- Auch Schulen gehören zu den Kunden
- Selbstreflexion mithilfe der Spielkarten
- Probleme durch agiles Arbeiten
- Brettspiel zum Thema Pflegekinder
Wenn Ralf Besser ein Kartenspiel auspackt, geht es weder um Mau-Mau noch um Poker. Besser ist Unternehmensberater – seine selbst entwickelten Kartenspiele sollen dabei helfen, dass sich die Menschen öffnen. Auf diese Weise sollen Probleme in der Firma beiseitegeschafft und Verbesserungen auf den Weg gebracht werden. Mehr als 150 Kartenspiele hat er dafür bereits entwickelt. Für seine Arbeit nennt er sie „Reflexionstools“: „Sie helfen mir, in eine emotionale Ebene bei den Menschen vorzudringen, die ich sonst vielleicht nicht erreichen würde.“ Die Beschäftigten würden auch ganz anders miteinander sprechen als im Alltag. „Das schafft neue Räume, als nur zu reden“, sagt Besser. Er ist überzeugt, dass es solche emotionalen Umwege braucht, um in die Tiefe zu gelangen.
So ist es auch das Gegenteil von dem, wie man sich vielleicht eine klassische Unternehmensberatung vorstellt: Experten kommen ins Unternehmen, prüfen Abläufe, erstellen Analysen und schlagen schließlich dem Vorstand vor, was anders gestaltet werden könnte – womöglich sogar bis hin zum Personalabbau.
Auch Schulen gehören zu den Kunden
Besser wird mit seinem Ein-Mann-Betrieb namens "Besser wie gut" von Unternehmen, aber auch von Schulen und Einrichtungen gebucht. Beispielhaft berichtet er von einer Schule irgendwo in Deutschland, an der es Konflikte zwischen dem Lehrerkollegium und der Direktorin gab. Besser ging mit seinem Ansatz in die Schule und konnte die Wogen glätten, wie er berichtet.
In einem anderen Fall hätten die Zusteller eines Unternehmens die Ware an die Kunden geliefert, obwohl sie um Fehler gewusst hätten. „Da muss also etwas ganz Schlimmes vorgefallen sein, dass die Beschäftigten wohlwissentlich die Ware in defektem Zustand ausliefern. Grundsätzlich versuche ich, die Perspektive der Beschäftigten einzunehmen, um sie besser zu verstehen", erklärt Besser.

Ralf Bessers Ziel ist es, mit seinen Spielen zu einer Ebene zu kommen, auf der Mitarbeiter und Vorgesetzte ins Gespräch kommen – um Probleme aus der Welt zu schaffen und das Unternehmen besser zu machen.
Um solche Veränderungsprozesse in einem Unternehmen anzuschieben, geht Besser davon aus, dass er etwa ein Jahr in der Firma ist. Dann sollten Vorgesetzte und Beschäftigte so weit sein, dass sie den Diplomingenieur nicht mehr benötigen. Worin er seinen Vorteil als Berater sieht, verglichen mit dem Chef: „Ich habe ja nur über einen bestimmten Zeitraum mit den Menschen zu tun. Das ermöglicht es mir, auch mal provokantere Fragen zu stellen, um so an die Hintergründe zu kommen.“
Wenn Besser gebucht wird, sollte dem Chef des Unternehmens bewusst sein, dass er mit seinen Kollegen dann plötzlich bei einem Brettspiel oder Kartenspiel sitzt. Sei ein Chef dafür absolut nicht zu gewinnen, lasse er sich etwas anderes einfallen. „Ich muss ja nicht das tun, was mir wichtig ist. Ich muss das tun, was wichtig für das System ist", stellt der Ingenieur fest.
Selbstreflexion mithilfe der Spielkarten
Über die Technik, die Kartenspiele herzustellen, verfügt Besser in seinem Haus in Borgfeld. Dort bietet er auch Seminare an, außerdem gibt es einen Skulpturengarten. Hier veranstaltet er regelmäßig Wochenendseminare. Der 71-Jährige ist studierter Diplomingenieur, bis zum 55. Lebensjahr war er in verschiedenen Positionen bei der Deutschen Bundespost und später der Deutschen Telekom tätig. Dort drang er in den Fortbildungsbereich vor. „In jungen Jahren während meines Studiums hatte ich selbst eine schwere Lebenskrise und konnte da wieder rauskommen“, berichtet er. Damals habe er mit der Selbstreflexion begonnen. Diese spielt heute bei seinen Kartenspielen die zentrale Rolle. Als sich Besser mit 55 Jahren aus dem ehemaligen Staatskonzern zurückzog, machte er sich selbstständig und gründete seine Art der Unternehmensberatung und des Coachings.
Immer wieder stellt er bei seinen Reisen durch die Unternehmen fest, dass die Angestellten lieber einen festen Spind haben möchten – das Gegenteil von dem, was heutzutage als modernes Arbeiten in Unternehmen angedacht ist. Häufig gibt es keine festen Büroplätze mehr. Gleichzeitig schaut Besser kritisch auf die Nebenerscheinungen des Internets. Dies fördere nach seinem Empfinden, dass die Menschen weniger in die Tiefe gingen. „Es braucht aber Tiefe für die Reflexion“, ist er überzeugt. Kurze Videosequenzen wie bei Tiktok sieht der Ingenieur kritisch: „Kurz, kurz, kurz – aber nicht in die Tiefe gehen. Dadurch entsteht so eine Art Scheinkompetenz, bei der man meint, man hätte es verstanden. Und man meint, die ersten schnellen Gedanken reichen schon.“ Davon ist Besser kein Freund. Gutes Lernen müsse auch mal anstrengend sein, betont er.
Probleme durch agiles Arbeiten
Entsprechend nüchtern betrachtet Besser agiles Arbeiten, das in vielen Unternehmen gerade Mode ist und zu flacheren Hierarchien führen soll. „Die Agilität ist der Traum für ein Unternehmen; ursprünglich kommt dies aus der Produktentwicklung und dem IT-Bereich. Es gibt aber Menschen in Unternehmen, für die diese komplette Selbstverantwortung nicht passt. Da trennen sich Unternehmen sogar von diesen Mitarbeitern.“ Seine Anwendung zum agilen Projektmanagement könne an dieser Stelle eine Hilfe sein. Die Menschen sollen damit erkennen, ob Agilität zu ihnen passe oder nicht.
Das erste Spiel, das Besser mit seiner Freundin entwickelte, entstand vor mehr als 20 Jahren an einem Silvesterabend – das „Wertespiel für Erwachsene“. Von klassischen Gesellschaftsspielen wie Monopoly oder Trivial Pursuit sei er kein Freund gewesen, hierbei gebe es immer einen Gewinner: „Bei meinen Spielen ist der Austausch der Gewinn.“ Man komme in eine andere Art des Zuhörens, der Begegnung und des Austauschs.
Brettspiel zum Thema Pflegekinder
Unter seinen selbst entwickelten Brettspielen gibt es auch eines zum Thema Pflegekinder. Das Spiel sei in Zusammenarbeit mit dem sozialpädagogischen Fortbildungszentrum entstanden. Zielgruppe seien Erwachsene, die mit der Pflege umgingen, aber auch Beschäftigte, die in die Pflegefamilien hineingingen. Das Spiel sei ebenfalls für den Austausch gedacht. Ähnlich entwickelt Besser seine Tools, wenn er in Unternehmen unterwegs ist. Ob es ein Brettspiel sein soll oder ein Kartenspiel, da sei er flexibel – Besser verfügt über die erforderlichen Drucker und seinen eigenen Verlag, um das jeweilige Spiel umgehend in kleiner Auflage produzieren zu können.
Von den großen Spielemessen in Essen oder Nürnberg habe es bislang keine Anfragen gegeben, berichtet er. Regelmäßig ist Besser auf der Bildungsmesse Didacta vertreten und hat auch dafür ein Spiel entwickelt. Aktuell ist der Berater mit der Umsetzung eines Spiels für Borgfeld befasst – mit Motiven aus dem Stadtteil.
Er könne sich vorstellen, diese Arbeit noch bis zum 80. Lebensjahr fortzusetzen. „Irgendwie ist das auch ein Lebenselixier", sagt Besser. Darüber hinaus ist er Präsident des Forums Werteorientierung in der Weiterbildung, dem 15.000 Trainer und Berater als Mitglieder angehören.