Die Stahlkrise trifft das Bremer Werk von Arcelor-Mittal härter als bislang gedacht. Das Unternehmen will im kommenden Jahr Kurzarbeit für einen Großteil der 3500 Mitarbeiter anmelden. Das teilte der Konzern am Mittwoch mit. Damit setzen sich die Sparmaßnahmen noch weiter fort: Denn bereits im Mai hatte der Hersteller auf die Überkapazitäten am Stahlmarkt reagiert und bis Ende des Jahres die Arbeitszeit um vier Prozent reduziert. Das reicht offenbar nicht. „Es zeichnen sich keine Verbesserungen ab“, heißt es in der Erklärung von Arcelor-Mittal. Deswegen sollen die Beschäftigten in Kurzarbeit gehen – „erst einmal für das erste Quartal 2020“.
Das Werk treffen jedoch weitere Einschnitte. So wird die Stahlproduktion laut Unternehmen weiter gesenkt. Bislang sei geplant gewesen, im zweiten Halbjahr 2019 gut 200.000 Tonnen weniger herzustellen; normalerweise werden in der Hansestadt 3,5 Millionen Tonnen Stahl jährlich erzeugt. Wie hoch nun die weitere Reduzierung ausfallen soll, ist offen. Zudem gab Arcelor-Mittal am Mittwoch bekannt, dass der Hochofen III länger still stehen wird als bislang geplant. Er ist laut Unternehmen aktuell nicht in Betrieb, da er repariert wird. Auch nach Abschluss dieser Maßnahme werde der Hochofen bis auf Weiteres stillstehen, heißt es nun. Einsparungen soll es auch in der Kokerei am Standort in Bottrop geben.
Die Branche kritisiert schon lange Zeit, dass die Importquoten der EU für Stahl in diesem Jahr erhöht wurden. Dabei geht es um das Kontingent, das ohne Zölle in Höhe von 25 Prozent in die EU eingeführt werden darf. Die Stahlwerke in Europa stehen unter Druck, weil wegen der weltweiten Überkapazitäten billiger Stahl auf die Märkte kommt. Die Situation hat sich verschärft, als die USA vergangenes Jahr Importzölle auf ausländischen Stahl verhängten. Die Stahleinfuhren in die EU stiegen in der Folge rasant an. Die EU setzte darum eigene Zölle ein, um den heimischen Markt zu schützen – doch diesen Schutz halten die Stahlkocher für unzureichend.
Preisverfall des Stahls belastet Werk
Der Betriebsrat der Bremer Hütte hat in der vergangenen Woche von den geplanten Einschnitten erfahren. Das Auftragsvolumen sei noch weiter zurückgegangen als erwartet, sagt Klaus Hering, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Arcelor-Mittal in Bremen. Und zugleich belaste der Preisverfall des Stahls das Werk. In Europa sind die Produktionskosten zudem aufgrund der CO₂-Zertifikate höher. Nun stehen Verhandlungen an, wie genau die Kurzarbeit aussehen soll. Viele Fragen seien derzeit noch offen, sagt Betriebsrat Hering, etwa wie die Pläne des Konzerns für die Produktion in Bremen im nächsten Jahr aussehen.
„Diese Eskalation ist die Konsequenz, dass den Worten der Politik keine Taten gefolgt sind“, sagt Hering. Bremen und andere Bundesländer, in denen Stahl produziert wird, hätten versucht, auf die Bundesregierung einzuwirken. Doch diese habe sich in Brüssel nicht dafür eingesetzt, etwas gegen die Erhöhung der Importquoten für Stahl zu unternehmen. „Wir wollen keine Geschenke, wir wollen nur faire Rahmenbedingungen.“
Die Geschäftsführerin der IG Metall Bremen, Ute Buggeln, reagierte auf die Pläne deutlich: „Die Europäische Union schafft keine fairen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft. Die Haltung und das Handeln von Wirtschaftsminister Altmaier vernichten Arbeitsplätze in der deutschen Stahlindustrie.“ Seit 2016 versuche die IG Metall mit Gesprächen und Demonstrationen in Berlin und in Brüssel, auf die Konsequenzen der europäischen Politik für die Stahlindustrie aufmerksam zu machen. Erst im Juni hätten daher auch 2000 Stahlarbeiter von Arcelor-Mittal auf dem Bremer Marktplatz demonstriert.
Die Belegschaft wurde in einem Schreiben der Geschäftsführung informiert. „Die Mitarbeiter sehen das mit Sorge – natürlich“, sagt Klaus Hering. Nun komme die Kurzarbeit ab Januar: „Und keiner kann beantworten, wie lange sie dauert.“ Hering blickt auf das Saarland: Dort ist unlängst bekannt geworden, dass in zwei Stahlunternehmen in den nächsten drei Jahren etwa 1500 Stellen wegfallen sollen. Das seien „Alarmzeichen“. Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) versprach: „Wir werden alles tun, was wir können, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Arcelor-Mittal zu unterstützen.“ Der Arbeitsdirektor der Stahlwerke ist an diesem Donnerstag zum Gespräch im Ressort.
+++ Dieser Artikel wurde um 21:54 aktualisiert +++