Volker Schütte macht um sein Alter nicht nur ein Geheimnis. "Ich lüge seit Jahren erfolgreich. Das weiß jeder, der mich kennt", erzählt der Bremer Kaufmann. Damit müsse man nur früh genug anfangen. In der Geschäftswelt aber wird nicht geflunkert. In der ist Schütte aufs Alter stolz: Sein Unternehmen Louis Delius & Co. schaut auf fast 200 Jahre Geschichte zurück. Schütte steht als sechste Generation am Steuer – und neben ihm mit Felix Merkel die siebte.
Das Handelshaus hat sich dabei immer wieder gewandelt. In den Anfangstagen ging es um den Export von Leinen nach Nordamerika. Das lag in der Familie des Gründers Ludwig Georg Delius nahe. Viele seiner Verwandten arbeiteten bereits im Tuchgschäft. Zusammen mit Partner Christian Gercke baute der Bremer die eigene Firma auf – los ging es 1832.
Kaffee und Tabak auf dem Rückweg
Später verschob sich der Fokus Richtung Südamerika. Und es ging nicht nur um den Export: Auf den Schiffen kam Tabak oder Kaffee mit zurück. So lässt sich auch ein Stück Wirtschaftsgeschichte der Hansestadt entlang von Delius erzählen. Der Tabak ging natürlich zur Zigarrenfabrik in Bremen. Viele Jahrzehnte war auch der Handel mit Wolle wichtig. Delius gehört zu den Mitbegründern der Bremer Wollkämmerei. Der Wind bei all diesen Geschäften drehte sich allerdings irgendwann – die Segel mussten neugesetzt werden.
Um Knallhartes kümmert sich das Unternehmen heute: Louis Delius ist spezialisiert auf den Handel mit Werkzeug und Aluminium. "Wir sind mit diesen beiden Produktgruppen eigentlich überall in Südamerika unterwegs", sagt Geschäftsführer Merkel. Die Ausnahmen: Kuba, Venezuela und Argentinien. Die Länder seien recht abgeschottet. In Kuba ließen sich Geschäfte im Grunde nur mit der Regierung machen.
Ansonsten sind die Bremer überall auf dem Kontinent unterwegs: Im Bereich Werkzeug sei Chile der wichtigste Markt. Aluminium ist besonders in Brasilien und Mexiko gefragt. Aluminiumwaren gehen aber auch nach Südostasien, Europa und Nordamerika. "Das ist über die Jahre ein wachsender Markt für uns gewesen", sagt Sohn Nikolaj Schütte. Seit dreieinhalb Jahren ist er in China für Louis Delius im Büro in Schanghai tätig.
Das Aluminiumgeschäft hat sein Vater 1995 mit ins Unternehmen gebracht. "Es handelt sich um Halbzeuge: Rohre, Bleche, Stangen, Folien", zählt Volker Schütte die Produkte auf. Die gehen zur Weiterverarbeitung in die Automobil-, Luftfahrt-, Verpackungs- oder Bauindustrie. Die Kunden sind oft weltweit tätig. So hat das Handelshaus Standorte auch in Hamburg, Singapur und Bangkok sowie in Indien, den USA und Panama. Insgesamt arbeiten für die Firma etwa 50 Beschäftigte.

Aluminium gehört bei Louis Delius heute mit zum Geschäft. Rohre, Bleche, Stangen, Folien – die Ware geht danach in die Industrie.
Für den Bereich Werkzeug ist Merkel verantwortlich. Die von Delius verkaufte Ware kommt dabei vor allem aus China. In Deutschland gebe es immer weniger Hersteller. Felix Merkel denkt an einen Klassiker: die Taschenfederwaage. In Europa sei das Produkt, das in Remscheid hergestellt werde, kaum gefragt. Aber in Südamerika werde es etwa auf dem Markt zum Abwiegen von Lebensmitteln genutzt.
Werkzeug "Made in Germany" als Nische
Traditionshersteller in Deutschland stünden heute oft vor dem Problem, einen Nachfolger in der Familie zu finden. Werkzeug "Made in Germany" sei leider eine richtige Nische geworden, was vor allem mit den Kosten zusammenhänge. In China wird auch für die eigene Marke Kraft Bohrer produziert. Warum der Export nach Südamerika überhaupt interessant ist? Werkzeughersteller gebe es dort kaum.
Die Produkte landen vor allem in Geschäften, in denen Handwerker sich eindecken – weniger bei Heimwerkern. In Südamerika werde oft jemand beauftragt, so hat es Merkel dort erlebt, seltener selbst der Hammer in die Hand genommen. Südamerika sei dabei generell ein "unheimlich schwieriger Markt". Zahlungsausfälle seien ein Problem. Daneben gebe es immer wieder Unsicherheiten durch die Politik: Wie geht eine Wahl aus? Davon hänge viel ab.
Selbst wenn es bei Louis Delius & Co. um den Handel in der ganzen Welt geht: Die Schaltzentrale liegt recht beschaulich seit vielen Jahren in der Bremer Parkallee in einem ehemaligen Wohnhaus von 1902. Das Büro ist gerade im Umbau.
Im nächsten Jahr steigt Nikolaj Schütte als Geschäftsführer offiziell mit ein. Für Schanghai ist er bereits zuständig. In China fühlt er sich dabei wohl. "Es ist ein ziemlicher Kontrast", sagt er zu seinem Leben dort. Das sei aber das Tolle an der Arbeit: in unterschiedlichen Welten unterwegs zu sein. Das Reisen gehört ohnehin zur DNA der Menschen in dieser Firma. Volker Schütte lebte zehn Jahre in Südafrika und ist heute Honorarkonsul des Landes. Felix Merkel war zeitweise in Ecuador und Panama tätig. Der Honorarkonsul von Kolumbien ist im Präsidium des Lateinamerikavereins – wie einst sein Großvater.
Trotz der Nähe zur Familie Delius war der Einstieg von Volker Schütte mehr ein Zufall. Felix Merkels Großvater lenkte damals die Geschäfte und suchte schließlich einen Nachfolger. "Dann bin ich in die Firma eingestiegen und brachte sozusagen als Mitgift das Metallhandelsgeschäft mit", sagt Schütte. Sein Verwandtschaftsverhältnis besteht noch stärker zur Frau des Gründers Delius, aber sei "wirklich kompliziert".
Und wie geht es weiter? Welche Ware wird hier in Zukunft gehandelt? Leinen, Kaffee, Tabak, Wolle und heute Metall – immer wieder ist ein Neuanfang gelungen. "Mal sehen, was wir dann in 20 Jahren machen", sagt Volker Schütte. "Vielleicht gibt es wieder ein ganz anderes Produkt." Wer 200 Jahre werden möchte, darf niemals einrosten über die Zeit.
"Sie müssen sich immer wieder neuerfinden. So ist das", sagt der Seniorchef zur Geschäftsdevise. Nächstes Jahr geht der Bremer Kaufmann in den Ruhestand. Er findet: Der Schritt kommt genau richtig. Ohne natürlich sein Alter zu verraten.