Der Wecker von Sandra Fülles klingelt mitten in der Nacht. Um vier Uhr morgens schließt sie die kleinen Räumlichkeiten im Schnoor auf. Edelstahlküche, Kühlräume, Lager – sie und ihr Team bereiten hier Mahlzeiten für Kindergartenkinder zu. Der Catering-Service Leibspeise versorgt täglich rund 640 Kinder und Pädagogen mit warmen, biologisch zertifiziertem Mittagessen.
Sandra Fülles startet in der weiß gefliesten Küche, wenn die meisten Menschen noch schlafen. Die 39-jährige Bremerin kümmert sich um die Spülmaschine, setzt vielleicht schon das Wasser für die Nudeln auf. Ihre zwei Mitarbeiterinnen für die Küche kommen in den nächsten Stunden dazu, erzählt sie über ihren wiederkehrenden Tagesablauf. Fülles ist Inhaberin und die einzige Köchin ihres kleinen Unternehmens. Krank war sie in den vergangenen Jahren nicht, sagt sie. Besser so. Im Zweifel würde sie ihr bekannte Kollegen und Kolleginnen um Hilfe bitten, so Fülles.
Vor drei Jahren übernahm Sandra Fülles den Catering-Service. Vorher arbeitete die Köchin in Berlin, auf Sylt, in München, Valencia und Hamburg, bevor es sie wieder in ihre Heimatstadt Bremen zog. Sie kochte sich quer durch die gastronomische Landschaft: Zwei-Sterne-Küche, vegetarisches Restaurant, Café-Betrieb, Schulmensa. Zurück in Bremen studierte Fülles Freizeitwissenschaften an der Hochschule. "Ich wollte mich eigentlich immer selbstständig machen, aber habe mich nur mit der Ausbildung nicht so richtig getraut", begründet sie die Entscheidung für das Studium trotz abgeschlossener Ausbildung.
Erst Küche, dann Schreibtisch
Ab dem frühsten Morgen schnippelt und kocht Fülles und füllt zubereitete Speisen in Edelstahlboxen. Das Mittagessen ist schon fertig, bevor die Kindergartenkinder in ihren Einrichtungen zu Ende gefrühstückt haben. Um neun komme der erste ihrer rund zehn sich abwechselnden Fahrer, berichtet sie. In drei Touren wird das Essen an 36 Kindergruppen ausgeliefert. "Dann machen wir die Vorbereitung für den nächsten Tag", sagt die Köchin. Desserts oder Soßen könnten vorgekocht werden, die benutzen Gefäße vom Vortag werden gesäubert. Wie lange sie in der Küche stehe, hänge auch vom konkreten Gericht ab. Gefüllte Paprikaschoten dauern eben länger als Suppe. Gegen Mittag wechselt die Köchin von der Küche an den Schreibtisch. Bestellungen, Dienstpläne und Büroarbeiten – als Inhaberin ist Fülles Allrounderin.
Auf die kleine Kundschaft musste sich die erfahrene Köchin erst einstellen: "Anfangs habe ich wie für ältere Kinder gekocht." Pfeffer habe sie zum Beispiel nach Rückmeldung der Pädagogen reduziert. Prickeln auf der Zunge, das mögen viele kleine Kinder nicht. Wenig Zucker, gute Produkte, wenig Fleisch und Fisch und eine gesunde Zusammenstellung – darauf kommt es Fülles an. Außerdem will sie Abwechselung in die Kindermünder bringen. Deshalb stehen sowohl Couscous und Bulgur als auch Nudeln und Vollkornreis auf dem Speiseplan.
Was die Kinder gerne essen
Zu den Lieblingsspeisen der Kinder gehören Käsespätzle mit Apfelmus und Röstzwiebeln, Pizza und Bolognese mit Nudeln. Weniger begeistert seien die Kindergartenkinder von Aufläufen. "Wenn alles so gemischt ist, das ist sehr schwierig", erzählt die Inhaberin. "Auch mit Liebe über die Kartoffeln gestreute Petersilie kam nicht so gut an." Für zu Hause gibt sie den Tipp, zum Beispiel bei Soßen die Sahne zu reduzieren. Stattdessen könne angeschwitztes Gemüse, Zwiebeln oder Pastinaken, püriert und untergemischt werden. Nach diesem Prinzip erwartet die Kinder zum Beispiel eine Blumenkohlcremesoße zu ihren Spirelli-Nudeln.
"Ich hatte die ersten zwei Jahre keine Dopplungen", erinnert sich Fülles an die wechselnden Gerichte des Speiseplans. Der Wunsch nach Wiederholungen sei von den Kleinen selbst gekommen. Die Inhaberin tüftelt am Nachmittag am Speiseplan und rechnet, was genau gekauft werden muss. Sie sagt: "Ich sitze lange an den Speiseplänen." Die Küche, das Team, die Kosten – all das spiele eine Rolle bei der Planung. Zwischen 2,89 und 3,96 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) koste ein Essen mit Dessert in Kinderportionsgrößen. Auch um den Preis zu halten, schaue sie nach saisonalem Gemüse.
Die Zutaten werden fast ausschließlich vom Bio-Großhandel geliefert. Fülles würde gerne mehr Lebensmittel lagern und vielleicht einen Koch einstellen, aber das geben die Räumlichkeiten nicht her, sagt sie. Sie nutzt die Küche einer Event-Location, wenn dort nicht gearbeitet wird. "Es wird viel zu klein", findet die Köchin. Die Suche nach einer neuen, größeren Küche gestalte sich schwierig, denn sie brauche für das Catering andere Bedingungen als beispielsweise eine Restaurantküche.
Wachsen, aber persönlich bleiben
Die Rahmenbedingungen und Umstände – man könnte sie als frustrierend empfinden. Nicht so Sandra Fülles. "Ich finde die Herausforderung gut", sagt sie. "Ich möchte uns dahin arbeiten, dass wir irgendwann das beste Kindergartenessen haben." Die Herausforderung sei nicht größer oder kleiner als in der Sternegastronomie – aber eben anders. "Ich bin schon sehr stolz auf uns, wie wir das mit wenigen Leuten hinbekommen". Sie würde in Zukunft gerne mit ihrem Unternehmen und neuen Räumlichkeiten wachsen. Aber nicht zu sehr, denn persönlich und übersichtlich soll es auch in Zukunft sein, wünscht sie sich. "Wenn man Leibspeise anruft, bin ich dran." Das soll so bleiben.