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Bürgermeister und Kämmerer reisen nach Bremen Treffen der Greensill-Gläubiger

Als Konzerthaus genießt Bremens "Glocke" Ansehen in der ganzen Welt. Doch statt Orchestern reisen an diesem Dienstag aus ganz Deutschland die Gläubiger der insolventen Bremer Greensill Bank an.
07.06.2021, 19:36 Uhr
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Treffen der Greensill-Gläubiger
Von Florian Schwiegershausen

Die Glocke hat an diesem Dienstag endlich wieder Publikum – allerdings ohne Orchester. Es macht eher den Eindruck, als ob dort mitten in Bremen ein inoffizieller Städte- und Gemeindetag stattfinden wird. Denn das Bremer Amtsgericht hat die Gläubiger von der Insolvenz der Greensill Bank in das Konzerthaus geladen. Und von den betroffenen Städten und Gemeinden werden einige Vertreter vor Ort sein. Es reicht ihnen allein nicht, dass nur die beauftragten Kanzleien ihre Rechtsanwälte geschickt haben. In der Glocke wird ebenso Insolvenzverwalter Michael Frege mit seinen Kollegen von der Kanzlei CMS anwesend sein.

Zu den Kommunen, die bei dem insolventen Geldinstitut investierten, gehört auch die Stadt Nordenham. 13,5 Millionen Euro hatte die Kommune bei der Greensill Bank deponiert. Bürgermeister Carsten Seyfarth (SPD) wird mit einem Vertreter aus der Kämmerei anwesend sein und hätte nie im Leben gedacht, dass er mal wegen einer Gläubigerversammlung das Bremer Konzerthaus aufsuchen muss: "Ich erhoffe mir weitere Erkenntnisse, dass und wie wir das Geld zurückbekommen werden." Am Rande des Treffens erhofft er sich auch im Gespräch mit den anderen Kommunenvertretern und der beauftragten Anwaltskanzlei, wie und wo es weitere Anknüpfungspunkte geben könnte.

Monheims Bürgermeister reist extra nach Bremen

Die Stadt Nordenham hat sich dabei der Initiative der Stadt Monheim angeschlossen. Dessen Bürgermeister Daniel Zimmermann (lokale Partei Peto) wird deshalb am Dienstag zusammen mit seinem Leiter der städtischen Finanzen vom Rhein an die Weser reisen. Unter Zimmermanns Federführung hat sich eine Interessengemeinschaft aus 17 Kommunen gebildet. Monheim war auch eine der ersten Kommunen, die sich nach der Strafanzeige der Aufsichtsbehörde Bafin gegen die Greensill Bank an die Öffentlichkeit gewandt hatte. Die Stadt zwischen Köln und Düsseldorf hatte 38 Millionen Euro bei dem Geldhaus in Bremen angelegt.

Sie gehört wohl auch zu den Kommunen, die offen oder hinter vorgehaltener Hand von Nachbarkommunen den meisten Spott geerntet hatte. Denn als Zimmermann 2009 zum ersten Mal in Monheim an die Spitze des Rathauses gewählt wurde, war er 27 Jahre alt und damit Nordrhein-Westfalens jüngster Bürgermeister. Um die Stadtkasse zu füllen, senkte er die Gewerbesteuer erheblich. Dadurch zog so manches Unternehmen aus der Region in die 44.000-Einwohner-Stadt, und Zimmermann zog wiederum den Ärger der Nachbar-Kommunen auf sich.

Zimmermann versucht nun, bei den Schritten im Kampf um die Greensill-Millionen Transparenz zu zeigen. Monheim und die 16 anderen Kommunen haben die Kanzlei Eckert aus Hannover beauftragt, um im Insolvenzverfahren möglichst viel der investierten Millionen retten zu können. Dazu gehört ebenso die Stadt Osnabrück. Sie legte 14 Millionen Euro bei der Greensill Bank an und schickt ebenso einen Vertreter in die Glocke.

Insgesamt sind es aber 35 Kommunen und städtische Verbände, die Kunden des Bremer Geldhauses waren. Sie alle wollten sich nicht nur einer Anwaltskanzlei anschließen. Ein weiteres großes Büro, das zehn Kommunen und einen Zweckverband vertritt, ist die Kanzlei Nieding + Barth in Frankfurt am Main. Sie wird am Dienstag mit zwei Anwälten in Bremen vertreten sein. Klaus Nieding hat sich über viele Jahre einen Namen als Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die auf Aktionärsversammlungen das Mandat von Anlegern übernimmt.

Verfahren gegen Wirtschaftsprüfer möglich

Bei Niedings Mandanten geht es jetzt um einen Streitwert in Höhe von 50 Millionen Euro. Über das übliche Insolvenzverfahren das Geld zurückzubekommen, sei der eine Weg. Doch Nieding sagte dem WESER-KURIER, dass es da auch andere juristische Anknüpfungspunkte geben könnte: "Das kann zum Beispiel die Wirtschaftsprüferhaftung sein." Das würde eine Klage gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ebner Stolz sein, die der Greensill Bank den korrekten Abschluss der Bücher attestiert hatte. Ebenso sieht Nieding auch die Möglichkeit, gegen die Ratingagentur Scope Ratings vorzugehen. Außerdem gibt es Anlagenberater, die den Kommunen den Weg zur Greensill Bank geebnet hatten. "Auch kann es Ansprüche gegen Vorstände und Aufsichtsräte der Greensill Bank geben", fügte der Rechtsanwalt an. Sollte es zu einem Strafprozess mit Verurteilung gegen Vorstand oder Aufsichtsrat kommen, könnte das im Nachgang auch eine Klage auf Schadenersatz gegen die Verurteilten zur Folge haben.

Eile habe Nieding momentan nicht: "Hinsichtlich der meisten Ansprüche sind noch nicht genügend Informationen verfügbar, um deren Einschlägigkeit abschließend beurteilen zu können. Aufgrund der geltenden Verjährungsfristen von drei Jahren besteht insoweit aber auch kein Zeitdruck." Insolvenzverwalter Michael Frege geht von einer Verfahrensdauer zwischen fünf und zehn Jahren aus. Das Treffen in der Glocke wird der erste persönliche Austausch zwischen allen sein.

Zur Sache

Wer bekommt was nach der Greensill-Insolvenz?

Auf der Gläubigerversammlung wird auch klarer werden, wie die Reihenfolge sein wird, wer als Gläubiger zuerst bedient werden muss. So will auch der Einlagensicherungsfonds vom Bundesverband deutscher Banken sein Geld zurückhaben. Die Summe, die er an entschädigungspflichtigen Kunden der Greensill Bank zahlte, liegt laut Medienberichten bei 3,1 Milliarden Euro. Eine Milliarde Euro davon sei über die gesetzliche Einlagensicherung abgedeckt, zwei Milliarden Euro seien über die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken garantiert. Zwei Milliarden Euro will sich der Bankenverband von der Bankenmutter Greensill Capital zurückholen.

Die Geldanlagen von Kommunen bei Privatbanken sind seit 2017 nicht mehr über den Einlagensicherungsfonds abgesichert. Die Gelder von Anstalten des öffentlichen Rechts dagegen schon, wenn sie nicht länger als 18 Monate angelegt sind. Deshalb erhielten auch die ARD-Anstalten ihr Geld zurück, was sie bei der Greensill Bank angelegt hatten. Beim NDR waren es 24 Millionen Euro, beim SWR 69 Millionen Euro und beim Saarländischen Rundfunk zehn Millionen Euro. Ähnlich abgesichert sind auch städtische Unternehmen, wenn sie eigenständig wirtschaften. Deshalb müssen wiederum die Bühnen der Stadt Köln um 15 Millionen Euro fürchten, die sie bei der Bank in Bremen anlegten. Denn die Bühnen werden als ein Unterposten im Kulturetat der Domstadt geführt. Auch ein Bühnenvertreter wird in der Glocke dabei sein, der auch das Mandat für die Stadt Gießen wahrnimmt, die zehn Millionen Euro investierte.

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