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Bremer Familienunternehmen Wie Vector Foiltec einen neuen Werkstoff geschaffen hat

Vor 40 Jahren ging es für das Unternehmen Vector Foiltec mit einem Foliendach in den Niederlanden los. Längst sind die Bremer weltweit unterwegs und überdachen Stadien, in denen auch der Super Bowl stattfindet.
05.11.2022, 13:20 Uhr
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Wie Vector Foiltec einen neuen Werkstoff geschaffen hat
Von Florian Schwiegershausen

Es ist der 2. Februar 2018. Im US Bank Stadium in Minneapolis steigt der Super Bowl. Es ist das Football-Finale in den USA, das größte Sportereignis weltweit. Der Bremer Philipp Lehnert schaut zwar auch auf das Spiel der New England Patriots gegen die Philadelphia Eagles, doch spätestens in der Halbzeit bei der Show von Justin Timberlake interessiert sich Lehnert mehr für das Dach des Stadions.

Denn das ist aus einer widerstandsfähigen Folie und stammt aus Bremen – und zwar von Lehnerts Firma Vector Foiltec. Das Unternehmen ist mit dem, was es macht, Weltmarktführer. In Deutschland benutzt man auch gern die englische Bezeichnung "hidden champion", also "versteckter Champion". Dem Otto-Normal-Verbraucher in Bremen und umzu sagt Vector Foiltec nicht unbedingt etwas, aber spätestens seit das Bremer Unternehmen die  Dachkonstruktion des US Bank Stadiums konzipierte, kennt man in der National Football League auch Vector Foiltec. "Das US Bank Stadium war für uns eine Art Türöffner. Danach folgte eine ganze Reihe weiterer Aufträge", sagt Lehnert.

Werke in Bremen-Nord und Peking

Doch was ist so besonders an den Dachkonstruktionen von Vector Foiltec? Eigentlich bestehen sie aus Folien und Luft. Dafür verwendet die Firma einen besonderen Werkstoff namens Ethylen-Tetrafluorethylen, kurz ETFE. Die Folie ist nach eigenen Angaben robust, UV-beständig und recycelbar. An den Baustellen vor Ort wird die Folie mit Luft zu Luftkissen gefüllt, und diese Elemente werden zu einem Dach zusammengefügt. Längst bietet die Firma auch die Tragwerke dazu an, weil der Kunde gern inzwischen schlüsselfertige Dächer haben möchte. Die Spezialfolie für das US Bank Stadium und die anderen Stadien in den USA stammt aus der Produktion in Bremen-Nord. Von hier geht die Folie außerdem nach Europa und in den Nahen Osten. Das Werk in Peking beliefert die asiatischen Märkte.

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Philipp Lehnert war noch nicht auf der Welt, als sein Vater Stefan Lehnert vor 40 Jahren daran tüftelte, eine Dachkonstruktion aus reißfester Folie hinzubekommen. Doch wie kam es überhaupt dazu? Es war ein Zoo in Arnheim, der ein neues Dach haben wollte, das aus etwas anderem sein sollte als Glas. Die Frage stand im Raum: Geht das auch mit Folie? Damit wandte sich der Zoo an Segelhersteller, die ja mit entsprechenden robusten Stoffen zu tun haben. Und diese Frage erreichte auch Philipp Lehnerts Vater als leidenschaftlichen Segler und Maschinenbauingenieur. Zusammen mit Partnern experimentierte er so lange, bis das System der reißfesten Folie entwickelt war. Um die schließlich herzustellen, brauchte es besondere Schweißmaschinen. Die stehen auch heute noch in der Produktion in Bremen-Nord, wurden aber längst weiterentwickelt. "Angesichts der vielen Aufträge mussten wir ja die Maschinen an die benötigten Kapazitäten anpassen", erläutert Lehnert.

Als Kind in der Produktion herumgetobt

Aber das war die Geburtsstunde von Vector Foiltec, und Philipp Lehnert wuchs mit dieser Folie auf: "Als Kind spielte ich im Büro meines Vaters und tobte durch die Produktion." Und wenn es mit dem Campingauto in den Urlaub nach Südfrankreich ging, konnte der Campingplatz schon mal direkt nebenan von der Baustelle liegen, auf der gerade wieder ein Dach gebaut werden sollte.

Dazu werden die Folienkissen mit Luft versorgt und erhalten so Ihre nötige Statik. Die Folie lässt sich wiederum bequem per Container durch die Welt transportieren. Das klingt im Prinzip einfach, war es am Anfang jedoch nicht: "Es ist der Pionierarbeit meines Vaters zu verdanken, in den ersten zehn Jahren andere Menschen zu überzeugen, Dächer mit Folien zu bauen." Auch heute noch brauche es an einigen Stellen Überzeugungsarbeit, da die Baubranche eher auf die Werkstoffe setze, die sie kenne und innovativen Produkten anfangs eher kritisch gegenüberstehe.

Ein Gewächshaus so groß wie 15 Fußballfelder

Neben verschiedenen Projekten in Deutschland arbeitet das Unternehmen gerade im Nahen Osten in Abu Dhabi und Saudi-Arabien. In den USA hat Vector Foiltec gerade ein Projekt am Flughafen Newark fertiggestellt. Auch wenn die Bremer Firma nicht sagt, welcher Markt der wichtigste ist, werden die USA in den kommenden Jahren schon von Bedeutung sein, wie Lehnert erläutert: „Dort wird für High-End-Architektur immer noch viel Geld ausgegeben.“ Auch werde dort das Konzept Stadion ganz anders gelebt: "Das ist dort fast schon ein multifunktionaler Business-Hub für Büros, aber auch für Unterhaltung, Shopping, Restaurants und Cafés. Da finden dann auch Messen und andere Events statt und wird mit ganz anderen Budgets gebaut.“

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Das größte Gebäude der Welt mit ETFE wird bald in Saudi-Arabien stehen. Es ist ein Gewächshaus mit einer Fläche von 120.000 Quadratmetern – also größer als 15 Fußballfelder. Ebenso hat Vector Foiltec in der Vergangenheit Innenstadtkonzepte mit Transparenz und leichter Bauart umgesetzt. Lehnert würde dies auch gern in der Innenstadt seiner Bremer Heimat umsetzen: „Da werde ich auch nicht müde, mit der lokalen Politik und Wirtschaft zusammen zu arbeiten.“ In Bremen hat Vector Foiltec bereits das Atrium-Dach der Otto A. Schwimmbeck AG gestaltet sowie ein Parkhaus in der Bremer Überseestadt. Vector Foiltec gestalte also auch Dächer, die kleiner als 700 Quadratmeter seien.

"Wir wollen Bremen in der Welt groß machen"

Bei den Projekten rund um die Welt stellt Lehnert fest, dass „Made in Germany“ oder „Engineered in Germany“ noch Thema sei, aber nicht mehr so stark wie in früheren Jahren: "Wir werden nicht müde, Bremen in der Welt groß zu machen. Wir hatten zu unserem Jahrestreffen vor wenigen Monaten die Führungskräfte des Unternehmens aus der ganzen Welt in Bremen." Trotzdem möchte sich Lehnert den Charakter eines Familienunternehmens erhalten – und das immer "schön hanseatisch bodenständig".

Zur Sache

"Hidden Champion" mit 300 Beschäftigten

Vector Foiltec hat weltwelt mehr als 300 Beschäftigte, davon allein 100 an den deutschen Standorten - inklusive der Produktion in Bremen-Nord. Mehr als 45 Nationalitäten arbeiten in der Firma. Mit seinen Spezialdächern aus der Folie ETFE und aus Luft ist das Bremer Unternehmen Weltmarktführer mit einem Marktanteil von etwa 60 Prozent. Die restlichen 40 Prozent teilen sich laut Geschäftsführer Philipp Lehnert zehn bis 15 Wettbewerber auf. Er sagt: "Wettbewerb hält einen auf Trab." Bis zu zehn Prozent des Umsatzes macht Vector Foiltec in Deutschland, den Rest auf der ganzen Welt. Mit den Foliendächern sieht sich die Bremer Firma im Trend für mehr Nachhaltigkeit: "Es verbraucht viel weniger Energie als bei der Herstellung von Glas. Außerdem ist die Folie voll recycelbar", erläutert Lehnert. Sie ist wasser- und winddicht, robust und UV-beständig. Man könnte obendrauf auch Solarpanels befestigen.

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