Es ist ein ehrgeiziges Projekt von Bremens Energieversorger SWB und der Netztochter Wesernetz. Bis 2021 werden alle 170.000 Haushalte im Land Bremen abschnittweise von L-Gas auf H-Gas umgestellt. „L“ steht für „low“, also niedrig und „H“ steht für „high“, also hoch.
Das ist notwendig, weil der Anteil an L-Gas aus niederländischen und deutschen Quellen stetig zurückgehen wird. Stattdessen wird das H-Gas durch die Leitungen im Land Bremen fließen, das überwiegend aus Norwegen und Russland stammt. Der höhere Methananteil macht das H-Gas energiereicher.
Doch mit dem rasanten Arbeitseifer, mit dem die Umstellung begonnen hat, scheint sie momentan einige Aussetzer zu haben. So berichtet es zumindest die Kundin Ingrid Warsönke. Sie wollte für ihre 92 Jahre alte Mutter einen Termin zwecks Umstellung vereinbaren.
Techniker kamen nicht zum Termin
„Ich hing mindestens 20 Minuten in der Warteschleife, bis sich ein Mitarbeiter meldete“, sagte die Findorfferin. „Als ich dann drankam, nahm er meine Daten auf und gab an, dass er mir derzeit wegen eines Systemfehlers keinen Termin geben könne.“ Beim erneuten Versuch am gleichen Tag habe sie wieder mindestens 15 Minuten in der Warteschleife gehangen – denn auch der vereinbarte Rückruf blieb aus.
Schließlich erhielt sie einen Termin für den vergangenen Mittwoch. Doch auf den Techniker warteten Frau Warsönke und ihre 92 Jahre alte Mutter vergeblich. Zum Termin erschien leider niemand. Für den Check der Gastherme im eigenen Haus sei es ähnlich verlaufen, „Wieder gab es einen Systemfehler.
Daraufhin habe ich mich direkt bei Wesernetz beschwert. Der freundliche Mitarbeiter hat mir nun einen Termin für jetzt im September gegeben“, berichtet die Findorfferin. Als dieser Fall der SWB geschildert wird, bedauert dies Sprecher Christoph Brinkmann: „Nach unserer Kenntnis handelt es sich hier um bedauerliche Einzelfälle.“
In vielen Fällen sind die Düsen das Problem
Bisher habe Wesernetz 65.000 der insgesamt 170.000 Haushalte gecheckt. Dabei haben sich die Techniker 56.000 Geräte angeschaut, und 9000 davon wurden bisher umgestellt. Wenn Gasthermen nicht mit dem H-Gas klarkommen, liegt das in vielen Fälle an den Düsen. Zu den ersten, bei denen auf H-Gas umgestellt wurde, gehört Helmut Passe-Tietjen in Mahndorf.
Sein Wasserheizer der Marke Vaillant stammt aus den 80er-Jahren. In einer alten Betriebsanleitung hatte er einen Hinweis gefunden, dass eine Umstellung möglich sei. Doch Vaillant-Sprecher Jens Wichtermann sagte damals dem WESER-KURIER: „Die Produktion des benannten Gerätes ist bereits im Jahr 1989 ausgelaufen ist.
Nach über 25 Jahren ist zwischenzeitlich leider auch die Ersatzteilversorgung ausgelaufen. Das Gerät kann daher nicht umgerüstet werden, da die erforderlichen Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind.“ Doch einige Wochen später teilte ihm Wesernetz erfreulicherweise mit, dass sie doch noch Ersatzteile aufgetrieben haben.
Die linke Hand weiß nicht, was die rechte Hand tut
Diesen Umstand erklärt SWB-Sprecher Christoph Brinkmann so: „Anfangs hatten wir so etwa 17.000 Musterbeschreibungen. Von den Geräteherstellern haben wir sukzessive Informationen zu weiteren Geräten erhalten, so dass wir jetzt bei etwa 20.000 Modellbeschreibungen sind.“
Wenn es also am Anfang geheißen habe, da sei nichts mehr zu machen, kann es sein, dass einige Wochen später Wesernetz diese Aussage revidiert habe. Da es sich bei Helmut Passe-Tietjen gleich um mehrere Wohnungen handelte in dem Haus, das ihm gehört, zog sich das über mehrere Wochen hin.
Zeitweise wurde der fünf Jahre alte Warmwasserheizer stillgelegt - zum Ärgernis seines Mieters. Erst als dann nach einigen Wochen die benötigten Düsen da waren für genau das Gerät, konnte der Heizer wieder in Betrieb genommen werden. „Zeitweise hatte ich den Eindruck, dass die linke Hand bei Wesernetz und der SWB nicht weiß, was die rechte Hand tut“, sagte der Mahndorfer dem WESER-KURIER.
Mehr Anfragen beim Hersteller
Über die ganzen Wochen seit Juni zeigte er sich unnachgiebig. Doch das habe ihm mehrere tausend Euro für neue Geräte eingespart. So merkt man beim Heizungsanlagenbauer in Remscheid, dass in Deutschland die Umstellung auf H-Gas läuft: „Es kommt in letzter Zeit gelegentlich zu Rück- und Anfragen bezüglich der H-Gas-Umstellung“, sagt Sprecher Jens Wichtermann.
„Ansprechpartner sind dabei in erster Linie aber die Projektbüros der Energieversorger.“ Die Frage sei aber auch, inwiefern bei Anlagen, die 17 Jahre und älter sind, aus energetischer Sicht ein neues sparsameres Gerät Sinn machen könnte.
Die Anpassung der Gasverbrauchsgeräte auf das neue H-Gas ist für die Wesernetz-Kunden kostenlos. Die anfallenden Kosten werden über die so genannten Netzentgelte auf alle Gaskunden in Deutschland umgelegt. Die Netzentgelte sind ein Bestandteil des von allen Gasnutzern zu zahlenden Erdgaspreises.
Zuschuss in Höhe von 100 Euro
Sollten einzelne Verbrauchsgeräte nicht technisch an das H-Gas anpassbar sein, sind die Eigentümer verpflichtet, sie auf eigene Kosten durch anpassbare Geräte zu ersetzen. Zumindest auf einen kleinen Obulus kann der SWB-Kunde hoffen, wie die Verbraucherzentrale Bremen mitteilt: „Seit Januar 2017 bekommen Betroffene einen Zuschuss in Höhe von 100 Euro.“
Auch wer sich freiwillig ein neues Gerät anschaffe und so die Umstellung überflüssig mache, erhalte einen Zuschuss in dieser Höhe. So schreibt es das Energiewirtschaftsgesetz im Paragraphen 19a vor. Tipps hierzu gibt es bei der Verbraucherzentrale Bremen. SWB und Wesernetz wollen in dieser Woche noch über den aktuellen Stand informieren.