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Landwirtschaft Bauern befürchten magere Ernte

Die Erdgaspreise steigen – das bereitet auch den Landwirten Sorge. Denn Erdgas ist die Grundlage für Stickstoffdünger. Und der wird gerade knapp und teuer. Das könnte sich auch auf die Verbraucher auswirken.
03.12.2021, 11:55 Uhr
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Bauern befürchten magere Ernte
Von Christoph Barth

Weizen, Gerste, Raps, Mais: Auf den 155 Hektar Ackerland von Hof Stackkamp baut Eckart Hoehne an, was auf norddeutschen Böden gut wächst. Ohne Dünger jedoch würden seine Erträge mager bleiben. Und Dünger ist teuer geworden, sehr teuer. "Wenn die Preise so bleiben, wird es verrückt", prophezeit der Hemelinger Landwirt – möglicherweise auch für die Verbraucher.

Als er sich im Sommer zuletzt mit Stickstoffdünger eingedeckt hat, zahlte Hoehne rund 34 Euro für den Doppelzentner. Zum Glück reicht das für den Beginn der Pflanzsaison im kommenden Frühjahr. Denn wenn der Landwirt jetzt Dünger nachbestellen müsste, würde er eher 70 bis 75 Euro zahlen, das Doppelte. Andere sprechen sogar von einer Verdreifachung der Preise. "Im letzten halben Jahr ist das exorbitant angestiegen", stellt Hoehne fest. "Ich kann mich nicht erinnern, dass Dünger jemals so teuer war."

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Das Problem hat der Bremer nicht allein. Überall beklagen sich Landwirte über Lieferengpässe und steigende Preise beim Stickstoffdünger. Der Deutsche Bauernverband befürchtet schon jetzt weltweit geringere Ernten. Auch im reichen Europa könne es Lücken in den Regalen geben – bei frischem Obst und Gemüse könnte dies für den Verbraucher sogar sehr schnell spürbar werden, befürchtet der Bauernverband.

Stickstoffdünger gilt als Grundlage der modernen Landwirtschaft. Eingesetzt wird er vor allem auf Äckern, um das Wachstum von Getreide, Gemüse und anderen Pflanzen zu fördern. Wichtigster Rohstoff und gleichzeitig Energielieferant für die Herstellung ist Erdgas, aus dem in großtechnischen Anlagen Ammoniak gewonnen wird, das wiederum den Grundstoff für Stickstoffdünger bildet. Und die Preise für Erdgas schießen gerade weltweit in die Höhe.

Deshalb liefern die Ammoniakfabriken zurzeit nicht wie gewohnt. SKW Piesteritz, der größte deutsche Hersteller, hatte im Oktober eine Halbierung der Produktion in seinem Werk in Sachsen-Anhalt angekündigt. Der Grund sei einfach, so SKW-Chef Petr Cingr: "Die Düngemittelhändler sind nicht bereit, die für uns wirtschaftlich notwendigen Preise zu zahlen." Die Kosten für Erdgas hätten sich verfünffacht – deshalb müsse auch der Dünger jetzt teurer werden.

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Der SKW-Chef malte in einer Mitteilung seines Unternehmens ein düsteres Bild an die Wand: Wegen der gedrosselten Produktion würden sich "sehr wahrscheinlich die Düngemittel für die nächste Düngesaison verknappen", prophezeite er – und damit auch die Ernteerträge in der Landwirtschaft: „Wir warnen eindringlich vor Ernteausfällen und Versorgungsengpässen." Erst wenn der Gaspreis sinke und/oder die Händler mehr zahlten, werde es eine Entspannung auf dem Düngemittelmarkt geben können, so Cingr.

Marktbeobachter gehen allerdings davon aus, dass die Ammoniakhersteller nicht ganz unschuldig sind an der aktuellen Situation. Gegen steigende Erdgaspreise dürften sie sich über langfristige Verträge und Geschäfte an der Warenterminbörse abgesichert haben – und die angespannte Lage jetzt auch dazu nutzen, etwas mehr vom Kuchen abzubekommen. Die Getreidepreise sind hoch, es gibt also gerade etwas zu holen auf dem Agrarmarkt. "Das könnte man zumindest hinterfragen", sagt Stephanie Stöver-Cordes, Fachreferentin bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Wie der Preispoker zwischen Herstellern und Händlern ausgeht, lässt sich schwer vorhersagen. "Zurzeit ist es so: Wenn man den hohen Preis zahlt, bekommt man auch die Ware", sagt Stöver-Cordes. Es gibt also genug Stickstoffdünger auf dem Markt. Doch im Moment braucht den Dünger niemand, weil auf den  Äckern im Winter sowieso nichts wächst. "Entscheidend wird das Frühjahr sein", erklärt die Marktexpertin. Dann beginnt auf den Felder die Pflanzsaison. Schon jetzt richten viele Landwirte ihren Blick auf den Wirtschaftsdünger aus den Ställen, der den Industriedünger zum Teil ersetzen könnte. Doch beim Einsatz der in Verruf geratenen Gülle ist einiges zu beachten. Und in Niedersachsen stehen etliche Ställe wegen der prekären Lage auf dem Schweinemarkt gerade leer – auch Gülle könnte also knapp werden.

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Was das für die Verbraucher heißt? Steigen in den Gemüseabteilungen der Supermärkte und beim Bäcker bald die Preise? "Darüber streiten sich die Experten", sagt Stöver-Cordes. "Es kann sein, dass sich die Lage bis zum Frühjahr wieder entspannt hat, aber eine Garantie gibt es dafür nicht." Geringere Erträge sind also möglich, und das könnte zu höheren Preisen führen. Zahlreiche Nahrungsmittelhersteller haben diese bereits angekündigt.

Ob daran aber immer der teure Dünger Schuld ist, darf bezweifelt werden. "In einem Brötchen steckt Weizen für einen Cent", rechnet der Bremer Landwirt Hoehne vor. Steigende Getreidepreise könnten also zumindest nicht für teure Brötchen verantwortlich gemacht werden.

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