Der Steuerzahler muss vorerst kein Geld nachschießen: Trotz hoher Mautausfälle bleibt der private Autobahnbetreiber A 1 mobil auf seiner Millionenforderung an den Bund sitzen. Eine entsprechende Klage des Unternehmens, das für einen Großteil der A1 zwischen Hamburg und Bremen zuständig ist, wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle am Dienstag in einem Berufungsverfahren zurück. Der Fall könnte bei einer Beschwerde des Konsortiums aber noch am Bundesgerichtshof landen.
Die Celler Richter erklärten, A 1 mobil habe das sogenannte Verkehrsmengen-Risiko laut Betreibervertrag „ausschließlich und unbegrenzt“ selbst übernommen – auch während der Wirtschaftskrise 2008/2009, als die Mauteinnahmen wegen des deutlich geringeren Verkehrsaufkommens sanken. Die Firma hatte von der Bundesrepublik – vertreten durch das Land Niedersachsen – nachträglich 778 Millionen Euro verlangt. Denn ihre Vergütung richtete sich vor allem nach dem Volumen des Lkw-Verkehrs auf der betriebenen Strecke.
A1-mobil will Abweisung erneut prüfen
Bereits das Landgericht Hannover hatte die Klage abgewiesen, A 1 mobil brachte den Fall daraufhin auf die nächsthöhere Instanz. „Das Landgericht hat richtig entschieden“, erklärte nun ein Sprecher des Celler OLG. A1-mobil-Geschäftsführer Ralf Schmitz sagte, man habe mit einer Bestätigung des früheren Urteils gerechnet und werde die Begründung der erneuten Abweisung gründlich prüfen. Danach gebe es eine Entscheidung, „ob weitere Rechtsmittel eingelegt werden oder das Unternehmen umstrukturiert wird“.
Das Wirtschaftsministerium in Hannover reagierte am Dienstag verhalten positiv auf den Richterspruch aus Celle. „Mit seinem Urteil hat das Oberlandesgericht auch in der zweiten Instanz die Rechtsauffassung des Bundesverkehrsministeriums und des Landes Niedersachsen als Prozessvertreterin für den Bund bestätigt“, sagte eine Sprecherin von Ressortchef Bernd Althusmann (CDU) dem WESER-KURIER. Gleichzeitig warnte sie aber, den Rechtsstreit als endgültig abgeschlossen zu betrachten. „Ob die A 1 mobil das Urteil akzeptiert, bleibt aktuell noch abzuwarten.“ Zwar sei Revision nicht zugelassen worden, doch für das Unternehmen bestehe noch die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu erheben.
Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr gehe davon aus, dass die A 1 mobil ihre Aufgaben im Rahmen des Konzessionsvertrages weiter fortsetzen werde, erklärte die Sprecherin. „Für die Verkehrsteilnehmer ergeben sich aus dem Urteil also keine negativen Auswirkungen.“
Der von A 1 mobil bewirtschaftete Abschnitt war von 2008 bis 2012 auf 72,5 Kilometern sechsspurig ausgebaut worden. Das Projektvolumen belief sich auf 1,3 Milliarden Euro, wovon etwa 515 Millionen Euro auf den Ausbau selbst entfielen. Das Vorhaben gilt als eines der bekanntesten Beispiele für öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP).
A 1 mobil finanziert sich über einen Teil der Lkw-Maut, deren Umfang dann jedoch hinter den Erwartungen zurückblieb. Bis zum Abschluss des Vertrages mit dem Bund habe es keine Prognose gegeben, die einen Einbruch vorhersagte, argumentierte die Geschäftsleitung. Und ein „Extremrisiko“ wie die Folgen einer schweren Konjunkturkrise sei gar nicht absehbar gewesen. Deswegen klagte A 1 mobil auf eine Nachbesserung des Vertrages, der auf 30 Jahre angelegt ist. Das OLG stützte jedoch die Sicht des Landgerichts: Die Entwicklung der Verkehrsmenge liege „ausschließlich im Risikobereich der Klägerin“. Aufgrund der geringeren Einnahmen geriet das Unternehmen in eine Schieflage. Schmitz betonte nach dem Celler Urteil, Insolvenzgefahr bestehe aber „auf keinen Fall“. Der Betrieb auf der von A 1 mobil gebauten Strecke werde „in der gewohnt guten Qualität fortgesetzt“.
Parlamentarischer Staatssekretär fordert Einhaltung des Vertrages
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Enak Ferlemann, sagte: „Jetzt, wo die Entwicklung hinter den Annahmen zurückbleibt, kann das von der Betreibergesellschaft übernommene Verkehrsmengenrisiko nicht auf den Bund zurückverlagert werden. Wenn sich Chancen der Privaten realisieren, kommt auch niemand auf die Idee, von unerwartet hohen Einnahmen etwas an den Vertragspartner abzugeben. Wir erwarten hier nichts anderes als die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen.“
Schon nach dem letzten Gerichtstermin Ende Oktober hatte sich angedeutet, dass es keinen Spielraum für höhere Vergütungen geben würde, falls das Verkehrsmengen-Risiko komplett bei A 1 mobil liegt. Am Dienstag betonte das OLG, im Fall einer positiven Entwicklung hätte A 1 mobil zudem Erträge einfahren können: Der Gewinnmöglichkeit der Klägerin hätten entsprechende Verlustrisiken gegenübergestanden, die sie bewusst in Kauf genommen habe.
ÖPP haben das Ziel, eine meist staatlich organisierte Aufgabe ganz oder in Teilen von einem privaten Unternehmen ausführen zu lassen. Davon versprechen sich die Projektpartner oft geringere Kosten und zugleich eine höhere Qualität. Vor allem im Straßenbau gibt es verschiedene solcher ÖPP-Vorhaben, auch an weiteren Autobahnen.
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