geometrische Formen. Die meisten Silberschmiede in der Manufaktur seien allgemein ausgebildet, erklärt Wagner, im Job erfolge dann die Spezialisierung.
Um den Job zu erlernen, brauche es vor allem Geduld, sagt Wagner, besonders beim Einstieg habe man noch keine Vorstellung davon, wie lange einige Prozesse dauerten. „Es braucht hunderte oder tausende Hammerschläge, bis eine Form entsteht“, sagt er, für die meisten Arbeiten gebe es keine Maschine. Daneben Job fordere Problemlösefähigkeiten. „Ich muss immer wieder neu überlegen, wie komme ich zum Ziel – das gewohnte Programm abspulen funktioniert oft nicht.“
DFB gab E-Football-Pokal in Bremen in Auftrag
Als der Deutsche Fußball-Bund etwa seinen E-Football-Pokal in Bremen in Auftrag gab, experimentierte Wagner, um herauszufinden wie das vorgegebene Design umgesetzt werden kann. „Da musste ich abgleichen, was möglich ist. Materialstärken sind ab einer gewissen Dicke anders in der Bearbeitung, die Balance des Pokals fällt nicht so aus, wie man sich das vorstellt, oder die Oberflächen verlaufen anders.“ Auch privat sieht Wagner sich als Tüftler und Bastler, baut Möbel um oder schraubt im Modellbau. Bei der Stelle des Hammerarbeiters in der Manufaktur hatte Wagner Glück. Sie wird in Bremen bei Koch und Bergfeld frei, er hätte sich ebenjene Position aber auch freiwillig ausgesucht.
Metallobjekte, die die gläserne Manufaktur einmal hergestellt hat, können immer wieder nachgebaut werden. Ein eigenes Archiv umfasst dabei Skizzen aus den letzten 150 Jahren Schmiedekunst bei Koch und Bergfeld. Aufträge für Sonderanfertigungen nehmen die Schmiede dabei genauso an wie Reparaturen. Und eine Replik des DFB-Pokals kann tatsächlich jeder erstehen – allerdings zum Preis eines Mittelklassewagens. Aktuell bildet die beständige Nachfrage an Trophäen für den E-Sports-Bereich ein solides Standbein für die Manufaktur, denn das Interesse an traditionellen Silberwaren nimmt ab. „Geschirr-Services aus Silber halten sich über Jahrzehnte und werden vererbt – die Menschen, die daran Interesse haben, besitzen in der Regel schon eines“, erklärt Martin Wagner.
Braucht es neben Geduld und Kreativität noch etwas, um den Anforderungen des Werkstattalltags gewappnet zu sein? Auch ein bestimmter Grad an Anspruch und Augenmaß seien nicht verkehrt, sagt Wagner. „Zu Anfang muss man lernen, präzise zu arbeiten, ganz genau hinzugucken. Und dann muss man lernen, das Gucken wieder sein zu lassen“. Die letzten fünf Prozent bis zur Perfektion erreiche man ohnehin nie, sagt der Schmied – und lacht. Dafür bleibe keine Zeit.
Heute etwas erschaffen, das Menschen noch in weiter Zukunft betrachten können: Das macht für Wagner auch den Reiz des Jobs aus. „Metall ist ein beständiges Material“, führt er den Vorzug des Werkstoffes aus. „Wenn ich meine Sache gut mache, bleibt das Objekt für die nächsten 400 Jahre.“