Frau Mehrtens, das ist doch eigentlich gar nicht denkbar – der Weserpark ohne Monika Mehrtens. Wie soll das funktionieren?
Monika Mehrtens: Anders. Es geht weiter, nur anders. So wie damals, als ich hier angefangen habe. Mir wurde oft gesagt, dass mein Vorgänger große Fußstapfen hinterlässt. Ich habe dann immer geantwortet, dass ich Stöckelschuhe anziehe, mit denen die Abdrücke noch tiefer sein werden. Mein Ziel war damals, den Vorgänger zu übertreffen und mindestens fünf Jahre zu schaffen. Das ist für Center-Manager schon viel, die Fluktuation ist groß.
Mit fast 20 Jahren an der Spitze stellen Sie also eine absolute Ausnahme dar und gehen auch nur deshalb, weil Sie das entsprechende Alter erreicht haben.
Das ist so, aber diese Ausnahme ist kein Zufall, sondern war von der Eigentümerin gewollt. Frau Steenken liebt Kontinuität.
Wiltraud Steenken ist die Ehefrau des früh verstorbenen Werner Steenken, der den Weserpark 1990 gegründet hat. Das war damals einzigartig in Deutschland – diverse Fachmärkte unter einem Dach.
Herr Steenken war genial und traute sich was. Frau Steenken hat das Geschäft in seinem Sinne fortgeführt. Ein Familienbetrieb, wenn man so will, und die beiden nächsten Generationen sind bereits am Start.
Das dürfte einmalig sein bei so einem großen Einkaufspark.
Ja, ist es, und ich glaube, es hat entscheidend zum Erfolg beigetragen. Kurze Wege bei den Entscheidungen, Herzblut, der Werterhalt des Gebäudes – so ist der Weserpark groß geworden. Wir haben hier keinen Investitionsstau. Wenn etwas kaputtgeht, wird es sofort repariert, ohne irgendwohin erst einmal Anträge schicken zu müssen. Wichtiger ist aber noch, dass durch die Familie der alte Geist weiterlebt und das Andenken an Werner Steenken.
Ein Geist, den auch sie gelebt haben. Center-Managerin – das ist Ihnen nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden.
Nein, gewiss nicht. Ich habe vorher vieles anderes gemacht und war übrigens auch mal bei der Zeitung.
Wie bitte, eine Kollegin?
Na ja, nicht ganz. Ich habe bei der Braunschweiger Zeitung als Assistentin der Geschäftsführung gearbeitet, also nicht in der Redaktion. Dann war ich beim Deutschen Bundestag beschäftigt, habe das Büro eines Abgeordneten geleitet und seinen Wahlkampf organisiert. Später bin ich in Wolfenbüttel in einen Hotelbetrieb eingestiegen. Mein Büro habe ich mir mit einem Center-Manager geteilt und auch mal Sachen für ihn mitgemacht. Und so bin ich da langsam hineingerutscht.
Bis hin zum Weserpark. 20 Jahre, Frau Mehrtens, wollen wir ein paar Wegmarken abschreiten?
Gerne.
22. Oktober 2014 – ein ganz besonderer Tag für Ihr Einkaufszentrum.
Ja, das war die Wiedereröffnung nach der Ausbauphase. Wir haben deutlich mehr Ladenfläche geschaffen und 60 Geschäfte dazubekommen, heute sind es insgesamt 170. Es wurden 65 Millionen Euro investiert, auch für zusätzliche Parkplätze, die jetzt an die Zahl 5000 heranreichen. Besonders gelungen fand ich damals, dass kaum zu merken war, wo die bisherigen Ladenflächen in die neuen übergehen. Es wirkte von Anfang an sehr homogen.
Das war eine Zäsur, und wenn man in die Vergangenheit zurückschaut, hat der Weserpark seit seiner Gründung ungefähr alle zehn Jahre solche Veränderungen durchgemacht. Steht da wieder etwas bevor?
Es gibt einen neuen Center-Manager ...
... das ist klar. Gemeint war aber eher, ob sich der Weserpark ein weiteres Mal wandelt. Noch größer wird. Sie haben 76.000 Quadratmeter Mietfläche. Dodenhof in Posthausen liegt bei 125.000 Quadratmetern. Luft nach oben?
Nein, die brauchen wir nicht. Der Weserpark hat einen wirklich guten Branchenmix und eine gute Größe erreicht, damit können wir in die Zukunft gehen. Übrigens liegen Dodenhof und Weserpark gar nicht so weit auseinander. Die Posthauser rechnen zum Beispiel den Möbelmarkt auf ihrem Gelände dazu, wir tun das nicht.
2018 hat es bei Ihnen einen Betreiberwechsel gegeben – von der Metro zu RME, die mal für das Centro in Oberhausen zuständig war, den größten Einkaufspark in Deutschland. Und vier Jahre später ...
... sind wir Deutschlands bestes Einkaufszentrum geworden. Grundlage war eine Auswertung von mehr als einer Million Online- und Social-Media-Beiträgen. Ein schöner Moment und Lohn für die ganze Mühe, die wir in den Weserpark stecken.
Ein letztes Datum, der 27. Juli 2016. Wahrlich keine Wegmarke, aber ein besonderes Ereignis.
Die Evakuierung wegen Terroralarms. Das war ein Schreckenstag. Ich saß in meinem Büro und bekam irgendwann mit, dass die Polizei bereits in voller Montur angerückt ist. Danach war schnell klar, dass wir den Weserpark räumen müssen. Wir machen das zur Übung einmal im Jahr, in dem Fall war es aber leider ernst. Bevor ich als letzte raus bin, habe ich für die Einsatzkräfte noch die Gebäudepläne kopiert.
Stunden später war der Spuk vorbei.
Ja, nachts um halb eins. Gefunden wurde nichts.
Zurück zum Alltagsgeschäft. Wir sehen viel Leerstand – in der Innenstadt sowieso, aber auch in anderen Einkaufszentren. Bei Ihnen gibt es das bis auf wenige Ausnahmen nicht.
Diese Ausnahmen sind wichtig. Wir wollen zwischendurch einen Wechsel unter den Läden, damit etwas Neues geboten wird. Wo es bei uns eine leere Fläche gibt, hat der Nachfolger bereits unterschrieben. Das hat neben dem, was ich im Zusammenhang mit Familie Steenken gesagt habe, auch damit zu tun, dass wir, glaube ich, ein Händchen und ein Herz gerade für die kleineren Mieter haben. In der Pandemie haben wir geholfen, dass sie über die Runden kommen.
Der Mix macht’s bei den Geschäften, wie halten Sie ihn attraktiv?
Da muss ich unserer Vermietungsabteilung mit Frau Gudden an der Spitze ein Kompliment machen. Sie verfügt aus ihrer Zeit in gleicher Funktion beim Centro Oberhausen über hervorragende Kontakte. Wichtig auch, dass die Abteilung einen sehr persönlichen Draht zu den Mietern pflegt.
Vor einigen Jahren gab es im Weserpark mal den „Inspiration Store“ – Einkaufen der Zukunft: online, mobil und stationär aus einem Guss.
Ja, das war eine Art Showroom. Man sieht die Ware und bestellt sie im Internet.
Das ist doch Gift für den stationären Handel.
Nicht unbedingt, die Geschäfte haben sich darauf eingestellt. Es funktioniert ja auch umgekehrt: im Netz bestellen und in den Läden abholen. Was den Internethandel insgesamt angeht, sage ich immer, dass man online nicht Kaffee trinken kann und auch nicht so kommunizieren wie von Angesicht zu Angesicht. Was glauben Sie, wie viele Stammtische sich im Weserpark treffen. Insofern erfüllen wir auch eine soziale Funktion.
Wie sehr hilft Ihnen das Drumherum? Es gibt einen Möbelmarkt, ein großes Kino, einen Baumarkt. Den Wellnesstempel Oase nicht mehr.
Ja, leider. Jedes Angebot, das Frequenz bringt, ist positiv und folgt dem Gedanken, bei uns alles erledigen zu können. Viele Kunden kommen von weit her, dann lohnt sich der Besuch für sie richtig.
Einen Steinwurf entfernt will sich seit mehr als 15 Jahren der Möbelmarkt Höffner ansiedeln. Tatsächlich ist das Gelände bis heute eine Brache. Ein Unding, oder?
Ja, finde ich auch. Man hätte in die Verträge hineinschreiben sollen, dass Höffner bis zu einem bestimmten Datum liefern muss. Es ist sehr schade, dass auf der Fläche nichts passiert.
Zuletzt, Frau Mehrtens: Am Montag werden Sie verabschiedet. Kommen Sie wieder, dann als Kundin?
Also, ganz ehrlich: Ich bin keine große Shopperin.
Nicht wahr!
Nein, war ich noch nie. Und wenn ich durch den Weserpark gegangen bin, war ich ohnehin immer im Dienst und hatte gar keine Zeit einzukaufen. Aber klar werde ich immer mal wieder vorbeischauen, mich aber um Himmels willen nicht ins operative Geschäft einmischen, sondern allenfalls im Hintergrund beraten.
Das Gespräch führte Jürgen Hinrichs.