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Anschub fürs Sonnensystem Solar City: So plant Bremen den Energieausbau

Bremen will zur "Solar City" werden. Jetzt nimmt die Stadt an einem bundesweiten Wettrennen zum Ausbau der Solarenergie teil. Die Nachfrage nach Fotovoltaik legt insgesamt zu, wie Energieberater berichten.
20.05.2021, 18:34 Uhr
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Solar City: So plant Bremen den Energieausbau
Von Lisa Schröder

Das Solarkataster färbt die Dächer der Stadt ein. Selbst das Bremer Rathaus leuchtet auf der Karte orangegelb – wie die Schale einer Grapefruit. Die Sonne küsst das Wahrzeichen also vielversprechend. Orangegelb steht für eine ordentliche Einstrahlung.

Für das Rathaus ist die Einfärbung Spielerei. Wer sein Dach tatsächlich mit einer Solaranlage ausstatten will, bekommt auf der Seite erste Anhaltspunkte. Genauer schaut derweil die Verbraucherzentrale Bremen hin: beim Eignungscheck zur Solarenergie für Immobilien. Dieses Angebot ist seit Kurzem kostenlos. Bremen will schließlich zur "Solar City" werden und bei der Sache Tempo aufnehmen. Dazu beitragen soll die Teilnahme an einem Wettrennen zum Ausbau der Solarenergie mit zahlreichen Städten.

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Die Hürde beim Eignungscheck zu senken, soll Bremen voranbringen. "Es können sich seit dem 1. Mai alle Privatleute und Unternehmen kostenlos eine Erstberatung sichern", sagt der Geschäftsführer von Energiekonsens Martin Grocholl. In einer Stadt wie Bremen sei die Technologie die beste Chance, mehr erneuerbare Energie zu erzeugen. "Im Windkraftbereich sind wir ziemlich am Limit." Die große Aufgabe sei darum der Ausbau der Solarenergie. Betriebe, Institutionen und Vereine könnten sich für die kostenlose Beratung direkt an Energiekonsens wenden.

Sicherlich gebe es Konstellationen, wo sich die Investition wirtschaftlich weniger oder gar nicht lohne. In vielen Fällen rentiere sich die Anlage aber. Und es gibt für Grocholl noch den anderen Blickwinkel: "Für den Klima- und Umweltschutz ist es auf jeden Fall eine gute Sache. Jede Kilowattstunde, die ich mit der Sonne erzeuge, muss ich nicht mit Gas oder Kohle erzeugen."

Eine Art Hype um Solarenergie

In der Energieberatung der Verbraucherzentrale ist der überwiegende Anteil der Bremer an Fotovoltaik interessiert. Und von der Motivation, etwas für den Klimaschutz tun zu wollen, hört Energieberater Raymond Krieger dabei. Er beobachtet eine sehr hohe Nachfrage – eine Art Hype um Solarenergie. Die zunächst teure Technologie sei zwar günstiger geworden, vor zwei bis drei Jahren seien die Anlagen allerdings preiswerter als heute gewesen: "Die Nachfrage hat die Preise wieder deutlich hochgetrieben." Das Kilowatt Peak, in dieser Einheit werden Anlagen gerechnet, liege nun statt bei 1400 bis 1500 Euro annähernd bei 2000 Euro.

Laut Krieger hängt die Nachfrage auch mit der Niedrigzinsphase zusammen. Viele hätten ausreichend Reserven, auf dem Konto gebe es fürs Geld aber nichts, sondern drohten Minuszinsen. Dieser Effekt spiele eine Rolle. Die Solarenergie sei dabei eine sinnvolle und sichere Anlage: "Wenn ich 10.000 oder 12.000 Euro auf dem Konto liegen habe, dann ist die Fotovoltaikanlage durchaus eine gute Rendite."

Vor allem ist bei der Frage, ob sich eine Anlage auch im Portemonnaie rentiert, entscheidend: Wie hoch ist mein Strombedarf? Und wie viel des erzeugten Stroms kann ich selbst nutzen? Dabei gilt: Je mehr Strom jemand verbraucht, desto interessanter ist die Solaranlage. Viele Faktoren spielen dann rein: Tut es der alte Zählerkasten noch? Ist das Dach gut zugänglich? Verbraucher sollten sich deshalb am besten direkt zu ihrer Immobilie beraten lassen und unterschiedliche Angebote einholen.

Auch der Stromversorger SWB berät Kunden kostenlos zu Fotovoltaik und Solarthermie – sowohl Verbraucher als auch Unternehmen oder Quartiersentwickler. Schon im Miniformat kann die Sonne Wirkung entfalten. "Die Nutzung solarer Energie beginnt im Kleinen mit Taschenrechnern, Gartenlichterdeko, mobilen Ladestationen fürs Handy oder im Campingbereich", sagt SWB-Sprecherin Angela Dittmer. Im Gegensatz zur Fotovoltaik geht es bei der Solarthermie derweil nicht um Strom, sondern um Wärme für die Heizung oder Wasserversorgung – ein weiteres System.

Ein Knackpunkt bleibt. Solaranlagen liefern nicht das ganze Jahr kontinuierlich Strom. "Im Sommer werden Sie eine Überkapazität haben", sagt Energieberater Krieger. Im Dezember und Januar bringe die Fotovoltaikanlage dagegen nicht mehr sehr viel. Ein guter Teil des Stroms werde zudem ins Netz eingespeist, wenn der Haushalt ihn nicht direkt verbrauchen könne. Dafür gebe es jedoch nur noch wenig Einspeisevergütung. "Damit ist kein Geld zu verdienen", sagt Krieger. Der Eigenbedarf sei darum entscheidend. Erhöht werden könne der durch eine Batterie, die Strom für den Abend, die Nacht und vielleicht auch das E-Auto vorhält. Die Speicher seien deutlich preiswerter geworden und ließen sich auch nachrüsten. Gerechnet werde mit Kosten von 1000 Euro pro Kilowatt Peak.

Es muss nicht der Süden sein

In manchen Fällen reicht die Fläche des Daches nicht aus. In anderen Fällen scheitert es an der Ausrichtung. Dabei muss es gar nicht immer der Süden sein. "Für die Fotovoltaik ist auch eine Ostwestausrichtung durchaus interessant", sagt Krieger. Dann könnten beide Flächen bestückt werden und den ganzen Tag Strom produzieren. Manchmal empfiehlt der Energieberater auch, statt der Investition in eine Solaranlage zunächst alte Türen und Fenster zu ersetzen, um die Wärmedämmung des Hauses zu verbessern. Das sei teils effizienter und für die Umwelt interessanter.

Wie lange halten die Stromerzeuger auf dem Dach? Energieberater Krieger geht von mehr als 20 Jahren aus. Heute seien nach diesem Zeitraum nämlich die ersten Anlagen aus der Einspeisevergütung raus. "Die produzieren aber immer noch gut Strom." Die Module seien sehr widerstandsfähig und im Prinzip nicht wartungsintensiv. Wer eine Anlage habe, der solle kontinuierlich schauen, ob Strom produziert werde. "Das ist eigentlich das Wichtigste."

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Die Experten sind überzeugt, dass sich Solarenergie auch in Norddeutschland lohnt. Bremen komme auf einige Sonnenstunden, sagt Krieger: "Obwohl uns das gar nicht so vorkommt." Nach Angaben von Energiekonsens waren es im vergangenen Jahr 1.831. Die Energie auszunutzen, sei "absolut zu empfehlen". Als Energieberater habe er jedoch zwei Herzen in seiner Brust: "Die Kilowattstunde, die wir gar nicht verbrauchen, das ist die Beste."

Zur Sache

Auf die Dächer, fertig, los

Bremen beteiligt sich an einem bundesweiten Wettrennen zum Ausbau der Solarenergie. Wer seine Fotovoltaikleistung am schnellsten verdoppelt, gewinnt den sogenannten „Wattbewerb“. Ein Netzwerk aus Bremen gab den Impuls für die Teilnahme. Dazu gehören etwa der BUND, Scientists for Future, die Verbraucherzentrale Bremen und die Klimaschutzagentur Energiekonsens. Die Aussage des Wettbewerbs sei ganz einfach, erklärt der Geschäftsführer von Energiekonsens Martin Grocholl: "Um die Energiewende zu erreichen, müssen wir unbedingt viel mehr Solarenergie erzeugen in den Kommunen." Am "Wattbewerb" beteiligen sich im Norden auch Verden, Osnabrück, Hannover und Göttingen.

Dass Bremen noch viel zu tun hat, zeigen für Grocholl die von der Enquete-Kommission formulierten Ziele. Auf 1000 Megawatt Peak könnte Bremen demnach für den Klimaschutz kommen. Im Moment liegt der Wert bei knapp mehr als 50 Megawatt Peak. Wichtig sei nicht, das Wettrennen der Städte zu gewinnen, sondern möglichst schnell die Solarenergie auszubauen. Für die "Solar City" gebe es noch viel Luft nach oben. Die öffentliche Hand müsse mit ihren Gebäuden vorangehen.

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