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Interview mit Reeder Peter Harren "Monokultur bei Crews ist Mist"

Der Bremer Reeder Peter Harren wurde gerade zum Honorarkonsul von Jamaika ernannt. Im Interview sagt er, warum er dort eine Werft aufbauen will, und warum seine Büros nicht in 1A-Lagen sein müssen.
23.03.2018, 00:01 Uhr
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Von Florian Schwiegershausen
Herr Harren, Sie sind nun Honorarkonsul von Jamaika. Können Ihre Besucher jetzt immer auf einen guten Rum bei Ihnen hoffen?

Peter Harren: Das können die Besucher gern hoffen, bekommen tun sie ihn aber nicht. (lacht)

Aber mit der Ernennung sind ja auch Pflichten verbunden. Welche sind das denn?

Was man mir direkt von Anfang an gesagt hatte: Ich muss nun an vielen Empfängen teilnehmen, die Bremen ausrichtet. Wenn die Bundeskanzlerin kommt, erwartet man, dass die Honorarkonsuln komplett alle antreten. Und bei sonstigen Ehrengästen sollen wir uns auch zeigen. Aber im Wesentlichen erwartet man von mir das, was ich bisher gemacht habe. Ich soll schauen, dass mein Engagement in Jamaika so weitergeht wie bisher. Ich soll außerdem eine Verbindung schaffen zwischen der Caribbean Maritime University in Kingston, also der CMU, und der Hochschule in Bremen. Das habe ich schon angeleiert mit dem Bildungsminister von Jamaika und dem Präsidenten der Uni, Professor Pinnock. Die haben sich schon in Bremen angemeldet. Den konkreten Termin müssen wir noch koordinieren. Vielleicht klappt das Ende Mai, wenn in Bremen die Breakbulk-Messe ist. Dazu werden wir sie auf alle Fälle einladen.

Hochschule ist ein gutes Stichwort. Denn Sie engagieren sich schließlich auch für den Offiziersnachwuchs – gerade in Jamaika. Mit welchem Erfolg?

Es gibt diverse Jamaikaner, die wir vom Kadetten bis zum Offizier ausgebildet haben. Die fahren jetzt für uns, und das macht Spaß.

Vorteile haben Sie ja auch, wenn auf den Schiffen Ihres Caribbean Feeder Services Leute an Bord sind, die vor Ort verwurzelt sind und nicht vom anderen Ende der Welt kommen.

Das spart uns natürlich jede Menge Reisekosten. Denn die Flüge hin und zurück für die Crewmitglieder zum Einsatzort – in diesem Fall Jamaika – zahlen wir ja. Als Jamaikaner haben sie außerdem ein ganz anderes Feeling, als wenn sie beispielsweise von den Philippinen eingeflogen kommen. Die sind zu Hause. Die können mal eben, wenn das Schiff ein paar Stunden in Kingston im Hafen liegt, zur Familie fahren. Die freuen sich, und wir freuen uns auch.

Auf der anderen Seite bestehen Ihre Crews nicht ausschließlich aus Jamaikanern.

Genau, denn Monokultur ist Mist. Das haben wir mal ausprobiert und gemerkt, dass das nicht funktioniert. Je internationaler eine Crew ist, desto besser. Dann unterhalten sich alle auf Englisch, und es gibt keine Grüppchenbildung. So halten wir es übrigens auch bei uns hier in Bremen. Es arbeiten hier viele verschiedene Nationalitäten zusammen.

Zurück zu Ihren Pflichten als Honorarkonsul. Sollte jetzt ein Jamaikaner in Bremen im Gefängnis sitzen, dann wären Sie sein Ansprechpartner, oder?

Ja, das ist so. Ich muss sicherstellen, dass der Jamaikaner mindestens so gut behandelt wird wie ein deutscher Gefangener. Das ist dann auch meine Aufgabe.

Um mit dem Jamaika-Klischee aufzuräumen: Hinter Ihrem Bürogebäude werden ab jetzt keine Gräser gepflanzt, die man rauchen kann?

Bisher noch nicht – zumindest nicht nach meiner Kenntnis.

Behalten Sie jetzt das Bremer Autokennzeichen, oder könnten Sie ein Diplomatenkennzeichen beantragen – wie ist das?

Also ein Diplomatenkennzeichen sicher nicht, aber man kann bei der Senatskanzlei beantragen, ein sogenanntes CC-Schild hinten dranzuhängen. Ob ich das mache, weiß ich noch nicht. Ich weiß, dass es einige haben, und andere, die Honorarkonsul sind, auch nicht.

Aber Honorarkonsul zu sein, ist für Sie ja auch mit Kosten verbunden.

In jedem Falle kostet diese Ehre Geld. Aber man muss das ja insgesamt sehen. Wenn ich praktisch durch diese Tätigkeit in Jamaika auch bessere Kontakte pflegen kann, als es schon jetzt der Fall ist – wobei, das lässt sich eigentlich kaum noch verbessern – dann hilft mir das natürlich ungemein. Es ist ja nicht nur das, sondern wir vertreten ja auch die Flagge von Jamaika in diesem Büro. Unsere Mitarbeiter vertreten also die Flagge von Jamaika in Europa. Deswegen weht vor dem Eingang die Flagge auch schon wesentlich länger, als ich nun Honorarkonsul bin.

Wann wurde die Aufgabe an Sie herangetragen?

Das hat sich entwickelt, seitdem ich mit der Idee ankam, in Jamaika eine Werft bauen zu wollen, was auch schon wieder einige Jahre her ist. Nun stehen wir kurz vor der Realisierung. Außerdem sind wir am Bau des Gas-Terminals in Montego Bay an der Nordküste Jamaikas beteiligt. Ich habe es organisiert und vermittelnd eingegriffen, bauen tut es jemand anders, zahlen tut es die Port Authority.

Wie sieht es denn aktuell mit dem geplanten Werftbetrieb für Kingston aus, in dem dann Ihre und andere Schiffe repariert werden sollen?

Ich bin gerade schon wieder auf dem Sprung nach Jamaika. Wir haben jetzt die neuen Kalkulationen und neue Erkenntnisse, wie man das am besten angehen kann. Aber die neuen Techniken, die zum Einsatz kommen sollen, sind leider nicht erdbebenerprobt. Jamaika ist ja Erdbebengebiet, und die Technik, die man da bisher verwendet, um einen Hafen zu bauen, ist ja so: Man rammt da tiefe Pfähle rein, in Erdbebengebieten werden die Pfähle noch vier bis fünf Meter tiefer gesetzt. Die müssen ja etwas aushalten können. Schließlich fahren auf den Piers ja auch Kräne, und die sollen da ja auch stehenbleiben und nicht wegfliegen. Das kann man alles berechnen, es ist aber alles eine sehr teure Lösung. Jetzt gibt es eine andere Möglichkeit, aber da haben wir noch keinen gefunden, der da einen Stempel daruntersetzt, dass das erdbebenerprobt ist. Das läuft gerade. Außerdem dürfen Sie ja nicht vergessen, dass Jamaika auch Hurrikane-Gebiet ist.

Sie haben für dieses Projekt auch einen Partner aus der Türkei?

Genau. Alles, was mit der Werft zu tun hat, ist deren Part. Mein Part ist dann alles, was mit der Pier zu tun hat. Aber mit den richtigen Ingenieuren sollten wir das hinkriegen. Ansonsten ist jetzt alles fertig vom Plan bis zur Kalkulation.

Aber schon jetzt haben Sie eine Werkstatt, in der zehn jungen Jamaikanern das Schweißen beigebracht wird sowie alle anderen notwendigen handwerklichen Fähigkeiten. Es liegt Ihnen anscheinend einiges an Jamaika.

Das ist richtig. Aber da spielt auch der Eigennutz eine Rolle. Denn wenn wir da eine Werft bauen wollen, dann brauche ich qualifizierte Arbeiter und Schweißer. Also muss ich sie ausbilden, denn vor Ort gibt es keine. Wenn ich sie alle einfliegen würde aus Europa, wäre das viel zu teuer, und wir wären schon pleite, bevor wir angefangen hätten. Die Ausbildung dauert etwa eineinhalb bis zwei Jahre. Dann können die anfangen, zu arbeiten. Bevor das mit der Werft aber richtig ans Arbeiten kommt, brauche ich mindestens 200 bis 300 Leute vor Ort. Da muss man Geduld haben, aber das passt ja zu Jamaika mit dem dort typischen Ausspruch „Soon come“.

Das bedeutet so was wie „irgendwann wird es fertig“?

Genau so, aber man erwartet von uns, dass wir da Druck machen. Ähnlich haben wir in die CMU mehr Disziplin und Zuverlässigkeit reingebracht. Und die hat sich super entwickelt.

Viele denken bei Jamaika an Sonne, Strand und Urlaub. Aber es gibt viele Kehrseiten im Land wie eben auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Dagegen wollen Sie mit ihrem Projekt angehen?

In der Tat: Wenn Sie dort zehn Arbeitsplätze schaffen, schaffen Sie dadurch automatisch hundert Arbeitsplätze an Land. Das müssen Sie sich so vorstellen: Wenn ein Dampfer zur Werft fährt, wird auch im Umfeld jede Menge Personal gebraucht. Hotelmitarbeiter, Taxifahrer, Flughafenpersonal, Ingenieure, Köche und so weiter. Schauen Sie: Damals, als in Bremerhaven die Werften noch voll waren, da ging es Bremerhaven auch wesentlich besser. Wenn also Schiffe von irgendwoher in Jamaika im Dock für zwei bis drei Wochen liegen, dann ist dort richtig was los. Davon profitiert dann die ganze Community.

Wenn Sie versuchen, die ausgebildeten Kadetten langfristig an sich zu binden, wie sieht das eigentlich aus mit der Fluktuation bei Ihren Schiffscrews?

Wir haben wenig Fluktuation. Ein Job auf unseren Schiffen ist sehr begehrt. Es ist aber auch mit einer großen Hürde verbunden, denn die lokalen Probleme dort gehen auch nicht an uns vorbei. Wir müssen da einen knallharten Auswahlprozess haben und können auch nicht jeden nehmen. Die Mitarbeiter müssen auch charakterlich einwandfrei sein, und dann geht das. Wenn wir sie dann haben, bleiben sie aber lange bei uns.

Sie haben über die Flagge gesprochen. Werden Sie da also auch die Werbetrommel rühren, dass wenn sich ein Reeder schon nicht für die deutsche Flagge entscheidet, dann wenigsten für die von Jamaika?

Wenn ein Schiff sowieso laufend in der Karibik und dann in Jamaika ist, dann kann es nur hilfreich sein. Denn dann entfallen die Reisekosten der Inspektoren, und die sind nicht zu unterschätzen. Das können pro Person schnell mal 4000 US-Dollar werden. Und wenn der Heimathafen irgendwo in Jamaika ist, habe ich dafür dann null Reisekosten. Der Vorteil von Jamaika ist auch, dass dort eine sehr moderne Marinebehörde ist, die sehr gut arbeitet. Wir selbst haben jede Menge Unterstützung von den Hafenbehörden.

Kurt Zech ist ja mit seiner Reederei vor wenigen Wochen wieder mit Zukäufen aktiv geworden. Wenn für Sie auf dem Markt eine interessante Akquisition vorhanden wäre, würden Sie dann zugreifen?

Wir arbeiten ja viel mit Joint Ventures. Das wird auch in Zukunft so sein. Wir müssen nicht alles selbst übernehmen. Wir müssen uns sehr wohl überlegen, wie groß wir werden wollen. Und macht das überhaupt Sinn, passt das in die Landschaft? Darum geht es.

Gibt es da irgendeine Marke, die Sie nicht überschreiten wollen?

Nein, unser Büro ist groß genug, da können wir noch viele Menschen unterbringen. Aber es muss Sinn ergeben. Größe ist nicht alles.

Zu Ihrem Büro: Statt in der Innenstadt Präsenz zu zeigen, ziehen Sie den beschaulichen Büropark Oberneuland vor. Und Ihr Büro in Istanbul soll leicht versteckt liegen. Ist das eine gewisse Bodenständigkeit nach bremischer Tradition, oder wie ist das zu deuten?

Wir müssen nicht immer am ersten Platz unser Büro haben. In Singapur sitzen wir auch in der dritten Reihe. Zu uns kommt kein Kunde, da wir immer zu den Kunden müssen. Und hier in Oberneuland ist das genauso. Hier sind wir verkehrstechnisch perfekt angebunden. Wir sind sofort am Flughafen, am Hauptbahnhof, ebenso in Hamburg oder Bremerhaven. Das gilt auch für viele Mitarbeiter, die hier in der Nähe wohnen. Und man fährt innerhalb Bremens zu den Stoßzeiten gegenläufig. Der Nachteil ist allerdings die fehlende Infrastruktur. Vielleicht gibt es hier bald endlich auch mal eine Buslinie. Das wäre schon ganz gut.

Zum Schluss, Herr Honorarkonsul: Allzu oft in der Öffentlichkeit zu stehen, ist doch eigentlich auch nicht Ihr Ding, oder?

Ja, wenn man gar nichts macht, dann ist das schlecht. Wenn man zu viel macht, ist das auch schlecht. Da muss man zusehen, dass man den vernünftigen Mittelweg findet. Man sollte ein bisschen Zurückhaltung an den Tag legen und nicht überall der Größte sein wollen – denn eben das liegt mir nicht.

Das Gespräch führte F. Schwiegershausen.
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