In all ihrer Schönheit wartet die Venus von Milo auf einen neuen Besitzer – genauso wie Rodins Hand. Hier im Lager von Museumsart in Bremen verbergen sich natürlich nicht die Originalkunstwerke. Zum Verkauf stehen Miniaturen der weltberühmten Skulpturen. Ingrid Sandforth-Blanken bietet die "Geschenke aus den Museen der Welt" über ihren Onlineshop an. Die Schätze gehen zu Kunden vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viele klassische Mitbringsel mit Kunstbezug gehören zum Sortiment: Kosmetiktäschchen mit Monets Seerosen, Seidenschals mit Werken wie dem "Meeresstrudel von Awa" von Hiroshige.
Ursprünglich wollte die Bremerin ein Geschäft in der Stadt eröffnen. Es ging konkret um ein Objekt in der Nähe der Kunsthalle – passend zu ihrer Idee. Auf ihren Reisen Anfang der 80er-Jahre war der Sozialwissenschaftlerin nämlich eins aufgefallen: „New York, London und Paris – überall gab es traumhaft schöne Museumsshops. Und bei uns gab es nur kleine Postkartenwinkel. Ich habe gedacht: Es ist eigentlich alles da. Man muss es nur zusammenführen.“ Doch ob ein Laden die Durststrecke zu Anfang überlebt hätte? "Ich habe zum Glück rechtzeitig kalte Füße gekriegt", sagt Sandforth-Blanken heute. Museumsart startete als Versand mit einem Katalog und gehörte zu den ersten Onlineshops in Deutschland.
Im Keller ihres Altbremer Hauses in Peterswerder ist das Lager versteckt. Es hat sich schon etwas gelichtet. Die Bremerin gibt ihr Geschäft in den nächsten Wochen auf. Im jüngsten Newsletter von Museumsart, der an ein paar Tausend Kunden geht, hat die Unternehmerin ihren Abschied angekündigt. "Ich werde Ende des Jahres 68. Das ist sicher ein guter Grund", sagt Sandforth-Blanken. Über fast ein Vierteljahrhundert habe ihre Firma den Takt vorgegeben. "Ich merke einfach: Ich möchte endlich mal wieder frei sein."
Die Betreuung des Onlineshops sei anspruchsvoll: Zu jedem Artikel gebe es ausführliche Beschreibungen, außerdem ist da die Korrespondenz mit den Kunden. Jeder bekomme eine persönliche Antwort zum Einkauf: "Wir sind eben nicht Amazon. Wir haben keine automatisierten Prozesse." Gerade zu Weihnachten sei viel los für sie und ihre beiden Mitarbeiterinnen.
Die Artikel gingen auch nach Frankreich, in die Niederlande, Dänemark und Belgien. Wenngleich sich die Unternehmerin bewusst entschieden hat, die Seite nur deutschsprachig zu halten, um nicht aus der ganzen Welt Anfragen zu bekommen. Einige gab es aber doch: "Für einen Kunden mit sehr reichen Verwandten in den USA haben wir an Privatjetflughäfen geliefert", erinnert sich die Bremerin.
Eine Übernahme ihrer Firma hat nicht geklappt. "Ich hätte das sehr gerne gehabt", sagt Sandforth-Blanken. "Was mich wirklich stört ist, dass ich einen Betrieb, der gut läuft und einen guten Namen hat, einfach so einstampfe. Das widerstrebt mir richtig." Selbst bei Google läuft es. Wer dort nach Replikaten auf die Suche gehe, bekomme oft zuerst die Angebote ihres Shops vorgeschlagen. Google belohne dessen Kontinuität. Geld fließe für die Platzierung nicht.
Einige Offerten hat es zwar gegeben – quer durch die Republik seien sie gekommen. Am Ende passten die Nachfolger jedoch alle nicht: In einem Fall sei die Finanzierung schwierig gewesen, in einem anderen Fall der Zeitpunkt nicht richtig. Ein Paar habe falsche Erwartungen gehabt, was das Geschäft derzeit abwirft. "Ich denke, der Shop ist einfach schön. Das verlockt auch", sagt die Unternehmerin. "Aber es verbindet sich damit auch viel Arbeit und nicht der Riesenprofit."
Weil es aber nicht geklappt hat, läuft nach 24 Jahren der Abverkauf. Auf alle restlichen Schätze wie die Venus von Milo mit ihren 30 Zentimetern gibt es derzeit einen Rabatt. Das turbulente Weihnachtsgeschäft möchte Sandforth-Blanken in diesem Jahr nicht mehr mitnehmen – das sei ihr Geschenk an sich selbst.
Vor allem den vertrauensvollen Austausch mit den Museen rund um den Globus hat die Unternehmerin genossen. "Das ist im Grunde das Salz in der Suppe", sagt Sandforth-Blanken. "Wir bekommen ganze viele Sachen aus Paris und London auf Zuruf." In ihrem Shop sind in der Regel die Replikate der Häuser zu finden, in denen sich die Originale befinden – eben nicht irgendwelche Nachahmungen. "Wir arbeiten von Anfang an mit der Vereinigung der Staatlichen Französischen Museen unter der Ägide des Louvre zusammen", erzählt Sandforth-Blanken. "Das war schon immer eine richtig tolle Sache."
Wenn die Bremerin in Zukunft Ausstellungen in Paris oder London besucht, darf sie sich wieder ganz allein auf die echten Kunstwerke konzentrieren. Die Entwicklung des Menschen und seine Kultur interessiert sie schon immer. Ihr erster Berufswunsch: Archäologin. Das Bedürfnis nach dem Besitz der Kulturgüter über eine Nachahmung ist bei ihr selbst weniger ausgeprägt. Ihr Zuhause gleiche keineswegs einem Museum. Nur eine Skulptur gibt es bei Ingrid Sandforth-Blanken: "Ich muss das alles gar nicht haben."