Bremen. Der Betriebsfrieden hat nicht lange gehalten. Nur gut ein halbes Jahr nach dem Ende des Streiks bei der Atlas Maschinen GmbH gibt es erneut Unruhe in der Belegschaft. So hat die Geschäftsleitung die Beschäftigten jetzt aufgefordert, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben.
Nach den neuen Verträgen sollen die Mitarbeiter künftig 40 statt 35 Stunden in der Woche arbeiten. Mit der Unterschrift unter den neuen Vertrag würden "alle vorher geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen ausdrücklich aufgehoben", heißt es in Paragraf 1 des Schriftstücks. Das bedeute im Klartext: bei Abschluss eines solches Vertrages wären alle Vereinbarungen, auf die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Streikende in einer sogenannten Gesamtzusage geeinigt hatten, null und nichtig, erklärt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Holger Rigbers.
In der Gesamtzusage hatte sich Firmenchef Fil Filipov verpflichtet, allen 650 Beschäftigten an den drei Standorten des Kran- und Baggerbauers in Delmenhorst, Ganderkesee und Vechta weiterhin das zu zahlen, was ihnen laut Tarifvertrag zusteht - inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Zusätzlich wurde eine Einkommenserhöhung zum 1. Mai 2011 von 2,7 Prozent ausgehandelt. Erhöht wurden die Löhne und Gehälter dann tatsächlich um drei Prozent, wie Filipov gestern betonte. Gekündigt werden kann dieser Abschluss frühestens zum 31. Dezember 2013. Doch so lange will die Geschäftsleitung nicht mehr warten.
Vertrag auf freiwilliger Basis
Firmenchef Filipov betonte gestern auf Nachfrage, der Vertrag werde auf "streng freiwilliger Basis" angeboten. Auf die Frage, was passiere, wenn jemand nicht unterschreibe, erklärte er vielsagend: "Nichts. Wir werden jedoch wissen, dass derjenige dem Unternehmen nicht helfen möchte!" Wer den neuen Vertrag akzeptiert, soll dagegen einen Bonus in Höhe von fünf Prozent des Gehalts bekommen. Zudem werde keiner der Unterzeichner auf sein Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten müssen, erklärte Filipov. Für die Arbeitnehmer sei das dennoch ein schlechtes Geschäft, sagt Thomas Tillmann-Bramkamp von der IG Metall in Oldenburg. Bei einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit um fünf Stunden wäre eigentlich eine Lohnerhöhung von 14,3 Prozent fällig, so der Gewerkschaftssekretär. Aber Atlas-Chef Filipov wolle offenbar lieber "die Mehrarbeit zum Dumpingpreis". Tillmann-Bramkamp rät: "Das Einfachste ist, den neuen Vertrag nicht zu unterschreiben, dann passiert auch nichts." Rechtlich bindend sei
dieser ohnehin nicht. Es gebe eine Gesamtzusage, die bis Ende 2013 Bestand habe. Daran müsse sich der Arbeitgeber halten und davon könne er erst recht nicht mit Verträgen abweichen, die die Beschäftigten schlechter stellen. Nach Angaben des Gewerkschafters ist das Vorgehen der Geschäftsleitung "nichts Neues". Schon im vergangenen Jahr - im Vorfeld des Streiks - sei die Belegschaft "mehrmals mit neuen schlechteren Arbeitsverträgen traktiert" worden.
Als Grund für das Abrücken von der im vergangenen Jahr gefundenen Einigung mit den Arbeitnehmervertretern nannte Filipov gestern vor allem gestiegene Lieferantenpreise: "Wir müssen die Erhöhungen ausgleichen." Zu angepeilten Umsatz- oder Gewinnzahlen wollte der Atlas-Inhaber keine Aussagen machen. Er bestätigte allerdings, dass der Maschinen-Bauer inzwischen wieder schwarze Zahlen schreibt - "das jedoch nicht, weil ich die Kooperation der Betriebsräte oder der Gewerkschaften bekommen hätte", fügt Filipov nachdrücklich hinzu. Im Gegenteil, "die haben uns intern Probleme bereitet und werden das auch weiterhin tun".
Für seinen wenig zimperlichen Umgang mit der Belegschaft und vor allem Gewerkschaftsvertretern ist Filipov bekannt. Vor fast 50 Jahren war der Unternehmer aus dem kommunistischen Bulgarien geflohen und hatte sich in den USA zu einem - wie ihm nachgesagt wird - knallharten Sanierungsexperten im Baumaschinen-Business hochgearbeitet. Im April vergangenen Jahres übernahm Filipov dann den Maschinenbauer Atlas. Für die Verträge der Beschäftigten gab es einen Bestandsschutz von lediglich zwölf Monaten, danach hätte der Firmenchef die Chance gehabt, mit jedem Mitarbeiter einen Vertrag nach eigenen Konditionen auszuhandeln.
Um das zu verhindern, drängte die Belegschaft auf den Abschluss eines Haustarifs. Doch Filipov wollte sich nicht in seine Geschäftsführung hineinreden lassen. Er lehnte Gespräche mit der IG Metall ab. Erst nach einem fünfwöchigen Arbeitskampf gab es eine Einigung. Das Ergebnis war zwar kein Tarifvertrag, aber immerhin ein Vertragskonstrukt, das den Arbeitern die gleichen Vorteile und Sicherheiten einbrachte.