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Siemens-Werk in Cuxhaven Mit Rückenwind

Seit Sommer baut Siemens-Gamesa Windräder in Cuxhaven. Auch wenn die Produktion noch immer anläuft wird deutlich, was sie für die Energiewende bedeutet.
17.12.2017, 20:08 Uhr
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Mit Rückenwind
Von Stefan Lakeband

Der Regen interessiert sich nicht für die Energiewende. Das schmuddelige Winterwetter findet auch seinen Weg in die neue Produktionshalle von Siemens-Gamesa in Cuxhaven. Hier, wo Windräder für den Einsatz auf hoher See gebaut werden, tropft inmitten der Halle der Regen in zwei schwarze Eimer. 32 Meter fallen die Tropfen, von der Decke bis zum Boden. Carsten-Sünnke Berendsen sieht es, lächelt mild, und geht weiter. „Eigentlich sind wir schon fertig“, sagt der Projektleiter. „Ein bisschen was muss aber immer noch gemacht werden.“

Auch wenn es tropft und an einigen Stellen noch gewerkelt wird – ihren eigentlichen Zweck erfüllt die Halle. Seit Juli entstehen hier Maschinenhäuser. In drei Montagelinien werden die Herzstücke der Windräder gebaut, die später einmal vom Meer aus klimafreundlichen Strom liefern sollen.

„Noch fahren wir die Produktion hoch“, sagt Berendsen. Das heißt, Abläufe müssen sich erst einspielen und die Windturbinen können noch nicht so schnell gebaut werden, wie geplant. Das Prinzip der Fertigung funktioniert aber schon jetzt: In drei Strängen werden die Naben, die Generatoren und die Endsegemente gebaut.

Dass alle Bauteile am richtigen Platz in der Halle gelangen, dafür sorgt Siemens-Gamesa nicht selbst. Mitarbeiter von Stute Logistics, einer Tochter von Kühne+Nagel, kümmern sich in der 320 Meter langen Werkhalle um die Logistik. Sie nehmen die Ladungen an einer der drei Lkw-Rampen oder dem großen Hallentor entgegen, zählen nach, dass nichts fehlt und prüfen die Qualität.

Dann bringen sie die Teile an ihren Lagerort – und der ist meist in einem der zahlreichen, blauen Hochregale. Manche müssen erst mal ein bisschen liegen, bevor sie verbaut werden. „Gerade wenn die Teile längere Zeit draußen gelagert haben, müssen wir sie an die Temperatur in der Halle anpassen“, sagt Berendsen. Je nachdem, wofür die Bauteile gedacht sind, kommen sie an einen anderen Ort der Halle.

Links wird die Nabe gebaut, rechts das Endsegment mit Steuereinheiten und Generatoren. In der Mitte wird die Turbine zusammengesetzt. „Unser Werk in Cuxhaven ersetzt vier Fabriken“, sagt der Projektleiter. Denn was früher jeweils in einem Werk gebaut wurde, findet nun in einem statt. Hinzu kommt die sogenannte Hochzeit – also der Zusammenbau aus Naben, Generator und Endsegment.

Anzahl der Mitarbeiter soll auf etwa 600 wachsen

Auf eine Leistung von sieben und acht Megawatt bringen es die Windräder, die in Cuxhaven entstehen – mit die leistungsstärksten, die zurzeit am Markt sind. Und diese Kraft zeigt sich auch in den Ausmaßen: Die fertigen Maschinenhäuser wiegen 350 Tonnen und damit in etwa so viel wie eine Boeing 747. Naben und Maschinenhaus werden mit mehr als 100 Schrauben zusammengehalten, jede wiegt zwischen fünf und zehn Kilogramm.

Je weiter die einzelnen Teile in der Montagelinie vorrücken, desto schwerer werden sie, aber desto deutlicher wird auch, was aus ihnen einmal werden soll. Bislang arbeiten etwa 300 Menschen für und im Siemens-Gamesa-Werk, aber längst nicht alle sind dort angestellt, so wie beispielsweise die Stute-Leute. Bis Ende 2018 soll die Zahl der Mitarbeiter auf etwa 600 wachsen.

Auch wenn hinter dem Werk in Cuxhaven mit Siemens ein großer Industriekonzern steht, so kommen doch die wenigsten Mitarbeiter auch von dort. Deren Anteil liege bei nicht einmal zehn Prozent, sagt Berendsen. Ein Großteil kommt aus der Region Cuxhaven und hat zuvor bei anderen Industrieunternehmen gearbeitet; bei Daimler in Bremen, Airbus in Stade und auch in Bremerhaven.

"Wir haben schon jetzt für die nächsten drei Jahre genug zu tun"

Denn mit dem Aufstieg Cuxhavens zum Offshore-Zentrum, begann in der Seestadt der Abstieg. Durch das Ende für die Senvion-Tochter Powerblades, die ihre Rotorblattfertigung aufgibt, fallen in Bremerhaven gut 200 Jobs weg. Und auch Adwen hat in diesem Jahr bekannt gegeben, seine Produktion in Bremerhaven zu schließen. Den Mitarbeitern wurde nahegelegt, sich doch in Cuxhaven zu bewerben.

Da aber auch viele aus anderen Branchen kommen, ging es für zahlreiche Mitarbeiter erst einmal nach Dänemark. In den Siemens-Gamesa-Werken dort haben sie die Arbeitsschritte erlernt, auch in Cuxhaven gibt es noch Trainer. Ab Februar soll dann an allen drei Montagelinien in zwei Schichten gearbeitet werden, ab Mai kommt noch eine dritte Schicht hinzu. „Wir haben schon jetzt für die nächsten drei Jahre genug zu tun“, sagt Berendsen.

Der gesamte Auftragsbestand von Siemens-Gamesa liegt bei mehr als 20 Milliarden Euro. Auch Cuxhaven trägt dazu bei. Die Windräder, die dort momentan entstehen, sind für den belgischen Windpark Rentel gedacht, 40 Kilometer vor Ostende. Alle 42 Windräder kommen von Siemens-Gamesa, die Rotoren aus Hull in England und die Maschinenhäuser eben aus Cuxhaven. Hier wird das erste im Januar fertig sein.

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Von Cuxhaven aus wird dabei nicht nur der europäische Markt bedient, auch in Asien und anderen Regionen der Welt soll immer mehr Strom auf dem Meer erzeugt werden. So war erst im Mai dieses Jahres eine Delegation aus Taiwan in Bremen und Bremerhaven, die sich für Offshore-Windräder interessiert hat.

Und auch allein in Deutschland wird der Bedarf nach leistungsstarken Windrädern steigen. Im nächsten Jahrzehnt sollen Windparks entstehen, die ohne eine Einspeisevergütung für Ökostrom gebaut werden sollen. Das kann nur funktionieren, wenn die Turbinen effizient arbeiten, schon jetzt gibt es Pläne für Windräder mit zehn Megawatt. Auch darauf ist Cuxhaven vorbereitet.

Bevor die 350-Tonnen schweren Kolosse die Halle verlassen, wird jedes einzelne noch einmal geprüft. 24 Stunden testen die Mitarbeiter, ob auch wirklich alles so funktioniert wie es soll. Fehler dürfen nicht passieren, Fehler sind teuer. Allein das Installationsschiff, um das defekte Windrad wieder abzubauen, würde 200 000 Euro am Tag kosten. „Deswegen sind die Windräder so geplant, dass sie zwischen 20 und 25 Jahren halten“, sagt Berendsen.

Offiziell ist das Werk noch nicht eröffnet

Der Projektleiter ist nicht nur stolz auf die neue Produktion, die an dem Standort aufgebaut wurde. Auch logistisch gibt es viele Vorteile. Das neue Werk liegt direkt an der Elbmündung und hat direkten Zugang zum Wasser. Anstatt die großen Windradteile mit Schwertransporten über die Straße zu bewegen, können sie vom Werk direkt zur Kaikante gefahren werden und sogar noch weiter. Der Konzern hat zwei neue Transportschiffe.

Die „Rotra Vente“ ist eines davon und ist ein sogenanntes RoRo-Schiff. Die Landung kann direkt heraufgefahren werden. Für Siemens-Gamesa ein großer Zeitgewinn: Was bei der Verladung mit Kränen mehrere Stunden dauert, kann über die Rampe direkt aufs Schiff in gerade mal 30 Minuten gebracht werden. In der zweiten Märzwoche soll es so weit sein: Dann sollen zum ersten Mal acht Maschinenhäuser aus der neuen Fabrik verladen und nach Belgien verschifft werden. Viele weitere sollen noch folgen.

Ein Problem gibt es dann aber doch noch in Cuxhaven. Auch wenn schon fast normal gearbeitet wird, offiziell ist das Werk noch nicht eröffnet. Berendsen und seine Kollegen wünschen sich hohen Besuch, am liebsten der künftige Wirtschaftsminister. So lange sich die Koalitionsverhandlungen aber hinziehen, wisse man gar nicht, wen man einladen solle. Und das Wetter sollte dann natürlich mitspielen – auch wenn bis dahin das kleine Leck im Dach geschlossen sein soll.

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