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Aus für vier weitere Gesellschaften der Bremer Reederei Beluga Neue schwere Vorwürfe gegen Stolberg

Bremen. Für die Beluga-"Familie", wie das Unternehmen gern auch bezeichnet wurde, wird die Situation immer bedrohlicher. Am Freitag hat es die nächsten vier Gesellschaften getroffen. Zudem gibt es neue schwere Vorwürfe gegen den Ex-Chef Niels Stolberg.
26.03.2011, 05:00 Uhr
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Von Krischan Förster

Bremen. Für die Beluga-"Familie", wie das Unternehmen gern auch bezeichnet wurde, wird die Situation immer bedrohlicher. Fast täglich sind mehr der insgesamt knapp 600 Mitarbeiter von den Insolvenzen der verschiedenen Beluga-Firmen betroffen. Und wer es nicht ist, sieht mit Bangen dem nächsten Tag entgegen. Am Freitag erwischte es die nächsten vier Gesellschaften: Das Maritime Forschungszentrum in Elsfleth, die Ausbildungssparte (Maritime Education), die "Beluga Offshore Training Academy" und die Immobilientochter für die Teerhof-Zentrale wurden für zahlungsunfähig erklärt.

"Es ist nicht mehr zum Aushalten", berichtet eine Mitarbeiterin der Reederei. Erst die Schockstarre nach der Entmachtung des Firmengründers Niels Stolberg. Schon das ein unvorstellbarer Vorgang für viele. Beluga ohne Stolberg, wie sollte das gehen? Dann folgte eine tagelange Ungewissheit, was der US-Finanzinvestor Oaktree vorhaben könnte. In allen Sitzungszimmern der Reederei saßen plötzlich Anwälte und Unternehmensberater, die Mitarbeiter erfuhren so gut wie nichts. Als von Restrukturierung und Sanierung die Rede war, wurde klar, dass Arbeitsplätze wegfallen würden, da hoffte wohl noch jeder, er bliebe verschont. Nun rollt eine unerbittliche Insolvenzwelle über alle Unternehmensbereiche hinweg, die kaum noch einen verschont.

"Als das Kerngeschäft beendet wurde, war uns klar, was kommen würde", berichtet ein anderer Beluga-Angestellter. Gerade mal zehn Tage ist es her, dass ein erster Insolvenzantrag für die "Chartering"gestellt wurde, einen Tag später folgte schon die "Shipping" und dann wie Dominosteine weitere Gesellschaften - mit dem gestrigen Tag waren es bereits es 13. Vier von fünf Mitarbeiter sind inzwischen direkt betroffen, bekommen vermutlich schon für den März kein Gehalt mehr, sondern höchstens Insolvenzausfallgeld. Schlimmer aber noch sei es, plötzlich nichts mehr zu tun zu haben. "Wir sitzen rum und starren Löcher in die Luft", sagt eine Mitarbeiterin.

Seit keine Schiffe mehr zu befrachten sind, ist ein einst quirliges und ständig auf Hochtouren laufendes Unternehmen nahezu zum Stillstand gekommen. Mitarbeiter, die sich kaum mal eine Pause gönnten, haben jetzt viel Zeit fürs Mittagessen außerhalb der Firma. Und schon ab dem frühen Abend macht die Bar hoch oben auf der Beluga-Zentrale den besten Umsatz aller Zeiten - viele der Gäste kommen aus den darunter liegenden Stockwerken, um Frust, Enttäuschung und Zukunftsangst wegzuspülen. Andere haben sich krankgemeldet oder sind vorzeitig in den Urlaub gefahren. Und sie alle treibt eine Frage um: Wie konnte ein so großes und erfolgreiches Unternehmen, dass bis vor Kurzem noch pünktlich alle Rechnungen, Kreditdienste und Gehälter begleichen konnte, schlagartig und komplett zahlungsunfähig werden?

Oaktree glaubt, die Antwort zu kennen. Stolberg soll das Auftragsbuch der Reederei künstlich aufgebläht sowie mit Scheingeschäften und Luftbuchungen Millionenumsätze fingiert haben. Laut "Handelsblatt" geht es dabei um insgesamt 150 Millionen Dollar. Das Geld soll der Reeder aus Schiffsfinanzierungen abgezweigt haben, behaupten die Amerikaner. Um die Krise vor den kreditgebenden Banken und dem Mit-Gesellschafter Oaktree zu verschleiern? Das versucht derzeit die Bremer Staatsanwaltschaft herauszufinden.

Beluga war seit Monaten in finanziellen Schwierigkeiten, weil die immensen Kosten für Schiffsneubauten und Charterflotte nicht mehr durch die gesunkenen Einnahmen abgedeckt waren. Dabei lief das Geschäft aber offenbar gar nicht schlecht: Nach Recherchen dieser Zeitung hatte Beluga im ersten Quartal dieses Jahres einen Auftragsbestand im Wert von 41,5 Millionen Euro und in nur fünf Februar-Tagen einen Umsatz von 3,2 Millionen. Zum Vergleich: Die monatlichen Personalkosten liegen bei rund zwei Millionen Euro.

Hoch oben, in Stolbergs ehemaligem Chefbüro, residiert inzwischen der Insolvenzverwalter. Auch Edgar Grönda wird sich brennend für Finanzströme, Vermögenswerte und Geldfluss interessieren. Denn er soll retten, was an Beluga und den Arbeitsplätzen noch zu retten ist. Und dafür braucht er Schiffe: Beluga hat nach der Kündigung von mehr als 50 Charterschiffen derzeit nur noch ganze sechs eigene Frachter. Weitere zwölf Schiffe sind bei einer Beluga-Oaktree-Gesellschaft in Luxemburg registriert. Auf sie könnte Grönda nur zurückgreifen, wenn er sich mit Oaktree einigen kann. Der Kapitalinvestor ist allerdings Gesellschafter und Gläubiger zugleich in dem Insolvenzverfahren.

Sehr wahrscheinlich wird sich der Insolvenzreigen in der kommenden Woche fortsetzen. Es wäre ein nach Ansicht von Fachanwälten "normaler Vorgang" bei einem Konzern. Die vielen Beluga-GmbHs sind rechtlich unabhängig. Wann sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind, muss die jeweilige Geschäftsführung abhängig von der Kassenlage entscheiden. Da aber mit der "Beluga Shipping" der Hauptfinanzier der Unternehmensgruppe bereits insolvent ist, dürfte das für viele andere Gesellschaften nur noch eine Frage von Tagen sein.

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